Buchcover-Alice-wie-die-Nazis-das-Kochbuch-meiner-Großmutter-raubten

Mein Buch hatte sein eigenes Schicksal, konstatierte Alice Urbach 1980 in einem Interview.
Und in der Tat: Dieses Buch und seine Autorin haben viel erlebt.
Alice Urbach, Wiener Jüdin, starke Köchin und Autorin des Bestsellers So kocht man in Wien!, wurde 1938 aus ihrer Heimat vertrieben, verlor ihre Familie, wurde ihrer Karriere beraubt. In England, später in den USA baute sie sich ein neues Leben auf. Ihr schier unglaubliches Leben ist Thema des Buches, das ihre Enkelin, die Historikerin Karina Urbach, geschrieben hat: Das Buch Alice. Sie geht darin der Frage nach, was wirklich mit dem Kochbuch ihrer Großmutter passierte. Denn als Alice nach dem Krieg nach Wien zurückkehrte, entdeckte sie in einem Schaufenster ihr Buch — aber sie war nicht mehr als Autorin genannt. Der deutsche Verlag hatte So kocht man in Wien! 1938 arisiert, der Bestseller wurde fortan unter dem Autorennamen Rudolf Rösch verkauft.
Alice kämpfte viele Jahre um die Rückgabe ihres Buches, ohne Erfolg. Deshalb ist Das Buch Alice, im vergangenen Herbst bei Propyläen erschienen, nicht nur eine große Familiengeschichte, sondern auch eine Diebstahlsanzeige. Diese hatte überraschende Folgen: Der Ernst Reinhardt Verlag, der Alice‘ Kochbuch noch bis weit in die 1960er-Jahre unter falschem Namen publizierte, bat öffentlich um Entschuldigung und gab die Rechte an die Familie Urbach zurück. Darüber hinaus druckte er die Auflage von 1936 nach und stellte einhundert Exemplare Bibliotheken und interessierten Historiker*innen zur Verfügung. So hat Das Buch Alice zwar kein Happy End, aber doch eine Wendung zum Guten bewirkt: Alice Urbach ist wieder Autorin von So kocht man in Wien!
Von Kafka stammt der Satz, dass Bücher wie die Axt sein müssen, für das gefrorene Meer in uns. Genau diese Wucht hat Das Buch Alice entfaltet — denn die Anerkennung historischen Unrechts verändert schlussendlich auch die Gegenwart.

Verlag Propyläen, Hardcover, ISBN 978-3-549-10008-0, 430 Seiten, 25 Euro,
Hinweis: Am 18. Oktober erscheint die Taschenbuchausgabe zum Preis von 11,99 Euro, ISBN: 978-3-548-06516-8