Der SPIEGEL vergibt in diesem Jahr das erste Mal einen eigenen Buchpreis

 

Eine renommierte Jury prämierte 20 belletristische Werke, die im Jahr 2025 auf dem deutschen Markt erschienen. Am 20. November 2025 wurde das Gewinnerbuch vorgestellt.

 

 

Theodor W. Adorno war der Meinung, Kunstwerke ließen sich nicht vergleichen, eher würden sie sich gegenseitig vernichten. So besteht die schwierige Aufgabe einer Literaturjury darin, den Absolutheitsanspruch bedeutender Romane ernst zu nehmen und die Bücher trotzdem in eine hierarchische Ordnung zu überführen.
Der Unterschied zu den bisher verliehenen deutschen Buchpreisen besteht darin, dass der SPIEGEL-Buchpreis eine jährliche Auszeichnung, internationaler und deutscher Romane ist. Der SPIEGEL möchte damit auch die oft virtuose und genauso oft übersehene Kunst der Übersetzerinnen und Übersetzer prämiert sehen.
So wurde am 20. November 2025 in Hamburg zum ersten Mal der SPIEGEL Buchpreis vergeben, für das beste belletristische Werk, das im Jahr 2025 in Deutschland erschienen ist, als Originalausgabe oder Übersetzung.

Symbolfoto Buchauswahl©ik

Eine siebenköpfige Jury – bestehend aus der Germanistin Eva Horn, der Schriftstellerin Juliane Liebert, der Literaturkritikerin Nora Zukker, der Lektorin und Kritikerin Miryam Schellbach sowie Elisa von Hof, Sebastian Hammelehle und Xaver von Cranach aus dem Kulturressort des SPIEGEL – hat in den vergangenen Monaten Dutzende Bücher ausgewählt, gelesen und diskutiert und sich schließlich für eine Auswahl von 20 Romanen entschieden.

Die nominierten Titel 2025
Natasha Brown: Von allgemeiner Gültigkeit / übersetzt von Eva Bonné (Suhrkamp)
Kamel Daoud: Huris / übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller (Matthes & Seitz)
Constance Debré: Play Boy / übersetzt von Max Henninger (Matthes & Seitz)
Dorothee Elmiger: Die Holländerinnen / (Hanser)
Percival Everett: Dr. No / übersetzt von Nikolaus Stingl (Hanser)
Verena Güntner: Medulla / (DuMont)
Sebastian Haffner: Abschied / (Hanser)
Seán Hewitt: Öffnet sich der Himmel / übersetzt von Stephan Kleiner (Suhrkamp)
Pierre Jarawan: Frau im Mond / (Berlin Verlag)
Mieko Kawakami: Das gelbe Haus / übersetzt von Katja Busson (DuMont)
Rachel Kushner: See der Schöpfung / übersetzt von Bettina Abarbanell (Rowohlt)
Jonas Lüscher: Verzauberte Vorbestimmung / (Hanser)
Thomas Melle: Haus zur Sonne / (Kiepenheuer & Witsch)
Scholastique Mukasonga: Sister Deborah / übersetzt von Jan Schönherr (Claassen)
Leif Randt: Let’s talk about feelings / (Kiepenheuer & Witsch)
Yasmina Reza: Die Rückseite des Lebens / übersetzt von Claudia Hamm (Hanser)
Irene Solà: Ich gab dir Augen, und du blicktest in die Finsternis / übersetzt von Petra Zickmann (S. Fischer)
Szczepan Twardoch: Die Nulllinie. Roman aus dem Krieg / übersetzt von Olaf Kühl (Rowohlt Berlin)
Benjamin Wood: Der Krabbenfischer / übersetzt von Werner Löcher-Lawrence (DuMont)
Feridun Zaimoglu: Sohn ohne Vater/em>« / (Kiepenheuer & Witsch)

Aus der Begründung der Jury:

„Rachel Kushner schafft es, mit cooler Präzision eine Heldin zu erschaffen, die unsympathisch, berechnend und manipulativ ist – und der wir gebannt bis zum Ende folgen. See der Schöpfung ist eine Agentengeschichte, die spannend ist, schnell wie eine Pistolenkugel. Hypnotisch wird die Geschichte aber dadurch, dass – sozusagen als Gratisgeschenk – immer wieder tiefschürfende Reflexionen eingestreut werden. Über die Evolutionsgeschichte des Menschen, französisches Landleben, Mythologie, Kulturtheorie, politischen Aktivismus. Am Rande entfaltet der Roman eine rasante Theorie der Menschheitsgeschichte. Kushner springt von der einen auf die andere Ebene, als wäre nichts dabei. Sie offenbart so ihre Meisterschaft und erinnert daran, dass es auch heute noch möglich ist, die Prädispositionen der Moderne in sich zu tragen und gleichzeitig so unbeschwert, begeistert und opulent zu erzählen, als gäbe es kein Morgen.“

Rachel Kushner sagt zu ihrer Auszeichnung: „Ich freue mich wahnsinnig und fühle mich sehr geehrt, den ersten SPIEGEL Buchpreis zu erhalten. Diese Auszeichnung ist ein großer Vertrauensbeweis, der mich anspornen wird, weiterhin Romane zu schreiben, die etwas riskieren.“

Das ausgezeichnete Buch: See der Schöpfung

Sadie Smith – 34, skrupellos, verführerisch, ehemalige FBI-Agentin – wird von einem namenlosen Auftraggeber in eine entlegene Gegend in Südfrankreich geschickt. Ihr Auftrag: Sie soll eine Kommune anarchistischer Umweltaktivisten infiltrieren, die im Verdacht steht, Anschläge verübt zu haben. Sadie blickt zunächst mit Verachtung auf die Idealisten und die französische Provinz mit ihren verschlafenen Dörfern und Höfen. Doch dann gerät sie in Kontakt mit Bruno Lacombe, dem Vordenker der Gruppe. Bruno lehnt die Zivilisation ab, er lebt in einer Neandertalerhöhle und sieht die Rettung der Menschheit in der Rückwendung zu ihren Ursprüngen. Die Auseinandersetzung mit ihm lässt Zweifel in der eigentlich so abgebrühten Sadie keimen, und sie, die die Fäden in der Hand zu halten glaubte, gerät mehr und mehr in seinen Bann.

Eine provozierende Agenten-Story im Spannungsfeld von Gesellschaftskritik, Aktivismus und Politik.

„Das Elektrisierende an diesem Roman ist die Verknüpfung von aktueller Politik mit einer dunklen Gegengeschichte der Menschheit. Kushners aufregende Ideen haben uns mitgerissen. Der ganze Roman ist ein tiefgründiger, unwiderstehlicher Pageturner.“ Die Booker-Prize-Jury

„Rachel Kushner erfindet den Spionageroman auf coole, hochintelligente Weise neu.“ Hernán Díaz

„Rachel Kushner ist die aufregendste Autorin ihrer Generation.“ Bret Easton Ellis

  • Verlag: Rowohlt Hardcover
  • Übersetzt von: Bettina Abarbanell
  • Erscheinungstermin: 15.04.2025
  • Preis: 26 Euro
  • ISBN: 978-3-498-00241-1
  • 480 Seiten

Rachel Kushners Romane Flammenwerfer (2015), Telex aus Kuba (2017) und Ich bin ein Schicksal (2019) waren New-York-Times-Bestseller. Für ihr Werk wurde sie mit dem Prix Médicis ausgezeichnet und war für den Booker Prize, den National Book Award, den National Book Critics Circle Award und den Folio Prize nominiert. Ihre Bücher sind in 27 Sprachen übersetzt. Rachel Kushner lebt in Los Angeles. Zuletzt erschien von ihr der Essayband Harte Leute (2022).