Traumhafte Reise in eine andere Welt

 

Bei der Premiere von „Der Zauberer von Oz“ am Theater der Altmark leuchteten nicht nur Kinderaugen vor Begeisterung

 

Standing Ovations und viel Jubel gab es am Ende der Vorstellung.©T.Pfundtner

 

Minutenlanger Applaus. Pfiffe und Gejohle. Die erste Vorstellung des diesjährigen Weihnachtsmärchens war mitreißend und begeisternd. Nicht nur die Kinder, auch die Eltern und Großeltern verfolgten mit Spannung die abenteuerliche Wanderung von Doro, der Vogelscheuche, dem Löwen und dem Blechmann zum Zauberer von Oz.

Dazu begeisterten die hervorragenden Liedertexte und die hitverdächtige Musik. Für fast alle Besucher der Premiere wird dieser Nachmittag unvergesslich bleiben.

Doro, Blechmann, Löwe und Vogelscheuche auf ihrer Wanderung.©Nilz Böhme, TdA

Von Thomas Pfundtner

Stendal – Was für ein Nachmittag im Theater der Altmark (TdA): Jubelnde Kinder, strahlende Eltern und Großeltern und eine mitreißende Premiere des diesjährigen Weihnachtmärchens „Der Zauberer von Oz“ im Großen Haus des ehrwürdigen Hauses.

Aber, wer ist eigentlich dieser Magier? Und warum lieben seit nunmehr 124 Jahren alle Kinder die Geschichte von Dorothy, der Vogelscheuche, dem Blechmann und dem ängstlichen Löwen, die sich auf die Suche nach dem Zauberer von Oz begeben, damit er ihnen ihre Wünsche erfüllt. Die Antwort ist einfach und doch auch schwer. Damals – vor mehr als 100 Jahren – bediente das Buch wichtige Grundpfeiler der Gesellschaft: Mut, Treue, Freundschaft und Zusammenhalt. Bevor die Frage „gilt das auch heute noch“ beantwortet wird, lassen Sie uns einen kurzen Blick auf den Inhalt des Weihnachts-Musicals werfen:

Doro (Siri Wiedenbusch) sucht den Weg nach Hause.©Nilz Böhme, TdA

Der Löwe wird auch mitgenommen.©Nilz Böhme, TdA

Für Doro (Siri Wiedenbusch), die bei ihrer Tante und ihrem Onkel aufwächst, ist eigentlich alles langweilig, eintönig und grau. Und dann haben die Erwachsenen kaum Zeit für sie. Eines Tages fegt ein mächtiger Wirbelsturm um das Haus und reißt Doro mit sich. Sie landet in der magischen Welt Oz.

Hier scheint alles bunt, schillernd, aufregend und abwechslungsreich zu sein. Doch Doro sehnt sich zurück in ihre Heimat. Eine gute Hexe rät dem Mädchen, sich in die Smaragdstadt zu begeben, wo der mächtige Zauberer von Oz lebt. Nur er kann mit seinen magischen Kräften Doro zurück in ihre Heimat „teleportieren“. Also macht sich Doro auf den abenteuerlichen Weg. Unterwegs trifft sie eine Vogelscheuche (Oscar Seyfert), die sich ihr anschließt. Komplett aus Stroh – auch im Kopf – wünscht sie sich Verstand, besser gesagt ein Gehirn. Auch der Blechmann (Paul Worms), der still vor sich hin rostet, wird erst von Doro geölt und dann mitgenommen. Sein Wunsch: Ein Herz, da er unsterblich verliebt ist. Der vierte im Bunde ist ein völlig verängstigter Löwe (Fynn Zinapold), der sich nur eines wünscht: Mut! Das Quartett muss viele Abenteuer bestehen, bevor sie zum Zauberer von Oz (Tilo Werner) gelangen. Zwar versucht die Vorzimmerdame Rosa (Katrin Steinke) das Quartett abzuwimmeln. Doch davon lassen die Reisenden sich nicht abschrecken und drängen auf einen Termin. Obwohl dieser nicht zustande kommt, erklärt Oz sich bereit, alle Wünsche zu erfüllen. Doch zuvor sollen sie eine böse Hexe besiegen …

Das ungleiche Quartett macht sich erneut auf den Weg, schaltet die Hexe aus und hofft nun, dass der Zauberer von Oz sein Wort hält. Weit gefehlt, denn dieser entpuppt sich als …

Nein, das wird hier nicht verraten. Es ist zwar der gleiche Plot wie in dem Buch oder dem Film von 1939 mit Judy Garland, aber das weiß kaum ein Kind. So kam (und wird bei den weiteren Vorstellungen ebenso sein) es, dass kurz bevor der Vorhang fiel, ein Raunen und Staunen von Klein und Groß durch den Saal waberte. Nur Minuten später brandete Applaus auf, der nicht enden wollte.

Diese Geschichte fasziniert Klein und Groß seit mehr als 100 Jahren

Der Blechmann (Paul Worms) mit der Vogelscheuche (Oscar Seyfert)©Nilz Böhme, TdA

Vier Freunde auf dem Weg zum Zauberer von Oz.©Nilz Böhme, TdA

Zu Recht! Das TdA packt für den „Zauberer von Oz“ das ganz große Besteck aus. Das beginnt bei dem phantasievollen Bühnenbild: Lebende Bäume, unendliche Wege, schillernde Farben, Berge und Täler und ein gigantisches Zaubertor. Mit einfachen Mitteln lässt Sofia Mazzoni eine Welt entstehen, die die Kinder sofort packt. Auch bei den Kostümen hat Mazzoni offensichtlich ihre Phantasie nach Oz geschickt.  Herausgekommen sind „schreckliche“ Hexen, ein wahrlich interessanter Zauberer, der von einer eleganten Vorzimmerdame abgeschirmt wird.

