Reisen boomt und bringt Probleme

 

 Ferienzeit belastet Klima und Natur

 

 

Zusammengerechnet gibt es mehr Auslandsreisende. Aber auf Platz eins der Urlaubsländer liegt für die Deutschen das eigene Heimatland.©IK

Stendal – Reisen boomt. Das beweisen allein die Zahlen vom Statistischen Bundesamt über den Mai 2024: Insgesamt wurden in Deutschland 48,9 Millionen Übernachtungen in- und ausländischer Gäste in „Beherbergungsbetrieben!“ – also Hotels, Pensionen oder Ferienwohnungen – registriert. Das war der höchste Mai-Wert, der je erfasst wurde. Bisher war dies der Mai 2023, der nun um 4,1 Prozent übertroffen wurde.

Auch für dieses Jahr ist wieder mit einem Run auf Urlaubsziele im In- und Ausland zu rechnen: 63 Prozent der Deutschen planen eine Reise von mindestens fünf Tagen zu unternehmen. Davon wollen gut 28 Prozent in der Heimat bleiben, die anderen 35 Prozent streben ausländische Ziele an.

Rollfeld BER am Ferienbeginn.©IK

Strandleben am Rande einer amerikanischen Großstadt.©IK

Allerdings wissen wir nicht erst seit heute, dass der Urlaub erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima hat. Sehr stark mitentscheidend ist der Transportbedarf. Allein die An- und Abreise zu den Urlaubszielen und der Transport vor Ort tragen in hohem Maße zum Ausstoß von Treibhausgasen bei und verstärken somit den Klimawandel.  Zwar wird der Anteil der Treibhausgas-Emissionen derzeit „nur“ auf acht Prozent geschätzt, wovon drei Viertel durch die Nutzung von Verkehrsmitteln verursacht wird. Dass die Tendenz rasant steigt, zeigt eine Untersuchung der Welttourismusorganisation: Noch vor 15 Jahren wurden weltweit 1,5 Milliarden touristische Ankünfte registriert – für das Jahr 2036 wird mit bis zu 1,9 Milliarden gerechnet.

Was das für die Umwelt und das Klima bedeutet, zeigen zwei Beispiele:
„Ein Flug nach Mallorca lässt pro Passagier zwei Quadratmeter Meereis schmelzen“, sagt Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Zusammen mit seiner Kollegin Julienne Stroeve vom National Snow and Ice Data Center in Boulder (USA) untersuchen sie den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und Arktis-Eis.

Das erschreckende Ergebnis: Ein Hin- und Rückflug von Düsseldorf nach Mallorca erzeugt durchschnittlich die Treibhauswirkung von 680 kg CO2 und lässt dadurch zwei Quadratmeter Arktiseis verschwinden. Bei 4,4 Millionen Deutschen, die 2022 auf Mallorca landeten, und derzeit 100 Flügen pro Tag nach Palma wären das 200 Quadratmeter, im Monat bis zu 6000 qm und in einem Jahr 73.000 Quadratmeter! Und das ist nur ein Reiseziel.

Ein anderes Beispiel: 31 Millionen Touristen aus Deutschland besuchten 2016 die kanarischen Inseln. Ein Flug verursacht pro Person rund 1,5 Tonnen Kohlendioxid. Also insgesamt rund 46,5 Millionen Tonnen!

Reiselust und Erholung - widerspricht das Klima- und Naturschutz?

Ein Blick in die weite Welt ist interessant und bildet, Erholung gesellt sich dazu.©IK

Camping in Frankreich.©T.Pfundtner

Und wie sieht es bei den immer beliebter werden Kreuzfahrtreisen auf hoher See aus? Auch diese Reisen fallen ebenfalls durch das Verursachen besonders hoher Kohlendioxidemissionen auf: Bei einer 7-tägigen Mittelmeerkreuzfahrt sind das pro Person rund 1,9 Tonnen CO2.

Nach Angaben des NABU stößt ein einziges modernes Kreuzfahrtschiff täglich rund 450 Kilogramm Rußpartikel und 5250 Kilogramm Stickoxide aus.

Eine Studie von Transport and Environment aus 2019 zeigt, dass allein die Kreuzfahrtschiffe der Reederei Carnival im Jahr 2017 fast zehnmal so viele Schwefeloxide entlang der Küsten Europas ausgestoßen habenwie alle circa 260 Millionen Autos in Europa zusammen.

Mit dem Steigen der Touristenzahlen und Flüge wächst allerdings auch das Bewusstsein für nachhaltiges Reisen. So ermittelte die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. bereits 2022, dass 47 Prozent der Deutschen sozial- und umweltverträglich verreisen wollen. Und die Kompensationsbereitschaft bei Flugreisen lag vor 2 Jahren bei 9 Prozent, steigt aber immer mehr an.

Auch die Deutschen haben in den letzten Jahren für einen Boom in der Tourismusbranche wie vor Corona gesorgt. Für dieses Jahr planen mehr als 60 Prozent bereits die nächste Reise – ungeachtet der Energiekrise oder der globalen Unsicherheiten. Dabei gaben sie im vergangenen Jahr durchschnittlich 1538 Euro pro Person für den Haupturlaub aus, 330 Euro mehr als 2019. Das sind einige Ergebnisse der 40. Deutschen Tourismusanalyse. In ihr stehen auch jedes Jahr die beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen. Es sind weder die Türkei noch Griechenland oder Österreich. Auch Spanien und Italien liegen lediglich auf Platz zwei und drei. Tatsächlich liegt Deutschland Platz eins. Besonders die Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern oder kleine idyllische Dörfer in Bayern. Dennoch führen die meisten Reisen ins Ausland.

Nicht zu vergessen die Altmark: Dort gab es im vergangenen Jahr ein Übernachtungsplus von 4,7 Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr. 653 885 Mal wurde in einem „Beherbergungsbetrieb“ in der Altmark übernachtet. Nächstes Ziel ist die Zahl von 700 000 Gästen, die mit dem Sachsen-Anhalt-Tag in Stendal vielleicht erreicht wird.

Aber, nach wie vor gilt: Am liebsten verbringen die Deutschen den Urlaub, wenn alle Reisen in andere Länder, gegenüber denen im Inland aufgezählt werden, im Ausland. Kein Wunder also, dass weltweit immer neue Treibstoffarten für Flugzeuge und Touristenschiffe entwickelt werden, um die Emissionen zu verringern.