Die Ermittlung

Oratorium in 11 Gesängen

Zwischen Dezember 1963 und August 1965 fand in Frankfurt am Main der Auschwitz-Prozeß statt, in dem die für das Funktionieren der Vernichtungsmaschinerie Verantwortlichen vor Gericht standen. Peter Weiss hat in seinem 1965 gleichzeitig an 15 Orten uraufgeführten dokumentarischen Theaterstück die Fakten über diese Hölle auf Erden, die im Prozeß zur Sprache kamen, in Gesängen gestaltet: Gesang von der Rampe, Gesang vom Lager, Gesang vom Bunkerblock. In ihnen wurden Täter und Opfer miteinander konfrontiert, und auf diese Weise wird, gerade durch den Verzicht der Rekonstruktion individueller Erlebnisse und die Betonung der funktionalen Aspekte, das Grauen dieser Tötungsfabrik deutlich. Zugleich wird die Möglichkeit gezeigt, daß sich ähnliches wiederholen könnte, und die Notwendigkeit, dies zu verhindern.
  • Herausgeber ‏ : ‎ Suhrkamp Verlag; 20. Edition (28. April 1991)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 240 Seiten
  • Preis ‏ : ‎ 9 Euro
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3518106167

Ab Donnerstag, 25. Juli 2024, wird in den Kinos der Film „Die Ermittlung“ gezeigt, ein Film über den ersten Frankfurter Auschwitzprozess. Der Regisseur RP Kahl hat das berühmte gleichnamige Theaterstück von Peter Weiss mit einem großartigen Cast verfilmt – ein Hybrid aus Theater und Kino.

Alternativ zur vierstündigen Fassung gibt es eine Drei-Stunden-Version, die dann auch für ein jüngeres Publikum besser durchzuhalten ist. Der „Gerichtssaal“ ist erkennbar ein Fernseh-Studio, die Ausstattung aufs Wesentliche reduziert. Richter, Staatsanwalt und Verteidiger sitzen vor Aktenordnern an Tischen – auf einer Tribüne im Hintergrund 18 Angeklagte.

Im Vordergrund treten die Zeugen und Zeuginnen vor Steh-Mikrophone. In elf Kapiteln – Weiss nennt sie „Gesänge“ – schildern sie den Weg der Gefangenen von der Rampe bis in die Gaskammern.


Das Theaterstück hatte 1965 Uraufführung. Peter Weiss hatte damals die Essenz von 183 Verhandlungstagen in einem vierstündigen Stück erfasst, dabei das ganze Ausmaß an Grauen zur Sprache gebracht und auf der anderen Seite „die zweite Schuld“: Das dreiste Leugnen der Angeklagten.

Verteidiger: Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass unsere Mandanten die Teilnahme an diesen Vorgängen bestreiten.
Staatsanwalt: Angeklagter Mulka, wussten Sie nicht von den Massentötungen in den Gaskammern?
Angeklager: Davon war mir nichts bekannt.

Schon beim Lesen des Stückes vor einigen Jahren, stieg die Wut in mir hoch. Jetzt im Film – für alle sichtbar gemacht – hoffe ich, dass ein Gespür dafür entwickelt wird, um sich gegen die aktuelle Welle der Menschenverachtung gestellt wird.

Peter Weiss wurde am 8. November 1916 in Nowawes bei Berlin geboren und starb am 10. Mai 1982 in Stockholm. Zwischen 1918 und 1929 lebte er in Bremen, wo er das Gymnasium besuchte. 1929 kehrte die Familie Weiss nach Berlin zurück, musste jedoch 1934 emigrieren. Die erste Station bildete London, darauf folgte 1936 die SR. In diesen Jahren widmete sich Peter Weiss vorwiegend der Malerei – 1937/1938 studierte er Malerei an der Kunstakademie in Prag. In dieser Zeit besuchte er Hermann Hesse während zweier längerer Aufenthalte in der Schweiz. Die dritte und letzte Emigrationsstation bildete 1939 Schweden, wo Peter Weiss zunächst in Alingsås, ab 1940 in Stockholm wohnte. Hier setzte er seine Tätigkeit als Maler fort. 1947 hielt er sich als Korrespondent einer schwedischen Tagesszeitung in Berlin auf. Seine Artikel versammelte er 1948 zu seiner ersten Buchpublikation. Der Band erschien posthum 1985 unter dem Titel Die Besiegten. Ab diesem Zeitraum entstanden, in schwedischer Sprache, die ersten Prosaarbeiten, Gedichte, und Dramen. Zu den wichtigsten Erzählungen aus dieser Schaffensperiode zählen Die Situation aus dem Jahre 1956 sowie das 1980 unter dem Autorenpseudonym Sinclair veröffentlichte Buch Der Fremde. Keines seiner Manuskripte wurde jedoch von einem schwedischen Verlag zur Publikation angenommen. Mitte der fünfziger Jahre begann Peter Weiss in deutscher Sprache zu schreiben. 1960 erschien sein erstes Prosabuch Der Schatten des Körpers des Kutschers. Zu Beginn der siebziger Jahre wand sich Peter Weiss wieder der Prosa zu. Zwischen 1975 und 1981 erschien der dreibändige Roman Die Ästhetik des Widerstands, deren letzter Band begleitet wird von Notizbücher 1971 – 1980. Ihm wurde posthum der Georg-Büchner-Preis für das Jahr 1982 zuerkannt.