ALS-Drama

 

Leitersturz war der Anfang vom Ende

 

Diese Geschichte begleitet mich seit vielen Jahren. Obwohl sie ein trauriges Ende genommen hat, ist sie für mich nicht zu Ende.

Alles begann für mich 2013. Seit gut einem Jahr gab ich an der B1 hinter Magdeburg für die Einheitsgemeinde Biederitz das Gemeindeblatt heraus. Aus einer Idee, für die Gemeinde ein Informationsblatt zu entwickeln, war ein kleines, aber feines und gewinnbringendes Objekt für Biederitz geworden. Oft polarisierend, mit eigenständiger Meinung, die sich nicht nach den Vorgaben des Gemeinderates richtete und immer prall gefüllt mit kleinen und großen Geschichten aus den Orten: Biederitz, Gerwisch, Gübs, Heyrothsberge, Königsborn und Woltersdorf (darüber werde ich an anderer Stelle noch ausführlich berichten). Wie es so im kleinsten Regionaljournalismus in einer kleinen Gemeinde ist:

Wer viel mit den Menschen redet, sich überall blicken lässt und bestimmte Ehrenkodexe – z.B. niemals einen Informanten zu nennen – einhält, erfährt auch viel. Tatsächlich erfuhr ich viel. Das garantierte mir exklusive Geschichten, die von den Anzeigenblättern und dem Tageszeitungs-Monopolisten "Burger Volksstimme" mit viel Neid und Ärgernis zur Kenntnis genommen wurden.

Für 1 Euro bekamen die Leser bis zu 56 Seiten geboten, hin und wieder sogar wurden sogar Extrahefte eingelegt. Mittlerweile kostet das Gemeindeblatt 1,50 Euro und hat Inhalt und Umfang radikal runtergefahren. Aber das ist eine andere Geschichte…

Zurück zu dem ALS-Drama. Im Sommer 2013 hörte ich von einem jungen Mann, der von einer Leiter gefallen war und seitdem unter einer unerklärlichen Krankheit litt. Mir wurde auch der Name zugespielt und ich begann, zu recherchieren. Vom Hörensagen und aus Gesprächen mit Verwandten des Betroffenen hatte ich genug Material für eine Geschichte.

Doch das reichte mir nicht, ich wollte mit engen Freunden von Maik reden oder mit seiner Ehefrau Ivonne. Aber hier biss ich für Jahre auf Granit. Als mich dann auch noch ein guter Freund der Familie, Mirko, der auch zu meinen Freunden zählt, bat, die Geschichte nicht zu machen, legte ich das Thema auf Eis. Über Jahre.

Bis zum Frühjahr 2014.

Mirko rief mich an: "Thomas, wir haben lange überlegt, ob wir Dir alles erzählen. Jetzt ist es so weit. Ivonne möchte sich mit Dir und Maiks Freunden treffen, denn wir möchten Dich um Hilfe bitten."

Ivonne, Maiks Freunde Mirko, Eick und ich trafen uns und begannen zu reden. Es war unglaublich, was ich erfuhr. Unglaublich aber war auch, wie viele Menschen sich um den an ALS erkrankten Maik kümmerten.

Und erst Ivonnes Engagement: Sie hatte nicht nur dafür gesorgt, dass ihr Mann nicht in einem Pflegeheim untergebracht wurde, sondern in der Nähe der Familie betreut wurde. Rund um die Uhr. In einer dafür extra umgebauten Garage (das klingt merkwürdig, erschließt sich aber in der Geschichte).

All das lesen Sie, liebe Leser in dem folgenden Artikel, der im April 2018 im Biederitzer Gemeindeblatt und später auch in der Stadtgottes veröffentlicht wurde. Mit der Veröffentlichung begann in der Umgebung von Biederitz auch eine Spendenaktion zugunsten von Maik. Es ging darum, die Garage zu verschönern und zu isolieren, um eine neue Heizung und vieles mehr.
Alles Dinge, die sich Ivonne (sie lebte damals von Hartz IV) allein nicht bewältigen konnte. Die Reaktion entlang der B1 war gigantisch: Nicht nur Landrat Steffen Burchhardt schaltete sich ein und rief bei einem Neujahrsempfang zu Spenden auf, auch die Leser*innen zeigten ein großes Herz. Insgesamt über 12000 Euro kamen zusammen!
Damit nicht genug: Es gelang, Ivonne so zu stabilisieren und neuen Lebensmut – bei aller Tragik – zu vermitteln. In einem 
Magdeburger/Biederitzer Steuerbüro schloss sie erfolgreich eine Ausbildung ab und arbeitet jetzt in einem Magdeburger Unternehmen.

