Bratwurst nur mit Geldkarte

 

Steuergewerkschaft fordert bargeldloses Bezahlen auch bei kleinen Unternehmen

 

 

Kartenzahlungen nehmen auch in Deutschland zu, aber noch werden Kleinbeträge vermehrt bar bezahlt.©ik

Stendal – Bargeld an der Ladenkasse war auch 2023 in Deutschland das beliebteste Zahlungsmittel beim Einkauf. Zwar sank der Anteil im Vergleich zum Vorjahr von 58 auf 51 Prozent, dennoch möchte die Mehrheit, laut einer Studie der Deutschen Bundesbank nach wie vor, Bargeld auch zukünftig nutzen können. Auch noch in 15 Jahren. 2018 waren nach der Bundesbank-Untersuchung Banknoten im Wert von 268 Milliarden Euro im Umlauf. Wenn es nach dem Willen der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG) geht, könnte dies bald sehr viel weniger werden. Vor drei Wochen forderte der DSTG-Bundesvorsitzende Florian Köbler in einem Zeitungsinterview bei Firmen ab 25.000 Euro Jahresumsatz die gesetzliche Pflicht für bargeldloses Zahlen. Er schätzte, dass bei diesen Unternehmen jährlich 16 Milliarden an Steuern hinterzogen würden. Für ihn wäre dies ein großer Schritt für mehr Steuerehrlichkeit.

Zur sogenannten Bargeldbranche zählen Friseursalons, kleine Bäckereien oder Metzger, Eisdielen, Restaurants etc. Aber eben auch Bratwurststände, Imbissbuden oder der Gemüsehändler auf dem Wochenmarkt. Keine alte Forderung, denn bereits 2020 hatte der Digitalverband Bitkom dies bereits für ganz Europa, aber ohne Umsatzbegrenzung eingefordert.

Nach Ansicht des DSTG-Chefs sei das Entdeckungsrisiko für Steuerbetrug bei diesen Firmen nach wie vor gering, da Kleinstunternehmer durchschnittlich nur alle 80 Jahre geprüft werden. Bundesweit konnten durch Steuerfahnder im Jahr 2022 bundesweit 8.690 Strafverfahren eingeleitet werden. Bei den abgeschlossenen Verfahren wurden über die Täter Freiheitsstrafen von 1.180 Jahren als auch Geldstrafen in Höhe von insgesamt 15,1 Mio. € verhängt.

„Das mache ich nicht, das lohnt sich für mich nicht“, sagte der Inhaber der Regina Wäscherei in der Hallstraße der AZ.

Ebenfalls im Späti in der Brüderstraße stieß die Idee auf wenig Gegenliebe. Dort werde bereits mit einer elektronischen Kasse gearbeitet, die mit dem Finanzamt „direkt verbunden“ ist. Diese Kassenpflicht besteht seit vier Jahren, doch erst jetzt mahnte das Bundesfinanzministerium alle Betroffenen an, bis zum 31. Juli nächsten Jahres zu melden. Bisher hatte es keine elektronische Übertragungsmöglichkeit gegeben. „Kasse und EC-Kartenlesegerät, was soll das?“, sagte ein Späti-Mitarbeiter der AZ.

Auch René Nowak, der mehrere Imbisswagen und das kleine Restaurant im Tiergarten betreibt, ist gegen diesen Vorschlag: „In meinem Restaurant habe ich selbstverständlich ein solches Lesegerät. Aber auf einem Imbiss- oder Bierwagen? Was soll das?“ Bei jeder Wurst oder einem Bier die Karte ziehen…

„Das würde viel zu viel Gebühren kosten und sich nicht mehr rechnen", ist Nowak überzeugt.

Klar, 25.000 Euro Jahresumsatz ist keine geringe Hürde, da ja die Kosten gegengerechnet werden können, utopisch viel ist es aber auch nicht, wie es immer wieder bei Wirtschaftsseminaren oder Existenzgründungskursen heißt.

2019 entgingen dem Staat durch Steuerhinterziehungen geschätzte 125,1 Milliarden Euro; europaweit vermutlich sogar 750 bis 900 Milliarden Euro. Der gesamtwirtschaftliche Schaden durch nicht gezahlte Renten- und Sozialversicherungsbeiträge und unterschiedliche Steuerarten dürfte aber weitaus höher liegen. Für die Bargeldbranche schätzt der DSTG dürfte er knapp 70 Milliarden betragen.