IM GERICHT: Messerstecher von Salzwedel bricht in Tränen aus

 

Erster Verhandlungstag im Revisionsprozess gegen Zakar Hussein Y.

 

 

Zaker Hussein Y. kam mit kurzen Haaren und im Trainingsanzug zum ersten Prozesstag der neuen Verhandlung.©T.Pfundtner

Stendal – Für den Messerstecher von Salzwedel, Zaker Hussein Y. geht es jetzt um eine geringere Strafe, seine Rechtsanwältin Heidrun Ahlfeld sprach gestern sogar von einer Bewährungsstrafe. Für drei Jahre und sechs Monate hatte im vergangenen November die 2. Strafkammer am Landgericht Stendal den Afghanen ins Gefängnis geschickt. Unter Vorsitz von Richter Ulrich Galler sah es die Kammer als erwiesen an, dass der 31-Jährige in der Salzwedeler Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge, seinen Zimmergenossen Ali mit einem blauen Klappmesser mit einer acht Zentimeter langen Klinge zwischen die 11. und 12.  Rippe gestochen habe, um ihn zu töten.

Bereits Tage zuvor hatte er seinen ehemaligen Freund und Trinkkumpel immer wieder mit den Worten „Ich töte Dich und haue dann ab nach Italien“, bedroht.

Gegen das Urteil hatte seine Verteidigerin beim Bundesgerichtshof in zwei Punkten Recht bekommen, sodass seit gestern (Mittwoch, 10. Juli) neu verhandelt wird.

Gleich zu Beginn der Verhandlung las Richterin Simone Henze-von Staden den dreiseitigen Beschluss der Bundesrichter vor.

Der BGH bemängelte, dass es im Urteil hieß, dass der Angeklagte den Zeugen B. mit dem Messer verletzt „und dies auch billigend in Kauf genommen“ habe. Dies sei nicht deutlich genug hinterfragt worden. Es könne also sein, dass eine andere Einschätzung auch zu einem anderen Strafmaß hätte führen können.

Deshalb musste Sicherheitsbeamter Maik B. heute erneut in Stendal erscheinen, um zu den Vorgängen befragt werden zu können. Er wunderte sich, dass es in dem Zimmer des Angeklagten und des Mitbewohners N. zu einem lauten Streit gekommen sei. Es sei darum gegangen, eine dritte Person, ein Freund von Y. aus dem Raum zu bringen, da dieser dort nicht übernachten durfte. „Ich habe ihn in die Halle gebracht und bin wieder nach oben gegangen, weil das Geschrei von dort im ganzen Haus zu hören war.“ Im Zimmer habe er gesehen, wie das spätere Opfer N. sich eine Zigarette angezündet hatte, „was in der Einrichtung verboten ist.“ Er habe den Mann aufgefordert, mit dem Rauchen aufzuhören, aber der habe nicht reagiert. Daraufhin habe der Angeklagte dem Ex-Kumpel die Kippe aus dem Mund geschlagen, die „dann irgendwo im Zimmer landete.“ Das habe zu noch mehr Geschrei, Gerangel und Streit geführt. „Ich stand zwischen den beiden, und habe versucht, sie voneinander wegzuschieben.“ Dabei kam es zu einem stärkeren Gerangel, sodass er nach unten gelaufen sei, um die Polizei zu alarmieren – „wie es Vorschrift ist“. Auf dem Weg nach unten habe er bemerkt, dass eine Wunde an der Hand blutete und das Blut auf den Flur tropfte. Nein, wie es zu der Verletzung genau gekommen sei, wisse er nicht mehr. Auch wie das Messer in die Hand des Angeklagten gekommen sei, könne er nicht mehr genau sagen. „Das ging alles in Sekundenschnelle vor sich und ist auch schon sehr lange her.“

Hingegen hatte der Angeklagte erklärt, dass sein Messer auf dem Bett lag und er es sich geschnappt habe.

Bevor er aus dem Zeugenstand entlassen wurde, gab B. noch an, dass das Messer später unter einem Fenster gefunden wurde.

Ist eine Bewährungsstrafe angemessen?

Im Verlauf des Prozesses hatte die Richterin auch noch einmal den Lebenslauf des Messerstechers repetiert:  Als eines von drei Kindern in Kabul geboren, der Vater besaß einen kleinen Laden. Als dieser einen Schlaganfall erlitt, musste der Verurteilte mithelfen, bevor er mit acht Jahren für ein paar Jahre die Schule besuchte. Mit 15 ging der junge Mann für sieben Jahre nach Syrien, später nach Moskau und Kasachstan. Es folgten Aufenthalte in Dubai. Hier heiratete er und wurde Vater einer Tochter. Die Ehe wurde geschieden, weil die Mutter von Zakar Y., wollte, dass die Schwiegertochter zu ihrem Glauben konvertieren solle. Als diese das ablehnte, wurde die Ehe geschieden und der Geschiedene zog nach Griechenland, um Asyl zu beantragen. Dies wurde abgelehnt.  Er verließ das Land und wurde später in Frankreich wegen Teilnahme an Menschenschmuggel zu acht Monaten Haft verurteilt. Danach landete er in Deutschland, lebte von sozialer Unterstützung und illegalen Bauarbeiten.

Bereits als Kind hatte der Angeklagte Cannabis für sich entdeckt, später kam noch Alkohol hinzu. Zur Tatzeit hatte er einen Alkoholpegel von 1,75 Promille im Blut, da er augenscheinlich mit einem Bekannten eine Flasche Whiskey geleert hatte...

Nachdem auch noch der medizinische Sachverständige Dr. Hasan, der seinen Ausführungen aus dem ersten Prozess nichts Neues hinzuzufügen hatte und den Angeklagten für nicht schuldunfähig einstufte, ergriff noch einmal der Messerstecher über seinen Dolmetscher das Wort: Er bedauere die Tat und er möchte aus dem Gefängnis. Er könne nicht mit seinem geliebten Vater über das Internet telefonieren, weil das nicht möglich sei. Er liebe seine Familie und möchte gern wieder frei sein.

Ob es dazu kommt, wird sich nächste Woche entscheiden. In Abstimmung mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung wurde die Beweisaufnahme abgeschlossen, der nächste Termin aufgehoben, sodass es erst am 17. Juli weitergeht.