Zu Maiks Familie habe ich bis heute ein enges, freundschaftliches Verhältnis, auch wenn ich mittlerweile in  Bad Wimpfen am Neckar – lebe. Das ist kein Problem, im Herzen sind wir alle miteinander verbunden. Ich verfolge mit großer Freude die Entwicklung von Ben und Lina, die nun auch schon 17 und 12 Jahre alt sind und aufs Gymnasium gehen. Wann immer es mich nach Biederitz zieht, versuche ich, Ivonne und ihre Kinder zu treffen. Leider gelingt das nicht immer.

Etwas ist noch ganz wichtig: Damals – bei unserem ersten Kennenlernen – habe ich Ivonne versprochen, nirgendwo Fotos zu veröffentlichen, die den körperlichen Verfall ihres Mannes zeigen. Daran halte ich mich. Auch auf dieser Seite. Mit dieser Ausnahme: Das Titelbild für die Aprilausgabe des Gemeindeblatts hat sie freigegeben, die anderen Bilder im Kasten unten auch.

Leider nahm die Geschichte ein trauriges Ende, wie die Traueranzeige beweist. Deshalb habe ich sie an den Anfang des Berichts vom April 2018 gestellt.

Traueranzeige-ALS-Patient

Bis zum August 2012 schien im Leben von Maik Bethge alles perfekt. Er betrieb eine kleine, aber sehr erfolgreiche Versicherungsagentur. Auch privat war alles in Ordnung: Glücklich verheiratet seit 15 Jahren mit Ivonne. Erst verband sie nur ihr gemeinsames Hobby, das Reiten, dann entwickelte sich aus der Freundschaft langsam die große Liebe: „Wir kannten uns schon als Teenager“, erinnert sich Ivonne Bethge, „trafen uns auf Partys in Gerwisch oder auf dem örtlichen Reiterhof. Später wurden wir Mitglied im Reitverein “ 
2003 wurde geheiratet – ganz in Weiß. Dann eine zünftige Reiterhochzeit mit vielen Gästen aus der Umgebung. Ben (14) und Lina (9) kamen auf die Welt, das Glück von Ivonne und Maik war unendlich. „Wir haben unser Leben langsam, Schritt für Schritt aufgebaut“, erzählt Ivonne. „Ich hatte mit einer zweiten Ausbildung als Erzieherin begonnen. Und wir wollten als nächstes ein Haus für unsere kleine Familie bauen.“
Mit Freunden errichtete Maik zuerst eine Garage, die er in einen Partyraum verwandelte, um feiern zu können. „Hier haben wir uns oft getroffen“, erzählen die Freunde Mirko und Eick, die beim Gespräch dabei sind.
Sie erinnern sich an unbeschwerte Feiern oder sommerliche Grillabende auf dem Grundstück in Gerwisch, einem kleinen Ort an der B1, der zur Einheitsgemeinde Biederitz gehört. „Maik konnte mitreißen und motivieren“, sagt Eick, „er strahlte Optimismus und Zuversicht aus.“ Ivonne ergänzt: „Im Partyraum sollte auch Bens 10. Geburtstag gefeiert werden.“
Kaputte Leiter. Aber dann begann im August 2012 das unbeschreibliche Drama. „Mein Mann hatte unseren Kindern ein Baumhaus gebaut. Als er eines Tages auf die Leiter stieg, zerbrach eine Stufe und er fiel auf die Erde ...“
Eigentlich nur ein kleiner Unfall. Doch für Maik hatte es schlimme Folgen. Erst konnte er nicht mehr richtig laufen, zog das Bein hinter sich her. Zwar wurde er in der Uniklinik Magdeburg auf den Kopf gestellt und gründlich untersucht. Doch einen Befund gab es nicht.
Schock-Diagnose. Weitere, unzählige Untersuchungen folgten, zum Beispiel wurde mit einer Lumbalpunktion Nervenwasser aus dem Rückenmark gezogen. Doch erst ein weiteres EMG brachte den Durchbruch und ein Professor wagte eine Diagnose: „Zum ersten Mal wurde über ALS gesprochen“, sagte Ivonne Bethge.
Das war nicht nur ein unglaublicher Schock, sondern änderte alles.

