NCL-Kind Sarah heute

 

Ein kleiner Hund gibt ihr neuen Lebensmut

 

NCL-Kind-mi-Geschwister

Die kleine Amy hat nicht nur den gesamten Haushalt der Familie Marquard auf den Kopf gestellt. Nein, die Hündin eroberte sofort die Herzen der Geschwister und Eltern. Und, sie veränderte das ganze Leben von Sarah. Seitdem Amy bei ihr ist, ist sie völlig verändert: Aktiv. Begeisterungsfähig. Glücklich. Sogar Laufen und Spazierengehen bringt Sarah endlich wieder viel Spaß. Fotos/Copyright: Privat

Sarah aus Hamburg ließ mich nicht mehr los. Irgendwie wollte ich ihr helfen, ein wenig dazu beitragen, der Familie und ihr – trotz aller Probleme – Unterstützung zu ermöglichen.

Wieder zu Hause schrieb ich die Reportage von Sarah auf und ließ sie von ihrer Mutter Yvonne freigeben. Im November 2018 wurde die Geschichte in der Stadtgottes und der Kinderzeitschrift „Weite Welt“ veröffentlicht. Es gab viele Leserbriefe, die helfen wollten. Ob die Leser*innen etwas für Sarah gespendet haben, weiß ich nicht.

Noch vor der Veröffentlichung hatte ich einen Brief an den Ersten Bürgermeister von Hamburg, Peter Tschentscher, die Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz, die Senatorin für Soziales und Familie, Dr. Melanie Leonhard, den SPD Vorsitzenden Wandsbek-City, Uwe Lohmann sowie den Fachsprecher für Jugendhilfe, Marc Buttler geschrieben. Alles verdiente Sozialdemokraten in der Hansestadt. Alle – ebenso wie ich – Mitglied in der SPD. Die Briefe gingen als einfaches Einschreiben raus.

Meine Hoffnung war, die Politikerinnen und Politiker würden vielleicht einen Weg finden, Sarah und ihrer Familie bei der Grundstückssuche zu helfen. Oder, sie würden mal bei den Marquards vorbeischauen und ihnen Mut zusprechen. Oder vielleicht eine Spendenaktion veranstalten. Eine Kopie des Berichts fügte ich jedem Brief bei.

Und, ich war voller Optimismus, dass nun – und sei es nur eine Kleinigkeit – etwas geschehen würde. Aber wochenlang hörte ich nichts, bis mir eines Tages die Antwort eines Sachbearbeiters in den Briefkasten geworfen wurde.
Im typischen Amtsdeutsch wurde im Auftrag des Ersten Bürgermeisters von Hamburg darauf verwiesen, welche rechtlichen Möglichkeiten die Familie haben würde und dass sie sich dafür nur an die zuständigen Behörden wenden könnten.  Kein Wort des Mitleids, kein Gedanke an eine unkonventionelle Hilfe. Ja noch nicht mal die Ankündigung eines Besuchs bei der Familie.

„Wissen die Politiker eigentlich, welche Probleme ihre Wähler*innen haben können, wie schwer manchmal der Alltag für sie sein könnte?“, fragte ich mich. Natürlich wissen sie es, aber ob es sie interessiert …?
Ich weiß es nicht, bezweifle es aber, denn: Die anderen angeschriebenen SPD-Politiker *innen hatten es nicht einmal nötig, zu antworten. Die konnte ich also abschreiben …
Von hier war also nichts zu erwarten.

Politiker sind keine Hilfe – aber der Verein Rautenherz!

Also beschloss ich, zumindest mit kleinen Geschenken Sarah, ihren Geschwistern und den Eltern eine kleine Freude zu machen. Schließlich stand Weihnachten vor der Tür. Darüber hinaus versuchte ich weiter, den Artikel an Tageszeitungen und Illustrierte zu geben, ohne einen Honorarwunsch. Nur mit der Bitte die Kontonummer des Hamburger Vereins Rautenherz e.V. und das Stichwort Sarah zu veröffentlichen. Rautenherz wurde 2014 von HSV-Mitgliedern gegründet und kümmert sich um zahlreiche soziale Projekte für Kinder. Eben auch um Sarah. Die Veröffentlichungen erfolgten auch nur suboptimal, denn mal fehlte der Spendenhinweis oder der Bericht wurde abgelehnt, weil er „zu regional sei …“ .

