Von einem Professor, der im eigenen Land nichts gilt
Im Ausland ist Dr. Kersten ein gefragter Experte
Dr.-Ing. Mike Kersten ist schon in seinem Ausbildungsgang sehr vielseitig und umfangreich interessiert und engagiert gewesen. Das setzt der 58-Jährige im heutigen Berufsleben, aber auch im Privatleben fort.
Seine Aufgaben erfüllt er mal im Anzug und mal im Arbeitsoverall mit Schutzkleidung. Im Inland und Ausland - als anerkannter Sachverständiger sowie als Berater, Trainer und Auditor, aber auch als Professor vermittelt er sein Wissen weltweit.
Die Firma Kersten und Partner unterhält mehrere Büros, auch in Berlin. Gern agiert er nah an seinen Kunden und serviceorientiert.
Privat hat er sein Haus in Barleben denkmalgerecht saniert und bezeichnet dies auch als Hobby. Als Sponsor unterstützt er Kinder-und Jugendsport.
Seine Familie ist ihm aber so wichtig, dass er auch Aufträge und Anfragen ablehnt, um bei seiner Frau und Kindern zu sein.

Dr. Mike Kersten ist auf vielen Berufsfeldern engagiert.©T.Pfundtner

Im Ausland ist Dr. Kersten ein begehrter Geschäftspartner. Hier mit dem Botschafter der VR China.©K&P
Von Thomas Pfundtner
Er wurde in Nordhausen geboren. Er lebte und arbeitete in vielen deutschen Städten und in Ländern auf der ganzen Welt. Doch seine Heimat ist Sachsen-Anhalt. Und sein Zuhause Barleben. In der ehemaligen Poststation auf dem Breiten Weg. Die Rede ist von Dr. Mike Kersten, wohl einer der bekanntesten und gefragtesten Ingenieure, die derzeit im Land am Markt sind. Vor einigen Wochen hat er ein Eisenbahnprojekt in China abgelehnt, da „meine Familie Vorrang hat und unsere Tochter im nächsten Jahr Abitur hat.“
Die Chinesen wussten genau, warum sie bei Dr. Kersten „an die Tür klopften“, hatte er doch anlässlich der Expo 2010 in Shanghai den Hochgeschwindigkeitszug von Peking in die Ausstellungsstadt mit projektiert.
Nicht der einzige Großauftrag, den er bekommen und erledigt hat. „Dabei war ich nur einmal fest angestellt – von 1996 bis 2003 bei der RWE.“ Im selben Jahr promovierte Mike Kersten und arbeitet seitdem freiberuflich, wird für einzelne Projekte engagiert. Die Angebotsliste des 2003 in Magdeburg gegründeten Ingenieurbüros „Kersten und Partner“, das mittlerweile eine Dependance in der Hauptstadt betreibt, ist lang. Davon später mehr. Schauen wir zunächst einmal auf den Werdegang von Dr. Mike Kersten.

Modelle erinnern Dr. Kersten an seine abgeschlossenen Arbeitsprojekte.©T.Pfundtner

Das erfolgreich abgeschlossenen Schienenverkehrsprojekt in China©K&P
„Ich bin ein Kind der DDR und komme aus einer Ingenieurfamilie“, sagt er über sich. Schon in seinen ersten Lebensjahren machte er so Auslandserfahrungen, was ihn sicherlich geprägt hat und offen für die Welt machte. Allerdings durfte er im Arbeiter- und Bauernstaat von einer Leipziger Schule nicht aufs Gymnasium wechseln und sofort studieren, da „meine Eltern zur Intelligenz und nicht zu den Arbeitern zählten“, wie er heute schmunzelnd erzählt, aber Berufsausbildung mit Abitur war drin. So folgte eine Ausbildung zum Chemieanlagenbauer mit Abitur („das habe ich bis heute nicht bereut“), im Anschluss drei Jahre Armeezeit in Weißenfels. Hier erlernte Kersten einen zweiten Beruf: Kranfahrer und Kranschlosser. Dann durfte er doch studieren – in Magdeburg, an der für ihn damals besten Universität für Maschinen- und Anlagenbau.
Die Wende erlebte der heute 58-Jährige vier Wochen nach Beginn der Uni-Zeit. 1993 schloss er das erste Studium ab, damals noch als Diplomingenieur im Bereich Maschinenbau–Verfahrenstechnik. „Darauf bin ich heute noch stolz“, sagt er. Es folgten eine Assistenzzeit als Forschungsingenieur mit zweitem Abschluss im Bereich Umwelttechnik sowie eine Stipendiatszeit in Boston. 1996 wechselte Dr. Kersten dann zur RWE (bis 1990 unter dem Namen Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG bekannt). Sieben Jahre später folgte arbeitsbegleitend die Promotion. Einer der Themenschwerpunkte: „Betriebliches Risikomanagement in Groß-Unternehmen“ am Magdeburger Fraunhofer-Institut.
„Das gab es damals noch nicht in der Form wie heute“, erinnert er sich. Dann kam der Wechsel in die Selbständigkeit, damals gewagt.
Doch die Entscheidung, nicht fest angestellt zu sein, zahlte sich aus: Verantwortliche Aufgaben bei der Deutschen Bahn oder der Auto-Legende Bugatti wurden Mike Kersten übertragen. „Der Kontakt zu Bugatti bestand, seitdem ich bei VW 1991 als Werkstudent gearbeitet hatte.“
Beruflich und privat sehr vielseitig interessiert und engagiert.