ALS-Maik-Bethge-Freunde

Eick und Mirko, zwei junge Männer aus Gerwisch, die zum engsten Freundeskreis von Maik gehörten. Sie haben jede Entwicklung des Dramas um den einstigen Kaufmann mitverfolgt und Ivonne und ihre Kinder über Jahre begleitet. Klar, dass sie bei meiner ersten Begegnung mit Ivonne dabei waren. Eins ist sicher: Ohne Eick und Mirko wären viele Probleme, die Maik betrafen, nicht gelöst worden. "Vielen Dank für Euer selbstloses Engagement." Foto/Copyright: Thomas Pfundtner

Spendenaktion-ALS-Patient

Die Spendenaktion für Maik war ein Riesenerfolg, innerhalb kürzester Zeit kamen über 12.000 Euro zusammen. Das Geld wurde auf einem Sparkonto der Sparkasse Jerichower Land angelegt und für nötige Ausgaben im Zusammenhamg mit Maiks Erkrankung eingesetzt.
Hier zeigen Mirko und Eick (rechts), der Vater von Ivonne (daneben) und Babett vom Heimatverein Gerwisch, der die Aktion damals phänomenal unterstützte einen Scheck mit einem Teil der Spendensumme. Links oben: Zwei ehemalige Mitarbeiterinnen der Sparkasse. Sie arbeiten jetzt bei der Volksbank. Foto/Copyright:
Thomas Pfundtner

Und mit alles, ist wirklich alles gemeint. Der Grund: Bei ALS kommt es unaufhaltsam zu einer fortschreitenden und nicht behandelbaren Schädigung der Nervenzellen, die für die Muskelbewegungen verantwortlich sind. Aller 656 Muskeln.
Prominentestes Beispiel ist der am 14. März 2018 mit 76 Jahren verstorbene, englische Astrophysiker Stephen Hawking, der mit 21 Jahren an ALS erkrankte. Er konnte nicht mehr sprechen, war gelähmt und verbrachte sein Leben im Rollstuhl. Dennoch konnte er arbeiten, reisen, forschen und Bestseller veröffentlichen. Und als seine Stimme versagte, trat er über einen Sprachcomputer, der über einen Wangenmuskel gesteuert wurde, mit den Menschen in Kontakt.
Das ist bei Maik alles anders: Nur einen Monat nach Ausbruch der Krankheit musste er sich auf Krücken fortbewegen. Weihnachten saß er bereits im Rollstuhl. Trotzdem kämpfte Maik, nahm am Leben teil, kümmerte sich liebevoll um seine Kinder und seine Frau. Das Leben war anders geworden, aber Maik lebte.
Doch die Krankheit schritt unaufhaltsam voran: Maiks Muskeln wurden immer schwächer. Ostern 2013 konnte der einst so kräftige Mann nur noch mit einem Strohhalm trinken, im August musste ein Sprachcomputer angeschafft werden.
Augenlider. Vergeblich, auch die Sprech-, Atem- und Schluckmuskeln erschlafften immer mehr: „Am Ende konnte Maik nur noch mit den Augenlidern kommunizieren“, berichtet Ivonne Bethge die Situation. „Wenn ich auf einer Tafel einen Buchstaben zeigte, blinzelte er einmal. War es der falsche, zweimal.“
Deutlich ist zu spüren, wie viel Kraft es Ivonne Bethge kostet, alles noch einmal zu durchleben. Die Sorgen, die Ängste, die Verzweiflung.
Wie viel Kraft muss diese Frau besitzen, wie viel Stärke in sich tragen, um das alles zu ertragen und gleichzeitig eine gute Mutter für Lina und Ben zu sein.
„Konnte es noch schlimmer kommen?“
„Ja!“, ist die schlichte Antwort. Ivonne erzählt:
„2013 war ganz schrecklich. Wir besuchten zahlreiche Ärzte, Heilpraktiker, Alternativmediziner und Kliniken. Helfen konnte niemand. Jeder Strohhalm, an den wir uns klammerten, zerbrach.“
Ivonne musste ihre Ausbildung aufgeben. „Das war nicht mehr möglich. Mein Mann und die Kinder brauchten mich.“
Mitte des Jahres versagten Maiks Schluckmuskeln komplett, eine Magensonde wurde gelegt. Dabei kam es zu Komplikationen. Notoperation.
Dann wurde er in die Lungenklinik Lostau verlegt – Lungenentzündung. Künstliches Koma.
Wieder gab es dramatische Folgen. „Maik wusste, dass er nach dem Koma nicht mehr allein atmen kann. Doch dazu war er bereit, denn er wollte leben“, erzählt Ivonne.
Seitdem hat eine Maschine für Maik das Atmen übernommen.