Der Kontakt zur Familie Marquard blieb bestehen. Ab und zu telefonierte ich mit Mutter Yvonne und sie erzählte mir, was es Neues gab. So war es der Familie nach vielem Hin und Her doch gelungen, ein kleines Grundstück zu kaufen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit einem Nachbarn, konnte dann problemlos ein barrierefreies Haus erbaut werden. Wie sagt Mika Marquard immer mit einem Lächeln im Gesicht: „Ich kann gar nicht so viel arbeiten, wie wir abbezahlen müssen. Aber Sarah bekommt ein wunderbares Zuhause und kann von uns betreut werden. Und nur das zählt.“

Er erzählte aber auch, dass es unglaublich sei, wie viele Spender die Familie unterstützen würden. So hatten beispielsweise die Mitarbeiter der Deutschen Bank für den Hausbau gesammelt. Über 6.000 Euro kamen zusammen. Und die hauseigene Stiftung legte noch einmal 5.000 Euro obendrauf. Wirklich unglaublich toll.

Rautenherz veranstaltete ebenfalls Spendensammlungen (unter anderem einen Sarah-Marathon). Der Vereinsvorsitzende sagte mir: „Wirklich, jeder Euro hilft und kommt der Familie zugute.“

Jedes Jahr zu Weihnachten bekam ich Post von Sarah. Immer lag ein Geschenk dabei, ein selbstgemalter Engel oder eine selbstgebastelte Kerze (sie hat einen Ehrenplatz in meinem Regal).

Ende Oktober 2019 beschloss ich, im Februar 2020 – also zu Beginn der Corona-Pandemie – meinen 65. Geburtstag im Familienkreis in einem Hotel in Schwäbisch-Hall zu feiern: mit leckerem Essen, einer Stadtführung und einem Zauberer, der selbst die größten Zweifler total verblüffte.

Was man eben so veranstaltet, wenn das letzte Lebensdrittel eingeläutet wird…

Natürlich wollten meine Frau, unsere Kinder und Verwandten wissen, was ich mir wünschen würde. „Lasst Euch überraschen. Ich habe alles, bin glücklich und brauche nichts“, sagte ich dann immer. „Lasst Euch überraschen, ich verrate meinen Wunsch am Geburtstag.“

Sie, liebe Leser*innen können es sich denken – ich wollte Spenden für Sarah. Tatsächlich kam ein nettes Sümmchen auf dem Spendenkonto für Sarah bei Rautenherz zusammen.  Martin Rüssel hat dazu auf der Webseite von Rautenherz einen Bericht mit Bildern veröffentlicht. Den lesen Sie unter dem Foto. Dann bin ich wieder dran.

NCL-Kind

Dr. Frank Stehr von der NCL-Stiftung, Cathrin Stange vom Verein Rautenherz, Mika und Yvonne Marquard, Sarah und meine Wenigkeit beim Besuch im Oktober 2020. Es war ein kleines Familienfest mit Schwarzwälder Kirschtorte (mein Lieblingskuchen, mit Sarahs Unterstützung gebacken), fröhlichem Lachen und anregenden Gesprächen. Schnell war auch eine Verwendung für die Geburtstagsspende gefunden: Das Geld fließt in Amys Ausbildung. Schließlich soll die kleine Dame nicht nur mit Sarah spielen, sondern auch auf sie aufpassen und ihr helfen.

Auf dem Foto unten posieren wir vor dem Familien- Auto der Marquards. Der Van ist rundum mit dem NCL-Logo beklebt (eine Spezialanfertigung, die die Druckerei Fricke in Magdeburg gesponsert hat): „Dr. Stehr und sein Team haben uns so viel geholfen – da kann das nur ein kleines Dankeschön sein.“ Fotos/Copyright: Rautenherz e.V.

