Back to the Roots: Grisham zeigt, wie’s funktioniert
Meine Meinung!
Seit 1989 steht John Grisham regelmäßig auf den internationalen Buch-Bestsellerlisten. Angefangen hat es mit Die Jury einem Justizkrimi, an dem der amerikanische Bestsellerautor vier Jahre schrieb und den eigentlich kein Verlag veröffentlichen wollte.
Diese Zeiten sind längst vorbei – präzise wie ein Uhrwerk kommt (fast) jedes Jahr ein neuer Grisham auf den Markt. Und fast alle werden erfolgreich.
Auch Der Polizist, der seit dem 10. Mai im Handel ist, wird sicherlich keine Ausnahme bilden. Zum nunmehr dritten Mal lässt John Grisham seinen Protagonisten Jake Brigance in der kleinen, fiktiven Ortschaft Clanton im Bundesstaat Mississippi einen spektakulären Fall vor Gericht vertreten: Mitten in der Nacht werden Polizisten ins Haus ihres Kollegen Stu Kofer gerufen. Sie finden den Deputy auf seinem Bett im Schlafzimmer, erschossen aus nächster Nähe von dem 16-jährigen Drew Gamble.
Der Junge ist der Sohn von Kofers Lebensgefährtin Josie, die von dem Polizisten regelmäßig verprügelt und gequält wurde. Auch Drew und seine Schwester wurden zu seinen Opfern.
Für die konservativen Menschen in Clanton ist der Fall klar und es gibt nur eine Strafe: Der Polizistenmörder muss in die Gaskammer, ohne Wenn und Aber.
Im Ort baut sich schnell ein großer Druck auf Ermittler, Polizei, Richter und Anwälte auf. Doch, wer will bei diesem öffentlichen Druck als Pflichtverteidiger für Drew Gamble eintreten? Zumal es maximal 1000 Dollar mit dem Mandat zu verdienen gibt. Niemand. So ist es kein Wunder, dass sich alle Anwälte wegducken, als der Richter versucht, ihnen die Verteidigung des Polizistenmörders aufzudrücken.
Auch Jake Brigance hat keine Lust, sich gegen den öffentlichen Hass auf den Mörder zu stellen und wieder einmal mit einem eindeutigen Fall, kein Geld zu verdienen.
Doch er bekommt (natürlich) den Fall und sieht sich fortan nicht nur zahllosen Anfeindungen ausgesetzt, sondern verliert auch viele Freunde und wird brutal zusammengeschlagen.
Aber je größer der Druck wird, umso intensiver taucht Jake Brigance in die Tiefen und Hintergründe des Polizistenmordes ein. Natürlich soll der überraschende Plot hier nicht verraten werden, aber eines kann verraten werden: Jake Brigance gelingt es während der Verhandlung, die Geschworenen immer wieder zu überraschen und den Staatsanwalt, der für Drew die Todesstrafe fordert, aufs Glatteis zu führen. Doch, ob das reicht?
Mein Fazit: Mit Der Polizist knüpft John Grisham nahtlos an seine erfolgreichen Justizthriller an. Mühelos gelingt es ihm, den Spannungsbogen über viele hundert Seiten zu halten.
Der Leser spürt, dass Grisham ausführlich und lang schreiben wollte, ohne langweilig zu werden. Dabei bedient er sich einfacher, fast schon puristischer Formulierungen, die der Geschichte den typischen Grisham-Drive geben.
Das war bei den letzten Büchern leider nicht immer der Fall. Der Polizist ist wirklich ein absoluter „Pageturner“. Die 661 Romanseiten sind viel zu schnell zu Ende.
Wer die Bücher von John Grisham kennt, wird nicht nur das Gefühl haben, dass er zu seinen schriftstellerischen Wurzeln zurückgekehrt ist, sondern sich auch über die Rückkehr früherer Protagonisten freuen. Wer zum ersten Mal einen Grisham zur Hand nimmt, wird – so wage ich zu prognostizieren – zumindest danach zu Die Jury oder Die Erbin greifen, um mehr über Jake Brigance, Richter Noose, Clara oder Carl Lee Hailey zu erfahren.
Dies ist auch der Übersetzung von Bea Reiter, Imke Walsh-Araya und Kristiana Dorn-Ruhl zu verdanken. Sie haben bisher mehrere Bücher von John Grisham ins Deutsche übertragen und „kennen“ ihren Autoren und seinen Stil.
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