Und Maik wurde endgültig zum hilflosen Gefangenen im eigenen Körper. Körperlich auf jegliche fremde Hilfe angewiesen. Geistig voll da, aber nicht mehr in der Lage mit seiner Umwelt zu kommunizieren. Ein Leben, ohne zu leben...
Umzug. Im Januar 2014 musste die Lungenklinik Maik Bethge entlassen. Eine Intensiv-Wohngemeinschaft in Magdeburg wurde vorgeschlagen. „Aber ich wollte, dass Maik bei seiner Familie ist und dort gepflegt wird“, sagt Ivonne.

Das war unmöglich, denn die Wohnung hatte nur zwei Zimmer. Auch fehlte ein Pflegebett, eine rollstuhlgerechte Treppe oder ein entsprechender Lift und ein behindertengerechtes Bad. 

Gemeindeblatt-Gerwisch-TitelblattLinks der Titel der Aprilausgabe des Gemeindeblattes 2018. Damit begann eine Spendenaktion für ein "besseres" Leben für Maik.  Und diesen Kasten veröffentlichten wir zu der Geschichte:  Am 17. April wird Maik Bethge 40 Jahre. Sein Leben ist zerstört, denn nichts wird mehr so, wie es einmal war. Aber auch im Leben seiner Familie ist alles anders: Ivonne Bethge kann nicht arbeiten gehen, denn sie muss sich um die Kinder und besonders um ihren Mann kümmern. Und sie muss alle Formalitäten erledigen: Abrechnungen, Anträge, Widersprüche, Eingaben. Nicht nur ab und zu, sondern ständig.

Mittlerweile lebt die Familie von Hartz IV, alle Reserven sind aufgebraucht. Aber die Kosten bleiben – seien es Anteile, die nicht von der Kasse bezahlt werden (zum Beispiel der Strom für ein zweites Atemgerät, das immer stand by geschaltet sein muss) oder anfallende Reparaturen. Damit nicht genug. Größtes Problem derzeit: Die Rechnung für eine vernünftige Heizung (vorher gab es nur Stromheizung ) ist noch nicht komplett bezahlt. Das Dach muss dringend gerichtet werden und die Außenwände gehören unbedingt verputzt und abgedichtet.

Hier kommt Maiks Clique ins Spiel: „Wir möchten Maik zum Geburtstag schenken, dass das alles gemacht und auch die Heizung bezahlt werden kann“, erzählen Mirko Elsner und Eick Lilpopp. Aber das Geld fehlt!

„Sicher, wir können viel selber machen. Doch das reicht nicht.“ Deshalb bittet Mirkos und Eicks Clique um Ihre Unterstützung. „Bitte helfen Sie uns und spenden Geld, damit die Heizung bezahlt werden kann.“

Eine wirklich gute Idee, denn alles, was das Leben von Maik etwas angenehmer gestalten kann, ist eine große Hilfe. Dieser Hilfe haben sich bereits einige Personen angeschlossen. Landrat Steffen Burchhardt, Bürgermeister Kay Gericke und Ortsbürgermeisterin Karla Michalski stellen Geld bereit. Auch das Gemeindeblatt stiftet 100 Euro und bittet Sie, liebe Leserinnen und Leser, um Spenden.

