Walter-Hasenclever-Literaturpreis für Norbert Scheuer
Winterbienen
Der Walter-Hasenclever Literaturpreis erinnert an den in Aachen geborenen Schriftsteller Walter Hasenclever (1890-1940). 1933 wurden seine Werke in Deutschland verboten. Als Regimegegner flüchtete er ins Exil, wo er sich in einem südfranzösischen Internierungslager das Leben nahm.
In seiner jetzigen Form existiert der Walter-Hasenclever-Preis seit 1996. Bisherige Preisträger waren Peter Rühmkorf (1996), George Tabori (1998), Oskar Pastior (2000), Marlene Streeruwitz (2002), F. C. Delius (2004), Herta Müller (2006), Christoph Hein (2008), Ralf Rothmann (2010), Michael Lentz (2012), Michael Köhlmeier (2014), Jenny Erpenbeck (2016), Robert Menasse (2018) und 2020 Marica Bodrožić.
Der Preis wird getragen von der Walter-Hasenclever-Gesellschaft, dem Einhard-Gymnasium – der ehemaligen Schule Hasenclevers –, dem Aachener Buchhandel sowie der Stadt Aachen. Mit diesem Preis werden literarische Arbeiten ausgezeichnet, die in der künstlerischen Grundhaltung, durch Themenwahl oder durch literarische Form mit dem Wirken Walter Hasenclevers in Verbindung gebracht werden können. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert.
Januar 1944: Während über der Eifel britische und amerikanische Bomber kreisen, gerät der wegen seiner Epilepsie nicht wehrtaugliche Egidius Arimond in höchste Gefahr. Er bringt nicht nur als Fluchthelfer jüdische Flüchtlinge in präparierten Bienenstöcken über die Grenze nach Belgien, um sie vor dem Tod im nationalsozialistischen Deutschland zu retten; sondern verstrickt sich auch in Frauengeschichten.
- Herausgeber : C.H.Beck; 8. Edition (26. November 2019)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 319 Seiten
- Preis : 22 Euro
- ISBN-13 : 978-3406739637
Der Schriftsteller Norbert Scheuer wurde am 12. November 2023 im Aachener Ludwig Forum mit dem Walter-Hasenclever-Literaturpreis ausgezeichnet. Die Jury würdigte mit der Preisvergabe 2023 das Gesamtwerk des 1951 geborenen Autors, „der in seinem Werk auch das Erbe Hasenclevers gestaltet und aktualisiert“. In ihrer Begrüßungsansprache erinnerte Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen daran, dass Norbert Scheuer mit seinem Werk einen Ort aus der Region, nämlich Kall, auf die literarische Landkarte der deutschsprachigen Literatur gebracht habe. Sie sagte: „Was Ihr literarisches Schaffen so einzigartig macht, ist die Art und Weise, wie Sie sich mit verschiedenen Themen auseinandersetzen – sei es Kall und die Welt, Kall und die Geschichte, oder auch das alltägliche Leben in Zeiten großer Veränderungen und Herausforderungen“.
Mit Blick auf das Buch Winterbienen betonte Sibylle Keupen, „dass wir 83 Jahre nach dem Suizid von Walter Hasenclever in Südfrankreich, ausgelöst durch die bevorstehende Deportation, das Grauen eines Pogroms an jüdischen Bürger*innen erleben mussten, wirft einen Schatten auf all unsere Bemühungen, Antisemitismus und Judenfeindlichkeit nach den Holocaust zu bekämpfen, einzugrenzen und in seiner Gefährlichkeit deutlich zumachen“.
Der Literaturkritiker Martin Oehlen erinnerte auch an die Spuren des Nationalsozialismus: „Dass die Vergangenheit nicht vergangen ist, sondern in vielen Falten und Poren der Gegenwart nistet, führt Norbert Scheuer immer wieder vor Augen“, erklärte er in der Laudatio auf den Preisträger. „Der Nazi-Schrecken scheint am intensivsten im Roman ‚Winterbienen‘ auf: Antisemitismus, Zwangsarbeit, Weltkrieg. Es imponiert, wie Norbert Scheuer davon erzählt. Es ist eine liebevolle Unerbittlichkeit, die in diesen Werken waltet. Alles kommt auf den Tisch. Und wir sind die Zeug*innen. Aber hier sitzt niemand zu Gericht. Niemand fällt ein Urteil. Norbert Scheuer – und das gehört zum Kern seiner Poetik – will zeigen, aber nicht erklären. Er will beschreiben, aber nicht urteilen. Was wir von alledem zu halten haben, überlässt er uns.“
In seiner Dankesrede betonte Norbert Scheuer, dass sich auch heute noch Menschen, die sich wie Walter Hasenclever für friedliche Konfliktlösungen einsetzten, öffentlich als Sofapazifisten, Unterwerfungspazifisten oder Lumpenpazifisten bezeichnet würden. Er erklärte: „Sich öffentlich für diplomatische Lösungen und Verhandlungen einzusetzen, auch den anderen in seinen Motiven und Beweggründen verstehen wollen, erfordert heute wieder Mut, mehr Mut, als manch einer aufbringen möchte oder kann, weil er damit unter Umständen seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt.“ Und weiter: „Ich finde es bemerkenswert, dass die Stadt Aachen und die Jury sich ihrem berühmten Sohn, Walter Hasenclever, verpflichtet sieht und somit zu einer Vielstimmigkeit der Standpunkte und Meinungen beiträgt.“
Norbert Scheuer entfaltet in seinen Romanen die Landschaft und das Leben der Menschen in der Eifel paradigmatisch für grundsätzliche Fragen der Gegenwart.
Norbert Scheuer wurde 1951 geboren, lebt als freier Schriftsteller in der Eifel. Er erhielt zahlreiche Literaturpreise und veröffentlichte zuletzt die Romane Die Sprache der Vögel (2015), der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, Am Grund des Universums (2017) und Winterbienen (2019). Winterbienen stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, wurde zum Bestseller und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er erhielt dafür den Wilhelm-Raabe-Preis 2019 und den Evangelischen Buchpreis 2020.