Eine Spende für Sarah

Es ist der 12. November 2019, abends, als mein Mobiltelefon klingelt. Ich bin kurz vor dem Sprung ins Bett und eigentlich nicht mehr in der Stimmung zu telefonieren. Der Tag war kräftezehrend. Die Nummer ist mir nicht bekannt. „Vielleicht ist es etwas Wichtiges“, denke ich und nehme an.
„Thomas Pfundtner hier, hallo Herr Rüssel“, meldet sich ein sympathisch klingender Mann. „Ich werde zu meinem 65. Geburtstag am 15. Februar 2020 eine Geburtstagsfeier ausrichten, und alle eingeladenen Gäste habe ich gebeten – anstelle eines Geschenks für mich – lieber etwas für Sarah zu spenden!“
Ich bin ein wenig überrumpelt, realisiere dann erst wirklich das Gesagte und freue mich schließlich über diese grandiose Nachricht am Abend!
Wie ich kurz darauf erfahre, hat der zu diesem Zeitpunkt 64-jährige Bad Wimpfener Sarah bereits persönlich kennen gelernt. Und nicht nur das: In seiner Funktion als Autor der Zeitschrift „Stadt Gottes“, schrieb er im Jahr 2018 einen Beitrag über ihr bewegendes Schicksal. Wir vereinbaren einen weiteren Austausch, sobald alle Planungen für die Geburtstagsfeier abgeschlossen sind.
Tags darauf erhalte ich von Thomas Pfundtner via E-Mail den besagten Beitrag über Sarah, den ich aufmerksam lese. Dann stelle ich fest, dass noch ein weiteres Dokument – sein Bericht über Sarah – anhängig ist. Ich benötige nicht viele Zeilen, um zu begreifen, dass der Mann, der offensichtlich ein großes Herz und viel Empathie in sich trägt, selbst auf ein bewegendes Schicksal blicken kann.
Nun aber zurück zur Geburtstagsfeier! Wie mir mitgeteilt wurde, war es eine äußerst gelungene Veranstaltung. Auch und insbesondere mit Blick auf die Spenden-Aktion für Sarah. 1.250 Euro spendeten die Geburtstagsgäste. Der Jubilar packte – wie er es seinen Gästen versprochen hatte – die gleiche Summe obendrauf, sodass insgesamt 2.500 Euro zusammenkamen! Ein fantastisches Ergebnis!
So ließen ließen es sich Herr Pfundtner und seine Gattin auch nicht nehmen, die Reise aus der beschaulichen Kurstadt Bad Wimpfen nach Hamburg – die Stadt, in der Herr Pfundtner aufwuchs – anzutreten, um die frohe Botschaft samt Spende eigens zu überbringen. Wie bei den vorherigen Besuchen auch, bereiteten Sarah und die gesamte Familie Marquard den Pfundtners einen herzlichen Empfang. Hinzu kamen Frank Stehr, Vorsitzender der NCL-Stiftung, und Cathrin Stange von unserem Verein. Bei Kaffee, Saft und selbstgebackener Torte wurde viel gelacht und Sarah führte stolz durch das neue, barrierefreie Haus. In ihrem Zimmer wurde ein extra langer Stopp eingelegt, um den Pfundtners die heiß geliebten Kuscheltiere zu präsentieren.
Dabei stellte sich dann auch Sarahs derzeit größter Wunsch heraus: ein eigener Hund! Ein echter, versteht sich, zum Gassigehen, aber vor allen Dingen zum Kuscheln und Liebhaben! Ziemlich schnell war allen Anwesenden klar, wofür die Spende der Pfundtners also verwendet werden sollte…
Ob der von Sarah sehnlichst gewünschte Hund mittlerweile bei den Marquards eingezogen ist? Das und vieles mehr erfahrt ihr in Kürze hier in diesem Blog!
Herzliche Grüße & frohe Weihnachten

Umzug und ein neues Familienmitglied

Mittlerweile schreiben wir 2021. Im Sommer des vorigen Jahres konnte Familie Marquard endlich in ihr kleines Reich umziehen. Der untere Bereich verfügt über eine offene Küche mit Wohnzimmer. Durch die großen Fenster und die Terrassentür ist der kleine Garten immer zu sehen. Neben dem Wohnzimmer sind Sarahs großes Zimmer und ein behindertengerechtes Bad.
Im ersten Stock haben die anderen Kinder und die Eltern ihre Bereiche. Der große Vorteil an dem Haus: Sarah braucht sich nicht mehr die Treppe in den ersten Stock hoch zu quälen. Auch bietet der große Flur im Eingangsbereich genügend Platz für ihren Rollstuhl.