Wie können Sie helfen? Wenn Sie Spenden möchten, überweisen Sie bitte einen Betrag auf das Konto XXXXXXX

Darüber hinaus werden in den nächsten Tagen von Maiks Freunden Spendenschweinchen aufgestellt, wo Sie ebenfalls spenden können. Bis Redaktionsschluss hatten die Drogerie Pütsch in Biederitz (Karl-Marx-Straße), die Gaststätten „Zur Alten Wache“ und „Kombüse unterm Leuchtturm“ in Gerwisch das Aufstellen der Hilfe-Schweinchen zugesagt. Weitere werden folgen.

Auch beim Gemeindeblatt können Sie Ihre Spende abgeben: Briefumschlag in den Briefkasten, A&T Pressebüro, Gerwischer Str.xxx einwerfen. Die Umschläge werden ungeöffnet weiter an den Heimatverein geleitet.

Das Gemeindeblatt bedankt sich schon jetzt bei allen Unterstützern dieser Aktion und hofft, dass wir alle zusammen Maik ein klein bisschen unterstützen können.

Manchmal gab es einen Tropfen Bier

Mit Ivonne und ihren Kindern verbindet mich seit dem ersten Treffen eine Freundschaft. Als ich im Sommer 2018 von Biederitz nach Bad Wimpfen umzog und mich auch weitestgehend aus dem Gemeindeblatt zurückzog, überraschte mich Ivonne beim Kreuzbergfest in Gerwisch mit einem riesigen Blumenstrauß. Ich war geplättet und versuchte meine Rührung mit einem Lächeln zu verbergen, während Ivonne ihre Tränen nicht unterdrücken wollte. Es mag überraschend klingen: Die Geschichte mit Maik und die sich daraus ergebenden Erlebnisse und Ereignisse haben auch für mich persönlich viel bedeutet, werden unvergessen bleiben und haben mich viel lernen lassen. Foto/Copyright: Privat

