Comedian Olaf Schubert kam heute, am 14.11.2021, mal als Laudator bei der Preisverleihung des 22. Deutschen Karikaturenpreises auf die Bühne im Dresdner Schauspielhaus. Alle drei Preisträger des „Geflügelten Bleistift“ bekamen bei dem diesjährigen Motto „Normal, aber anders“ auch ihr Fett weg. An bissige Bemerkungen haben sich die Ausgezeichneten bestimmt schon gewöhnt, da auch sie garantiert reichlich Kritik einstecken müssen, schließlich polarisiert eine gute Karikatur.
Seit 2000 findet der Deutsche Karikaturenpreis jährlich statt, übrigens als deutsch-deutsche Zusammenarbeit, denn veranstaltet wird der Wettbewerb gemeinsam von der Sächsischen Zeitung mit dem Weser-Kurier. Eine zehnköpfige Jury hatte insgesamt 1158 Werke zu bewerten, die von 248 Künstlerinnen und Künstlern eingereicht wurden.
Der Berliner Karikaturist Olaf Schwarzbach erhielt den „Geflügelten Bleistift in Gold“ für sein Werk „Das M-Wort“.
Die Jurybegründung lautet: „Es dominiert das geschriebene Wort. Völlig zu Recht, denn die Aussage ist ja schon witzig genug, um zu zeigen, wie das Ringen um korrekte Sprache ins Absurde kippen kann. Der Zeichner gibt sich damit nicht zufrieden und erfreut uns mit Gemüsekarikaturen aus der Großstadt. Absurditäten im Korrekturwahn. Und nach dem ersten Lachen darf man noch über ein wunderbar unkorrektes Detail kichern: die prekäre Zwiebel, die berauscht an der Mauer lehnt und vermutlich vergebens auf ein paar Münzen von der korrekten Kartoffel hofft. Das alles ist mit so viel Liebe zum Detail eingefangen, dass es nicht nur amüsiert, sondern auch berührt.“
Olaf Schwarzbach, Künstlername OL, wurde 1965 in Berlin geboren. Schon als 16-Jähriger hatte er Kontakt zur Staatssicherheit. Er machte eine Lehre als Offsetdrucker und arbeitete als Kupferdrucker beim Staatlichen Kunsthandel der DDR. Schwarzbach floh nach Westdeutschland, nachdem die Staatssicherheit während einer Wohnungsdurchsuchung seine systemkritischen Comics beschlagnahmte. Seit 1990 zeichnet er für unterschiedlichste Printmedien. Heute lebt und arbeitet er als freiberuflicher Cartoonist in Berlin. Seine bisherigen Auszeichnungen: Heinrich-Zille-Karikaturenpreis für sein Werk „Flüchtlingskrise“, 2018; Deutscher Karikaturenpreis, „Geflügelter Bleistift“ in Bronze, für sein Werk „Arche Nora“, 2012 ;Deutscher Karikaturenpreis, „Geflügelter Bleistift“ in Bronze, für sein Werk „Ostern“, 2003.
Mit dem „Geflügelten Bleistift in Silber“ wurde Kai Flemming für „Rassistische Klischees“ ausgezeichnet.
Die Jury meint: „Warum nicht ein- oder zweimal um die Ecke biegen, bis man zur Pointe gelangt? Dabei schafft Kai Flemming ein raffiniertes Kunststück: Scheinbar platt legt er es auf einen Brüller, einen Schenkelklopfer an: Der Chinese, der mit Kegelhut, dünnem Bart und – natürlich! – Schlitzaugen kein „r“ splechen kann – au weia! Und erst der Afrikaner mit Knochen im krausen Haar, der die Bedienung im Schnellrestaurant anmotzt… Man befürchtet Schlimmstes – doch was macht die Kellnerin? Nach eigener Aussage bedient sie hier nur Klischees. Nein, kein Brüller, kein Schenkelklopfer – man reagiert eher mit einem feinen, kleinen, glücklichen Lächeln über so viel Eleganz. Und für Feinschmecker: Das „Angebot der Woche“ auf dem Tisch ist ein weiteres wunderbares Detail…“
Der Hamburger Kai Flemming wurde 1964 geboren. Er arbeitet als Werbetexter. Flemming veröffentlicht seine Cartoons seit gut sieben Jahren. 2016 und 2017 nahm er an der Sommerakademie für Komische Kunst in Kassel teil. Seine bisherige Auszeichnung: Deutscher Karikaturenpreis, Bester Newcomer für sein Werk „Rettungskasse“, 2017.
Der „Geflügelte Bleistift in Bronze“ ging an Katharina Greve mit „Antisemitismus“.