Apropos Rollstuhl: In den Monaten vor dem Familienumzug und auch danach, zog sich Sarah innerlich immer mehr zurück. Sie weigerte sich, zu laufen, lehnte Spaziergänge ab und blieb stundenlang in ihrem Zimmer.
Das lag sicherlich auch an der Corona-Krise, denn durch die Pandemie wurde ihr kompletter Tagesablauf auf den Kopf gestellt. Kein Schulbesuch, keine anderen Kinder, die zu Besuch kamen, keine Familienausflüge.

Zwar tröstete das neue Haus Sarah über einiges hinweg, aber, wie ihre Mutter sagt: „Sarah hatte überhaupt keinen Bock mehr. Sie war zu nichts zu gebrauchen.“

Nur wenn Sarah ab und zu ihre Oma besuchte, blühte sie auf, tollten dort schließlich Hunde durch den Garten.

Amy krempelte Sarahs Leben total um – ins Positive!

Yvonne und Mika Marquard handelten und suchten in der Umgebung nach einem passenden Vierbeiner. Sie fanden ihn außerhalb der Hansestadt bei einem liebevollen Hundehalter, der gerade geborene Welpen abgeben wollte. Also fuhr die gesamte Familie los, um für Sarah einen Hund auszusuchen. Doch, es war der Welpe, der sich Sarah aussuchte. Als Sarah sich zu dem Welpenwurf niederkniete, purzelte eines der tapsigen Wollknäuel direkt in ihren Schoß. Es war Liebe auf den ersten Blick. Doch die kleine Amy gleich mit nach Hause nehmen – das war natürlich nicht möglich.

Aber allein der Gedanke an die kleine Amy hauchte Sarah neues Leben und eine unbändige Energie ein.

Als meine Frau und ich Familie Marquard im Oktober 2020 besuchten, um den Spendenscheck zu übergeben, erlebten wir eine quicklebendige Sarah, die nur ein Thema kannte: “Ich bekomme einen Hund. Mami, wann kommt der Hund? Dauert es noch lange bis Amy bei uns ist?“, sprudelte es aus ihrem Kindermund heraus, als sie uns in ihr Zimmer zog und auf ein großes Welpenfoto auf ihrem Schreibtisch zeigte.

Auch während der Unterhaltung mit ihren Eltern, Geschwistern, der Rautenherzmitarbeiterin Cathrin Stange und Doktor Frank Stehr von der NCL-Stiftung erzählte Sarah mit glücklichem Lächeln von ihrer Amy.

„Seitdem Sarah weiß, dass sie einen Hund bekommt, ist sie wie ausgewechselt“, erzählte mir Yvonne Marquard später, „sie will nicht mehr im Rollstuhl sitzen, sondern laufen. Ständig drängt sie uns zum Spazierengehen. Sarah hat sich total verändert. So glücklich haben wir sie lange nicht mehr erlebt.“

Am 11. November war es dann endlich so weit: Die kleine Mischlingsdame (Labrador, Entlebucher Sennenhund und etwas Beagle) zog bei Familie Marquard ein. Und, glauben Sie es, oder nicht, obwohl Sarah unter Kinderdemenz leidet, erfüllt sie (fast) alle Pflichten eines Hundebesitzers: Sarah geht mit ihr spazieren, spielt mit ihr und kümmert sich darum, dass Amys Napf gefüllt wird.“

Selbstverständlich verteilt Amy ihre Liebe auf alle Marquards, aber ihre Chefin ist und bleibt Sarah. Wenn es dafür eines Beweises darf: Amy schläft nachts nur im Bett des jungen Mädchens mit der traurigen Krankheit. Und seitdem wacht Sarah nachts auch nicht mehr auf! Kann es Schöneres geben?

Ich bin gespannt, wie es mit Sarah weitergeht und werde selbstverständlich darüber berichten.

Amy und Sarah – mehr als ein Herz und eine Seele. Die beiden jungen Damen sind unzertrennlich. Am liebsten würde Sarah ihre Amy auch mit in die Schule nehmen. Aber das geht natürlich nicht, auch wenn die beiden das überhaupt nicht verstehen wollen … Aber, wenn Sarah dann wieder zuhause ist, wird geschmust, geknuddelt und ganz viel Liebe ausgeteilt. Fotos: Privat