Also doch WG in Magdeburg?
„Als ich erfuhr, dass mein Mann entlassen wird, habe ich versucht in Gerwisch eine passende Wohnung zu finden“, erinnert sich Ivonne. Vergeblich. Nicht nur wegen der beiden Kinder. Vermieter schreckten zurück, als sie von der Krankheit des Ehemanns erfuhren. Auch in Magdeburg blieb die Suche erfolglos.
Also wurde Maik in eine Intensiv-WG verlegt?
„Aber das war nur vorübergehend“, erzählen seine Freunde Eick und Mirko, „denn wir hatten den Plan, den Partyraum in der Garage für Maik umzubauen, damit er in der Nähe seiner Frau und Kinder sein konnte.“
Neue Heimat. Die Freunde hielten, was sie versprochen hatten. Nach und nach „verwandelten sie die Garage – in ständiger Abstimmung mit dem Pflegedienst – in eine neue Heimat für Maik, während sich Ivonne um alle Formalitäten kümmerte.
Im Juli 2014 konnte Maik in sein „neues Reich“ einziehen.
Seitdem wird er hier rund um die Uhr von einem fünfköpfigen Pflegeteam betreut.
Kraft und Stärke. Ivonne, die dann doch eine kleine Wohnung in Gerwisch für sich und die Kinder fand, ist täglich bei ihm, ebenso die Kinder. Freunde schauen vorbei. Das gibt der jungen Frau Kraft und Stärke.
Die muss sie auch haben. Für Maik, damit er trotz der schweren Krankheit optimal gepflegt und versorgt wird.
Für ihre Kinder. Ben besucht ein katholisches Gymnasium, das unter Trägerschaft der Edith-Stein-Stiftung des Bistums Magdeburg steht. Das kostet Geld – auch wenn das Schulgeld über das Einkommen berechnet wird. Bei Hartz IV sicher nicht viel, dennoch fehlen die Euros. „Früher gab es größere Geschenke für Lina und Ben, Maik verdiente doch gut.“ Ivonnes Stimme klingt weder neidisch noch ärgerlich, nur traurig. Unendlich traurig...
Es ist zu spüren, dass Ivonne ihren Kindern eine gute Mutter ist, die um das Glück von Lina und Ben wie eine Löwin kämpft.
Wie lebt Maik heute?
„Im Sommer wird Maik oft im Rollstuhl von den Pflegern oder mir in den Garten geschoben. Er kann die Kinder beim Spielen beobachten oder Natur und Sonne genießen. Im Winter ist das unmöglich. Das Risiko einer Infektionsgefahr oder einer neuen Lungenentzündung ist zu hoch.“
„Ab und zu machen wir einen Ausflug“, erzählt Ivonne, „wir waren im Zoo Magdeburg, haben an seinen Geburtstagen Kutschfahrten unternommen.“
Bier auf die Lippen. „Am Vatertag ist unsere Clique unterwegs. Da gehört ein Besuch bei Maik einfach dazu“, sagt Eick, „wir bringen ihm immer ein frisches Bier mit“, sagt er lächelnd.
Natürlich wissen alle Freunde, dass Maik nicht mehr trinken kann, aber „ein kleiner Schluck durch die Magensonde oder etwas Bier auf die Lippen getupft... Wir fühlen, Maik genießt diese Momente.“ In diesen Momenten spüren sie alle, dass Maik leben will ...
Gibt es Hoffnung?
„Mein Vater recherchiert im Internet alles über ALS, sucht nach neuen Forschungsergebnissen. Es gibt immer wieder kleine Lichtblicke."
Aber Heilung?
"Das wissen wir nicht, geben die Hoffnung aber nicht auf“, sagt Ivonne Bethge leise.
Gerade diese Hoffnung ist es, die der kleinen Familie Kraft und Stärke gibt. Und tatsächlich scheint ein besonderer Schutz über Maik, Ivonne, Ben und Lina zu liegen.
Ein Beispiel: Kürzlich feierte Maik seinen 40. Geburtstag.
Da hatten seine Freunde sich etwas ganz Besonderes ausgedacht: Über das Biederitzer Gemeindeblatt und bei Facebook verbreiteten sie Maiks tragische Geschichte und baten um Spenden.
Mit großem Erfolg: Unendlich viele Menschen waren berührt und sahen es als ihre Christenpflicht an, zu helfen. Dadurch kam so viel Geld zusammen, dass die Heizung bezahlt werden konnte. Auch die Renovierung der Unterbringung konnte endlich in Angriff genommen werden.
Ivonne Bethge: „Wir waren überwältigt von dieser Hilfsbereitschaft. Ich glaube, dass es etwas gibt, was über uns wacht und uns behütet.“
Gott?
„Ja, das ist möglich, denn er hat ein Zeichen gesandt, dass uns neue Hoffnung und Kraft gibt.“
Dann fügt sie leise hinzu: „Maik will leben. Wir wollen, dass Maik weiterlebt und bei uns ist. Alles andere ist keine Option...“
Hier endet die Geschichte von damals.
Am 1. März 2021 schlief Maik Bethge friedlich ein.

Ein strahlendes Brautpaar: Ivonne und Maik bei ihrer Hochzeit 2003. Gleich daneben: Familienglück. Ivonne und Maik mit Baby Ben. Wenige Jahre später: Maik kann nicht mehr aufstehen, ist ans Bett gefesselt. Ständig an seiner Seite: Lina und Ben. Maik sitzt zwar im Rollstuhl, nimmt aber rege an Festen und Treffen teil.

Immer begleitet von seiner Frau Ivonne, die sich aufopferungsvoll um ihren Mann kümmert, dafür sogar eine Ausbildung sausen lässt und in Hartz IV abrutscht.

Eine Erinnerung aus normalen Tagen: Maik als stolzer Reiter mit der kleinen Lina auf seinem Schoß.

Beim Neujahrsempfang des Landkreises Jerichower Land in Burg verfolgen Ivonne, der Biederitzer Bürgermeister Kay Gericke (rechts im Bild), zahlreiche Feuerwehrmänner und fast 500 andere Gäste, den Spendenaufruf für Maik von Landrat Steffen BurchhardtSpäter unterhielt er sich lange mit Ivonne und versprach ihr jedmöglichste Hilfe. Das hat er eingehalten – bis heute.

