Strafe um drei Monate verringert

 

IM GERICHT: Messerstecher von Salzwedel bleibt im Gefängnis

Bundesgerichtshof hebt Urteil vom 10. November 2023 auf

 

 

Der Bericht über den Revisionsverhandlung im Messerstecher-Prozess erschien in der Altmark Zeitung am Donnerstag, 18. Juli 2024, in der Ausgabe für den Altmarkkreis Salzwedel und für den Landkreis Stendal in den Lokalteilen. Mit  „Strafe um drei Monate verringert" und „ IM GERICHT Messerstecher von Salzwedel bleibt weiter im Gefängnis" war der Beitrag betitelt.

Zaker Hussein Y. (2. v. l.) vor dem Urteilsspruch. Vergeblich hoffte er, auf Bewährung die Haft zu verlassen.©T.Pfundtner

Stendal – Diesen Erfolg hatte Rechtsanwältin Heidrun Ahlfeld für ihren Mandanten nicht angestrebt, als sie gegen das Urteil der 2. Strafkammer am Landgericht Stendal für ihren Mandanten Zaker Hussein Y. Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) einlegte.

Unter Vorsitz von Richter Ulrich Galler hatte die Kammer den „Messerstecher von Salzwedel“ zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Afghane in der Salzwedeler Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge, seinen Zimmergenossen Ali mit einem Klappmesser mit einer acht Zentimeter langen Klinge zwischen die 11. und 12.  Rippe gestochen habe, um ihn zu töten. Dabei hatte er immer wieder: „Ich töte Dich und haue nach Italien ab“, gerufen. Außerdem, so das Gericht, hatte der 39-Jährige den Zeugen B. mit dem Messer verletzt „und dies auch billigend in Kauf genommen“.

Gegen dieses Urteil war die Anwältin beim BGH angegangen und tatsächlich hob dieser am 21. März das Urteil vom 21. November vergangenen Jahres auf.

Im Wesentlichen hatten die obersten Richter zwei Kritikpunkte:

Im Rahmen der Strafzumessung hatte das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten gewertet habe, dass Y. den Zeugen B. mit dem Messer verletzt „und dies billigend in Kauf“ genommen habe. Dies wurde aber „weder belegt noch beweiswürdig belegt“. Angesichts des Geschehensablaufs versteht es sich auch nicht von selbst, dass der Angeklagte insoweit vorsätzlich handelte.“

Punkt 2:  Der Strafausspruch beruhe auf dem Rechtsfehler, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Landgericht ohne ihn auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte.

Also wurde an mehreren Tagen vor der Strafkammer 1 unter Vorsitz von Richterin Simone Henze-von Staden erneut verhandelt.

Noch einmal wurde der ehemalige Sicherheitsmitarbeiter in der Gemeinschaftsunterkunft Maik B. als Zeuge gehört, um zu erfahren, ob der Täter eine Verletzung an ihm „bewusst billigend in Kauf genommen hatte.“ Aber – wie bereits im ersten Prozess – konnte er dazu nichts sagen, da er die Verletzung erst bemerkt hatte, nachdem er den Raum verlassen hatte. In ihrem Schlussplädoyer sagte die anklagende Staatsanwältin Ramona Schlüter dazu: „Ohne jeden Zweifel hat der Angeklagte B. verletzt.“ Bis zum heutigen Zeitpunkt könne aber nicht geklärt werden, wie es dazu gekommen sei und ob die Verletzung vorsätzlich zugefügt wurde. Deshalb könne diese Handlung im Urteil nicht berücksichtigt werden.

Zwar spreche für den Angeklagten, dass er teilweise geständig gewesen sei und formal vor Gericht um Entschuldigung gebeten habe, aber es gäbe auch Tatsachen, die gegen ihn sprechen würden. So sei er bereits in Frankreich zu acht Monaten Haft verurteilt worden (wegen unerlaubter Beihilfe zur illegalen Einreise – die Redaktion) und habe die Strafe auch abgesessen und die Verletzung, die er seinem Opfer zugefügt habe, sei lebensgefährlich gewesen.

Auch der Alkoholkonsum des Angeklagten kam durch die Staatsanwältin noch einmal zur Sprache: Ja, er habe zur Tatzeit 1,7 Promille im Blut gehabt. Aber nein, damit sei er nicht schuldunfähig nach § 20.

Nach Abwägung aller Fakten und mit Blick auf die BGH-Entscheidung forderte Ramona Schlüter eine Haftstrafe von 3 Jahren und drei Monaten, verringerte damit das alte Urteil um drei Monate.

Verringerung der Strafe um drei Monate gegen Bewährungsstrafe

Dagegen forderte Rechtsanwältin Ahlfeld eine Freiheitsstrafe „die zur Bewährung auszusetzen sei.“

Sie sah es als erwiesen an, dass ihr Mandant große Reue vor Gericht gezeigt habe. Außerdem, so die Verteidigerin, habe er sich vor den Richtern bei seinem Opfer entschuldigt, was dieser auch angenommen habe.“ Dies sei bei der Strafzumessung von Richter Galler nicht genügend berücksichtigt worden.

Anschließend machte sie noch einmal auf die Situation ihres Mandanten im Gefängnis aufmerksam: Er habe keine sozialen Kontakte und sei isoliert, da niemand seine Sprache könne und er das Deutsche nicht beherrscht. Auch habe er seit langem keinen Kontakt zu seiner Familie und seinem Vater, was eine zusätzliche Belastung darstellen würde.

„Ich werde so etwas nie wieder tun. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und bitte alle Beteiligten, mir zu glauben. Ich möchte nie wieder ins Gefängnis“, übersetzte der Dolmetscher vor der Urteilsverkündung die Worte des weinenden Zaker Hussein Y.

Abschließend zog sich das Gericht zur Beratung zurück und verkündete um Punkt 12 Uhr: „Der Angeklagte wird wegen gefährlicher Körperverletzung an seinem Zimmerkollegen zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.“

Begründet wurde dies mit der Schwere der Verletzung beim Opfer, der Vorstrafe und der gesetzlich vorgegeben Regelstrafe von sechs Monaten bis 10 Jahren.

Die Vorsitzende Richterin führte dann noch aus, dass gegen das Urteil nur wegen Verfahrensfehlern oder einer Sachrüge (falsche Auslegung von Paragrafen) innerhalb von einer Woche Berufung eingelegt werden kann.

Um dies mit ihrem Mandanten zu besprechen, ließ sich Heidrun Ahlfeld unmittelbar nach der Verhandlung zu ihrem Mandanten im Keller des Landgerichts bringen. Dort wartete Y. in einer Zelle auf die Rückführung in die Haftanstalt Burg.