Die Jury über Greves Karikatur: „Linien und Flächen, keine Schattierungen, Reduktion auf das Notwendige – bei Katharina Greves Cartoon scheint alles ganz klar zu sein. Wirklich? Klar, die beiden Skinheads stehen breitbeinig rechts im Bild, versehen mit den einschlägigen Insignien: Stoppelfrisur, Bomberjacke, Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln. Und die „18“ als Patch und Zahlencode für Adolf Hitlers Initialen. So weit, so eindeutig. Doch dann sagt der eine Unhold auf die Frage der Reporterin, er und seine Gesinnungsgenossen wollten „nicht auf Antisemitismus reduziert werden“. Wird hier mit Entsetzen Scherz getrieben? Sicher, auf eine heilsame Art: Der Neonazi hat nämlich ein Eigentor geschossen und zugegeben, dass seine Menschenverachtung weit über jüdische Bürger hinaus reicht – wie beim Original. Doch, Humor darf auch mal tiefschwarz sein – vor allem, wenn es um politisch Braune geht.“
Katharina Greve wurde 1972 in Hamburg geboren und lebt mittlerweile in Berlin. Sie begann ihr Architekturstudium an der TU Berlin 1991, das sie 1999 mit dem Diplom abschloss. Seit 2002 ist sie freiberuflich als Comic-Zeichnerin, Cartoonistin, Künstlerin und Autorin tätig. Katharina Greve hat schon einige Auszeichnungen erhalten: Rudolph Dirks Award für Grafische Literatur in der Kategorie „Experimentell / Alternativ“ für „Das Hochhaus – 102 Etagen Leben“, 2018; Deutscher Cartoonpreis, 3. Platz, verliehen durch die Frankfurter Buchmesse und den Carlsen Verlag, 2017; Kunstpreis „Der freche Mario“, verliehen durch den Bund für Geistesfreiheit München und die Giordano Bruno Stiftung, 2016; Österreichischer Cartoonpreis, Thema „Wissenschaft“, 2016; Max-und-Moritz-Preis des 17. Internationalen Comic-Salons Erlangen in der Kategorie „Bester deutschsprachiger Comic-Strip“ für den Webcomic „Das Hochhaus“, 2016; 2 x 2. Preis beim Karikaturenwettbewerb „Schluss mit lustig?“ des Bundesfamilienministeriums und der Bundesarbeitsgemeinschaft der SeniorenOrganisationen, 2015 ; Sondermann Förderpreis für Komische Kunst, 2013 ; 2. Platz beim Cartoonpreis für Mathematik der Deutschen MathematikerVereinigung, 2013; Deutscher Cartoonpreis für neue Talente, 2010; ICOM Independent Comic Preis, Kategorie „Herausragendes Artwork“, 2010.
Die beste Newcomerin der Szene Annika Frank bekam für “ Neue Normalität“ auch einen „Geflügelten Bleistift“.
Die Jury urteilt: „Normalität spielt sich überwiegend jenseits des Politischen ab – wenn Familienfeiern entgleisen und in kleine Katastrophen münden, zum Beispiel. Das ist – um unser Motto zu bemühen – normal, aber doch anders. Zumindest anders als gedacht. Etwa, wenn ein Geschenk statt Freude Ärger bereitet. Und das aus einem Grund, der gar nicht offensichtlich ist. Die Pandemie macht eben alle zu Opfern – auch den kleinen Jungen, dessen „Selbstgemachtes“ bei Mama nur trübe Erinnerungen an den Lockdown weckt. Fast können einem beide leid tun – aber dafür ist es dann doch wieder viel zu witzig. Was natürlich auch daran liegt, dass die Gesichter umwerfend gezeichnet sind. Wir jedenfalls hoffen auf noch ganz viel „Selbstgemachtes“ von Newcomerin Annika Frank.“
Annika Frank wurde 1991 in Mannheim geboren. An der Mannheimer Universität sowie an der Chinese University of Hongkong studierte sie Kultur und Wirtschaft. Inzwischen promoviert sie an der Universität Mannheim im Bereich der Comicforschung. Nebenher arbeitet Annika Frank als freiberufliche Cartoonistin, Illustratorin und Grafikdesignerin. Ihre erste Ausstellung hatte sie 2018 in Brühl. 2019 wurde sie zur Teilnahme an der Sommerakademie für Komische Kunst der Caricatura Galerie Kassel ausgewählt. Annika Frank zeichnet klassisch auf Papier, aber auch ganz modern am Zeichentablet. Ihre bisherigen Auszeichnungen: Hoppegartener Cartoonwettbewerb zum Thema „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand“, 1. Platz, 2020; Heinz Jankofsky Karikaturenwettbewerb der SUPERillu, 3. Platz, 2020; Maskottchenwettbewerb der Nationalparkregion Hunsrück-Hochwald, 3. Platz, 2020.
Der Publikumspreis in dieser Auszeichnungsreihe fehlt allerdings noch, er wird von den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellungen in Dresden und Bremen gewählt. Der Favorit erhält seinen Preis dann vermutlich auf der Leipziger Buchmesse im März 2022.
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