Fotos/Copyright: Privat(5), Thomas Pfundtner (3).

Danke, lieber  Landrat: Ganzer Kreis spendete für Maik

Auszug-Anzeige-Gemeindeblatt-ALS

So berichtete das Biederitzer Gemeindeblatt über die Spendenaktion

Der Neujahrsempfang des Landkreises Jerichower Land und der Sparkasse am 24. Januar endete für Ivonne Bethge mit einer wunderbaren Überraschung. Die 38-jährige Ehefrau des an ALS erkrankten Maik Bethge war auf Einladung unseres Landrats Steffen Burchhardt in der Stadthalle Burg erschienen, um „offiziell für ein paar Stunden auf andere Gedanken“ zu kommen. Tatsächlich aber hatte sich der Landrat vorgenommen, seine Gäste zu bitten für Familie Bethge, über deren trauriges Schicksal das Gemeindeblatt erstmals im April 2018 berichtet hatte, zu spenden.

Hintergrund: Steffen Burchhardt hat es sich zum Ziel gesetzt, anlässlich des Neujahrsempfangs, die Gäste und die Menschen im Kreis auf Menschen aufmerksam zu machen, mit denen es das Leben nicht immer gut meint.

So wurde 2018 für einen an Leukämie erkrankten Jungen gesammelt, damit ein Spender gesucht werden konnte.

Nun sagte er am Ende seiner Rede zu den Gästen: „Es geht um das Schicksal einer jungen Familie aus unserer Mitte: Maik, Ivonne, Lina und Ben Bethge. Nach einem Leitersturz des Familienvaters Maik Bethge, bekam er die schreckliche Diagnose: ALS ! Bei dieser Krankheit kommt es unaufhaltsam zu einer fortschreitenden und nicht behandelbaren Schädigung der Nervenzellen, die für die Bewegungen aller Muskeln verantwortlich sind. Innerhalb weniger Jahre schlug diese Krankheit bei Maik Bethge rücksichtslos zu.

Heute liegt er völlig regungslos in seinem Bett, muss rund um die Uhr von Pflegern betreut werden. Trotz aller staatlichen Hilfe, der tatkräftigen Unterstützung vieler Freunde und dem Hilfeaufruf von Thomas Pfundtner im Biederitzer Gemeindeblatt hat dieses Schicksal die Familie finanziell schwer belastet.

Maik Bethge können wir nicht mehr helfen, aber es wäre in seinem Sinne, seiner tapferen Frau Ivonne und den Kindern beizustehen. Ich freue mich, dass Ivonne die Kraft gefunden hat, heute Abend bei uns zu sein.

Ich bitte Sie alle um eine Spende für dieses wichtige Anliegen. Uns allen geht es gut, unterstützen wir diejenigen, die weniger Glück hatten.“ Dann zog er einen hohen Euroschein aus seiner Jacke, steckte ihn in einen kurzen Feuerwehrschlauch und meinte: „Mit dieser Spende möchte ich Mut machen und hoffe, dass viele von Ihnen meinem Beispiel folgen werden. Vielen Dank!“

Mit Tränen in den Augen lauschte Ivonne Bethge den Worten des Landrats, flüsterte immer wieder: „Ich bin überwältigt. Vielen, vielen Dank. Es ist unfassbar.“

1 080 Euro kamen spontan zusammen, „Aber“, sagte Steffen Burchhardt, „es kann noch mehr werden.

Viele Gäste hatten kein Geld dabei, wollten aber unbedingt helfen. Deshalb verschicken wir in den nächsten Tagen noch einmal einen Spendenbrief und hoffen, dass noch eine ordentliche Summe zusammenkommt. Für diese tolle Sammlung, bedanken wir uns ganz herzlich.“

Auch das Gemeindeblatt wurde auf dem Neujahrsempfang von Menschen angesprochen, die spenden wollen. Dankeschön.

Im nächsten Heft berichten wir, was bisher mit dem Geld geschah und wie weit die Sanierung des Gebäudes, in dem Maik rund um die Uhr betreut wird, gediehen ist.