Über Jahrzehnte galt Ken Follett als Verfasser brillanter historischer Romane. Fast schien es vergessen, dass er seine Schriftsteller-Karriere mit Thrillern und Romanen aus uns nahe liegenden Epochen begonnen hatte. „Follett = Romane aus dem Mittelalter“, lautete die Kurzformel, wenn der gebürtige Waliser beschrieben werden sollte. Das dürfte vorbei sein, denn am 9. November 2021 kommt sein 37. Roman „Never – Die letzte Entscheidung“ in den Handel – für mich ein Kracher!
China, Amerika und die Sahara sind die wichtigsten Handlungsorte einer Geschichte, die auf sanfte, ja, fast schleichende Art, in eine Katastrophe für die Welt zu steuern scheint. Tatsächlich plätschern die ersten 325 Seiten sanft und ruhig vor sich hin:
Da versucht eine junge Frau aus einem kleinen Dorf im Tschad nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes für sich und ihren kleinen Sohn eine Zukunft zu finden. Gleichzeitig verfolgt ein amerikanischer Agent, der in Beirut geboren wurde, Terrorgruppen und islamistische Drogenschmuggler.
In China versuchen Minister und ihreHandlanger, amerikanische Politikstrategien zu zertrümmern oder zu ihrem Vorteil umzuwandeln.
Und die erste amerikanische Präsidentin Pauline Green hat neben internationalen Konflikten auch noch mit einer pubertierenden Tochter und einem unzufriedenen Ehemann zu kämpfen.
Ken Follett entwickelt Handlungsstränge, die erstmal nichts miteinander zu tun haben, aber sich dann unmerklich miteinander verweben und zu einer unzertrennlichen Einheit entwickeln, die von Seite zu Seite tiefer in die Krise führen. Eine Krise, um deren Lösung sich eine junge Geheimdienstmitarbeiterin, ein Spion und ein Chinese händeringend bemühen. Eine Krise, die scheinbar nicht mehr aufzulösen ist …
Genau das spüren die Leser. Von Seite zu Seite (es sind immerhin 880) steigt die Spannung, tauchen Leser und Leserinnen immer tiefer in die Konflikte und die sich daraus ergebenden Konsequenzen ein. Es ist wie bei einer Live-Übertragung im Fernsehen: Du willst eigentlich nicht hinschauen, aber die Bilder ziehen dich magnetisch an.
So schreibt Ken Follett: Die Leser werden immer tiefer in die dramatischen Entwicklungen einbezogen, werden von Seite zu Seite mehr Teil der Geschichte, aus der es scheinbar keinen Ausweg gibt. Aber ist dem wirklich so? Im Interview sagt Ken Follett: „Mein Schluss ist nicht nur Fiktion, er könnte auch Realität werden…“
Spannung bis zur letzten Seite ist garantiert.
Fazit:Für mich hat Ken Follett einen spannenden und faszinierenden Roman geschrieben, der am besten in einem Atemzug durchgelesen wird. Bei 880 Seiten natürlich eine Herausforderung. Dass der Brite sich wieder einmal nach über 20 Jahren komplett neu erfindet, gibt dem Roman noch mehr Kraft und Detailtreue. Deutlich ist zu spüren, dass die Coronazeit dem Schriftsteller noch mehr Zeit für intensive Recherchen und Faktenchecks gegeben hat. Dass Ken Follett sich mit Never – Die letzte Entscheidung persönlich komplett neu erfunden hat und ein wenig zu seinen Ursprüngen zurückkehrt, macht das Buch noch lesenswerter, zumal der Brite diesmal auch seinen Senf zu politischen Zuständen dazugibt. Für mich steht fest: Ken Folletts neues Buch wird wieder ein Bestseller und ganz sicherlich unter Millionen Weihnachtsbäumen liegen – auf der ganzen Welt.