Am schönsten anzusehen aber sind der ängstliche Löwe, bei dem sogar die Ohren ständig zittern. Ebenso der Blechmann, dem das Öl aus den Ohren tropft. Nicht zu vergessen, die Vogelscheuche mit ihrem dicken Bauch und Stroh an allen Körperstellen. Doro sieht aus, wie junge Menschen heutzutage aussehen: Weite, flatternde Hose, ein bedrucktes T-Shirt und ständig das Handy in den Händen.

Auf ihrer Wanderung in die Smaragdstadt wird das Quartett von einer beeindruckenden Lichtsetzung begleitet. Roland Gehr und Christian Beye ist es gelungen, alle Stimmungen einzufangen und auszuleuchten.

Tatsächlich hat das Team hinter den Kulissen Erstaunliches abgeliefert und ein Oz erschaffen, in dem wohl jeder gerne leben möchte, wenn nicht das Heimweh wäre.

Ein Sonderlob verdienen Schauspielerin Kerstin Slawek, Adrien Bazsó und Levente Gulyás. Das Trio kennt sich seit Jahren. Bereits im letzten Jahr fiel Kerstin Slawek durch hervorragende Songtexte für das Märchen „Karlsson vom Dach“ auf. In diesem Jahr hat sie eine eigene Fassung vom „Zauberer von Oz“ entwickelt. Modern, zeitgemäß und ohne zu viel Sentimentalitäten. Wieder mit tollen Songtexten ohne banale Wortspiele (die gesamte Musik kann beim TdA gegen kleines Geld gestreamt werden, schauen Sie ruhig mal auf die Internetseite)

Auf dem Weg durch die farbenfrohe Landschaft.©Nilz Böhme, TdA

Werden sich die Herzenswünsche der Freunde erfüllen?©Nilz Böhme, TdA

Applaus hatte sich das gesamte Ensemble verdient.©T.Pfundtner

Das Musical spielt in unserer Zeit, in dem ein Leben ohne Handy nicht mehr vorstellbar ist. Das wissen Blechmann, Löwe und Vogelscheuche nicht, sodass sie immer wieder in Staunen versetzt werden, wenn Doro mit Smartphone den Weg findet oder Dank der KI von Siri etwas erklären kann. Dumm nur, dass auch der stärkste Akku einmal seinen Geist aufgibt und unbrauchbar wird. Denn von diesem Moment an, sind die vier auf sich und ihren Zusammenhalt angewiesen. Womit wir bei der anfangs gestellten Frage sind: Ja, Freundschaft, Mut und Treue sind auch heute noch wichtig, wie das bunte Kleeblatt auf der Bühne vorlebt.

Wie in der Pause und nach der Premiere in Gesprächen zwischen Eltern und Kindern zu hören war, wurde geradezu vom mutigen Löwen und der Freundschaft des Quartetts geschwärmt.  „Solche Freunde wünsche ich mir“, sagte ein Junge mit glänzenden Augen zu seinem Papa.

Neben sehr guten Texten darf die Musik nicht vergessen werden: Reggae, Rock, Blues- und Hiphop-Elemente spielten sich ganz fix in die Herzen von Jung und Alt. So war es kein Wunder, dass es sogar Szenenapplaus gab. Szenenapplaus, der selbstverständlich auch den Schauspielern galt. Erfrischend wieder einmal das Zusammenspiel zwischen den „alten Hasen“ und den jungen Darstellern. Das passt einfach. Auch spielen sich die „Neuen“, Fynn Zinapold und Oscar Seyfert von Stück zu Stück mehr frei und wachsen ins Team. Wozu Siri Wiedenbusch und Paul Worms in der Lage sind, die Bühne in ihr Wohnzimmer zu verwandeln, ist den Stendaler Theatergängern hinlänglich bekannt. Da braucht es nicht mehr viele Worte. Das gilt natürlich auch für Katrin Steinke und Tilo Werner. Ihnen gelingt es in jeder Rolle, nicht in Routine zu verfallen, sondern ihre Figuren glaubhaft in Szene zu setzen.

Insgesamt eine beeindruckende Einführung, die jeden Cent des eingesetzten Produktionsbudgets wert ist. Dennoch gibt es mal wieder einen Kritikpunkt: Die Tonanlage im Großen Saal ist und bleibt ein „Vergnügungskiller“ – auch wenn es im Rang noch einigermaßen klingt. Hier ist nach wie vor die Stadt gefordert. Ein renommiertes Haus, das weit über die Altmark hinaus strahlt und ein unersetzlicher Werbeträger für Stendal ist, ohne vernünftige Tonanlage – das geht gar nicht!

Minutenlanger Jubel war der verdiente Lohn für dieses mitreißende Stück. Alle Darstellende und alle Mitwirkende hinter der Bühne sowie die künstlerische Leitung haben sich diesen durch ihre großartige Leistung verdient.