Dr. Kersten entwickelt viele neue Ideen, auch auf dem Gebiet des Recyclings.©K&P

Dr. Kersten hatte wirklich viel Interessantes zu erzählen. Da versteht man seine Verwunderung, warum er in der Heimat nicht oft angefragt wird.©T.Pfundtner
Auch für internationale Logistikunternehmen war Mike Kersten tätig – unter anderem für Evergreen, einer der weltweit größten Spediteure. Nicht zu vergessen: Sogar der Flugzeughersteller Airbus beauftragte das Ingenieurbüro.
Tatsächlich fahren Kersten und Partner weltweit auf der Erfolgsspur. Die qualitativ hochwertige Arbeit des Teams um Dr. Kersten hat sich herumgesprochen und das Netzwerk des Ingenieurs scheint schier unendlich. Auch die vielen Patente sprechen für sich. Zum Beispiel erfand der Familienvater „im Urlaub“ eine Technik, die Katastrophen wie bei der Havarie „Deepwater Horizon“ 2010 im Golf von Mexiko lindern könnte. Vor 15 Jahren gelangten dort Millionen Liter Öl ins Meer und sorgten für eine riesige Umweltkatastrophe. „Ich lag am Strand, als ich davon im Radio hörte“, erzählt Dr. Kersten. Er begann zu überlegen und dann zu zeichnen. Herausgekommen ist ein flexibler Kunststoffschlauch von gut 3 Metern Durchmesser, der über dem Öl-Austritts-Loch befestigt und wie eine Ziehharmonika aus einer Tiefe von bis zu 200 m heraufgezogen wird. Vor einigen Jahren wurde die Erfindung patentiert.
Interessant: International wird das Kersten-Team geschätzt und beauftragt. Aber in Sachsen-Anhalt geht es ihnen wie vielen anderen Ingenieuren: „Der Prophet scheint im eigenen Land nichts zu gelten, zumindest was die Politik und die öffentliche Hand angeht“, wie er sagt. „Sicher, wir sind für hiesige Unternehmen vielfältig tätig, was wir wirklich sehr schätzen.“ Derzeit arbeitet das Ingenieurbüro in Großprojekten für die TSR (Thyssen Schrott Recycling), das MHKW Rothensee (Müllheizkraftwerk Rothensee GmbH) sowie den Magdeburger Hafen. „Ende September starten wir im Raum Bitterfeld ein neues Projekt.“
Damit nicht genug: Dr. Kersten ist seit 2016 Geschäftsführer der Entsorgungsgemeinschaft Sachsen-Anhalt und Vorsitzender des Sachverständigenausschusses der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt.
„Doch zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen im Land selbst werden wir, wie viele Fachleute im eigenen Bundesland meist nicht gehört. Vielleicht ist das politisch nicht gewollt oder es fehlt das Wissen um die Kompetenz im eigenen Lande.“
Als Beispiele nennt Dr. Kersten Themen zum „Umgang mit kritischer Infrastruktur“ oder die aktuelle Diskussion in der Landeshauptstadt Magdeburg zur „Vereinfachung des Baurechts in Sachsen-Anhalt.“ Auch die „Beschaffung und der Betrieb von Straßenbahnen und Zügen“ steht politisch derzeit im Fokus. „In Berlin sind wir hier aktiv und bei der Herstellung der Fahrzeuge werden wir ja oft beteiligt. Doch bis heute gibt es auf politischer Ebene in Sachsen-Anhalt kein Interesse“, sagt er.

Büroarbeit gehört zum Leben von Dr. Kersten dazu.©T.Pfundtner

Dr. Kersten in seiner Tätigkeit als Ingenieur in Berlin im Bereich der Schienenverkehrstechnik.© Kersten und Partner
Anders ist dies im Ausland: So erhielt Dr. Kersten im Mai 2024 eine Anfrage aus Bulgarien für eine Honorarprofessur. Hier hatte Kersten bereits zwischen 1999 und 2005 Lehraufträge. Im August wurde er zum Honorarprofessor an das Department for National Security der „Nikola Vaptsarov Naval Academy“ in Varna berufen. Projekte, Vorträge und Netzwerkbildung zu Themen der Sicherheit in allen gesellschaftlichen Bereichen sind hier sein Arbeitsschwerpunkt. „Es ist eine Akademie der Marine“, erzählt er, „topmodern mit hervorragenden Experten besetzt.“
Neben klassischen maritimen Themen bildet hier die Sicherheit von kritischen Strukturen einen wesentlichen Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkt. Selbst Mikrosatelliten für die ESA werden hier entwickelt und gebaut. Dr. Kersten schult europäisches Fachpersonal und bildet junge Nachwuchskräfte aus. Auch Japan und die USA gehören zu den Austauschpartnern. Weitere Partner aus Forschung und Wirtschaft sind an der Akademie übrigens gern gesehen.
Und in Sachsen-Anhalt? Nichts, keine Anfrage, kein Interesse: „Trotz Empfehlung zur Einrichtung eines Lehrstuhls aus dem Ministerium bleiben die Dekane in Magdeburg und Merseburg wohl lieber unter sich“, vermutet Dr. Mike Kersten.
Doch er gibt nicht auf: In Sachsen-Anhalt wird er über die Ingenieurkammer des Landes weiter alles daransetzen, dass Ingenieuren aus der Region die Anerkennung zuteilwird, die sie verdienen: „In Sachsen-Anhalt arbeiten hervorragende Ingenieure. Sie sind auf ihren Fachgebieten wahre Experten. Nur scheint das kaum jemand wissen zu wollen. Das muss anders werden! Hoffen wir, dass die Politik hier endlich aufwacht“, sagt der neu ernannte Professor.
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