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Behzad Karim Khani erhält Debütpreis des Harbour Front Literaturfestivals

Im Vorfeld der Verleihung des Nachwuchspreises des Hamburger Literaturfestivals Harbour Front fanden viele Diskussionen um den Sponsor des Festivals und damit auch Geldgeber des Preisgeldes von 10000 Euro des „Klaus-Michael-Kühne-Preis“ statt. Zuerst lehnte der Autor Sven Pfizenmaier, dann ebenfalls die Autorin Franziska Ganser die Auszeichnung mit der Begründung ab, dass das Logistikunternehmen des Sponsors seine Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus nicht ausreichend aufgearbeitet habe. Der Veranstalter betonte, dass er die Absagen bedauere, die Beweggründe aber verstünde.

Nun wurde der Preis umbenannt und der Ort der Preisverleihung am 18. September geändert. Sie findet jetzt im Nachtasyl im Thalia Theater um 11 Uhr statt.

Am 15. September wurde jetzt der erste Preisträger des Debütpreises des Harbour Front Literaturfestivals bekanntgegeben. – Insgesamt wurden schon 13 Preisträger des Literaturfestivals geehrt.- Der Berliner Autor Behzad Karim Khani erhält den Preis für seinen Roman Hund, Wolf, Schakal, der im Hanser Verlag erschienen ist.

Die Jurymitglieder, die sich den Forderungen nach einer unabhängigen historischen Untersuchung der Aktivitäten in der NS-Zeit der Sponsorfirma  anschlossen, waren:  Felix Bayer (Kulturredakteur DER SPIEGEL), Daniel Kaiser (NDR / Podcast eat.READ.sleep.), Judith Liere (Stellvertretende Ressortleiterin Kultur ZEIT ONLINE), Stephan Lohr (freier Kritiker und Moderator) und Meike Schnitzler (Stellvertretende Ressortleitung Reportage / Zeitgeschehen / Kultur BRIGITTE / Podcast BRIGITTE Bücher).  Sie begründeten ihre Wahl:

„Dieses Buch haut uns um. Die Geschichte von Saam, der mit seinem Vater und seinem Bruder den Wirren der islamischen Revolution im Iran entkommt und in Berlin kriminell wird, hat uns nicht losgelassen. Mal melancholisch und zärtlich, mal cool und gnadenlos – Hund, Wolf, Schakal beschreibt den Duft in den Gemüseläden in der Sonnenallee, das Leben in den Hinterhöfen im Berlin der 80er und 90er-Jahre und den scheinbar selbstverständlichen Hang abgehängter junger Kerle zur Gewalt. Behzad Karim Khani fließen auf jeder Seite Sätze aus der Feder, die große Resonanzräume öffnen. Dieser unwiderstehliche Ton zwingt zum Weiterlesen. Wie Vater und Söhne um jedes My Würde ringen, kann nicht kalt lassen. Karim Khani gelingt eine Poesie der Straße ohne ermüdende Klischees und übergriffiges Pathos. Mit seiner aufwühlenden, aufregenden Geschichte und seiner elektrisierenden, bildreichen Sprache ist dieses Debüt ein starkes Stück Literatur. Wir sind uns einig: Von diesem Autor wollen wir mehr lesen.“

Zwei Brüder, zwei unterschiedliche Wege

Saam und sein jüngerer Bruder Narim sind noch Kinder, als sie mit ihrem Vater aus dem Iran fliehen müssen, nachdem die Mutter im Tumult der iranischen Revolution hingerichtet worden ist. Die drei landen in Berlin Neukölln, der Vater, der bei einem Attentat ein Bein verloren hat, fährt Taxi, seine Söhne schlagen ganz unterschiedliche Wege ein: Während Narim aufs Gymnasium geht, gerät der eigentlich sensible und fantasievolle Saam quasi schon am ersten Schultag an die falschen Leute und entwickelt sich zum brutalen Schläger, der schließlich im Gefängnis landet.

„Saam ist ein schwieriger Junge mit einer schwierigen Kindheit“, erklärt Khani. „Ich wollte da nicht so monokausal reingehen: Schau mal, hier ist ein sehr zarter Junge, dem bestimmte Dinge passieren, und er geht durch dieses Martyrium, also wird er zu einem Monster. Mein Buch behandelt die Frage der Würde. Er ist gewaltbereit, er hat das Potential dazu, er hat einen Machtanspruch, der sich weniger über Herrschenwollen ausdrückt, als über den Willen zu gestalten.“

Behzad Karim Khani verleiht seinen Figuren eine große Tiefe

Behzad Karim Khani wurde 1977 in Teheran geboren, 1986 floh er mit seiner Familie nach Deutschland und lebt schon viele Jahre in Berlin Kreuzberg, wo er mal Kunstgeschichte studiert, den legendären Open-Air-Club Bar 25 mitbegründet hat und nun seit einigen Jahren die Kreuzberger Lugosi-Bar betreibt.

„Ich habe meinen Figuren etwas zugeschrieben, was wir, wenn wir das Genre Milieuroman haben, oft nicht tun, und zwar eine Innerlichkeit: dass diese Menschen auch logisch handeln, eine Intelligenz besitzen, unabhängig denken können. Weil das ist das, was ich auf der Straße auch sehe: eine kluge Anpassungsfähigkeit – nicht an die deutsche Mehrheitsgesellschaft, sondern an die Realität, die die durchlaufen.“

Auch zeigt Karim Khani jene, die wie der Vater Jamshid, alles verloren haben, nicht nur als traurige Arme, vielmehr lässt er ihnen ihre Geheimnisse und damit ihre Würde. Sicher auch, weil ihm immer wieder ungewöhnliche Perspektiven auf das Leben in der Fremde gelingen. Etwa, wenn der Vater, ein überzeugter Marxist, mit seiner Thermoskanne voll Tee auf einer Bank im Schrebergarten sitzt und analysiert, weshalb vor dieser einfachen Hüttensiedlung, die in seiner Heimat als Slum durchgehen würde, derart teure Autos parken. Vor allem aber hat Behzad Karim Khani eine kraftvoll poetische Sprache gefunden. „Wenn man so etwas schreibt, dann braucht man auf jeden Fall eine Kunstsprache“, findet Khani. „Ich kann diesen Roman nicht schreiben mit dem Vokabular, das da auf der Straße tatsächlich stattfindet. Ich möchte aber auch nicht aus der Vogelperspektive draufschauen und das so soziologisch oder bildungsbürgerlich beschreiben, was dort passiert. Also habe ich eine Sprache gewählt, die ziemlich meine ist.“

Behzad Karim Khani

Hund, Wolf, Schakal
Roman

Hanser Verlag

288 Seiten
ISBN: 978-3-446-27378-8
Preis:  24 Euro (D), 24,70 Euro (A)

Erschien am 22.08.2022