Marseille in den Jahren 1940/41 eine Stadt der Hoffnung.

Auslieferung auf Verlangen

Die Rettung deutscher Emigranten in Marseille 1940/41

Mehr als tausend von der Gestapo verfolgte deutsche Emigranten, unter ihnen die Schriftsteller Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Heinrich und Golo Mann, Franz Werfel, Walter Mehring und Siegfried Kracauer, der Hitler-Biograph Konrad Heiden und der Maler Max Ernst, wurden 1940/41 in Marseille von Varian Fry, dem Repräsentanten des amerikanischen Emergency Rescue Committee (ERC), mit Geld, Pässen und Visa ausgestattet und illegal aus Frankreich herausgeschleust.
Die Bedeutung des Komitees und die Dringlichkeit einer raschen Hilfe für die Verfolgten wurden schlagartig klar, als am 22. Juni 1940 das deutsch-französische Waffenstillstandsabkommen bekannt wurde: Im Artikel 19 verpflichtete sich die Vichy-Regierung, „alle in Frankreich sowie in den französischen Besitzungen befindlichen Deutschen, die von der deutschen Reichsregierung namhaft gemacht werden, auf Verlagen auszuliefern“. Das südliche, noch nicht von deutschen Truppen besetzte Frankreich, war damit für die deutschen Emigranten zu einer Falle geworden.
Varian Fry, Organisator des Hilfskomitees in Marseille, berichtet von seiner legalen und illegalen Arbeit und den Fluchthilfeaktionen, die stets unter den Augen deutscher Spitzel, misstrauischer amerikanischer Konsulatsbeamten und Vichy-Polizisten getan werden mussten. Er schildert den Aufbau der Organisation und die Rettung der Emigranten, schreibt über die Zusammenarbeit mit prominenten Helfern (wie Andre Gide), mit Kreisen der Marseiller Unterwelt und erzählt vor allem von den zahllosen Verfolgten, von ihren Ängsten, ihrem entwürdigenden Anstehen vor Polizeipräfekturen, ihrem Gefühl des Ausgeliefertseins, dem „staatenlos im Nirgendwo“ (Walter Mehring).
„Auslieferung auf Verlangen“ ist eine Kulturgeschichte der besonderen Art. Seine Authentizität ist von vielen Zeitzeugen bestätigt worden.


Auf diesen Vorgängen beruht auch die Netflix-Serie „Transatlantic“: Flucht vor den Nazis in die Freiheit

Die Serie von Anna Winger erzählt von der Rettung europäischer Intellektueller und Künstler wie Hannah Arendt oder Marc Chagall vor den Nazis. Eine wahre Geschichte, die an den Filmklassiker „Casablanca“ erinnert.


  • Verlag: FISCHER Taschenbuch
  • Erscheinungstermin: 01.08.2009
  • Preis: 16,99 Euro
  • 352 Seiten
  • ISBN: 978-3-596-18376-0
  • Autor: Varian Fry

Varian Fry, geboren 1907 in New York, nach seinem Studium an der Harvard University wurde er Journalist. Ab 1935 berichtete er aus dem nationalsozialistischen Deutschland. 1940 Gründung des „Emergency Rescue Committee“ (ERC) zur Rettung von politisch Verfolgten. 1941 Verhaftung in Marseille und Rückkehr in die USA, wo er für das ERC weiterarbeitete. Er scheiterte im Kalten Krieg, Flüchtlinge aus aller Welt zu retten, und stirbt 1967, als unbesungener Held vergessen, an gebrochenem Herzen.

Literaturpreise:

1967: Chevalier de la Légion d’Honneur, Paris
1991 (posthum): Eisenhower Liberation Medal des US Holocaust Memorial Council, Washington
1993: Ausstellung “Varian Fry: Assingnment Rescue 1940-1941” im US Holocaust Memorial Museum, Washington
1996: Zur Erinnerung an Fry wurde in der Allee der Gerechten, Yad Vashem, ein Baum gepflanzt.
2007: Ausstellung „Ohne zu zögern. Varian Fry: Berlin – Marseille – New York” in der Akademie der Künste zu Berlin