Im Wohnmobil erlebt man Abenteuer. Nicht nur das Fahrerlebnis ist intensiver, auch werden die Kräfte der Natur viel intensiver wahrgenommen. Dieser vorletzte Bericht über unsere Frankreich-Tour erschien in der Volksstimme am 24. Juni 2022.

Das hätte ich ohne Wohnmobil nie erlebt

Ein Blick in den Himmel

versprach nichts Gutes und

trieb zur Eile an.

Stendal/Montalivet. Gnadenlos prasselt der Regen auf das Dach des Wohnmobils. Grelle Blitze zucken durch die schwarze Nacht und tauchen unser rollendes Hotel sekundenlang in gleißendes Licht. Dazu der laute Donner über dem Atlantik, der in den Ohren dröhnt.

Fast sechs Tagen konnten wir unbeschwerte heiße Sonnentage auf dem CHM Campingplatz genießen: Langes Ausschlafen im gemütlichen Wohnmobil, kleines Frühstück mit Croissants und Baguette unter unserem Vordach-Pavillon. Endlich mal wieder länger lesen. Zwischendrin eine Abkühlung im nahen Pool oder im Atlantik. Strandspaziergänge. Abends in ein Restaurant. Vorher ein Aperitif an der Strandbar. Hier saß jeden Abend ein junger Franzose vor einem Schachbrett und lud andere Gäste zu einem Spiel ein. Ich habe mich getraut und wurde sehr schnell schachmatt gesetzt. Worte waren nicht nötig, das Spiel ersetzte jeden Dialog. Herrlich. Oder die jungen Musiker, die mit ihren Gitarren zum Mitsingen animierten. Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch oder Holländisch ­­– wer wollte, machte mit. Oder die Boule-Spieler, die stundenlang ihre „ruhige Kugel schoben“. Sonne. Sanfter Sommerwind. Lachen. Traumtage, die viel zu schnell vergingen.

Der heißeste 18. Juni

Der herrlich vielfältige Markt

von Montalivet

lädt zum Bummeln, Staunen

und Kosten ein.

Sogar das Abwaschen unserer Teller, Tassen und Töpfe am Waschbecken neben der Freiluftdusche brachte Spaß, konnte ich doch mit anderen Campern „fachsimpeln“.

Dann der Tag im Ort Montalivet: Am frühen Morgen radelten wir Richtung Stadt, um zu bummeln. Mal kein Badetag. Kaum angekommen, entdeckte meine Lebensgefährtin einen bunten Markt, der uns die nächsten Stunden beschäftigte und an einem Käse- und Schinkenstand mit einem leckeren Frühstück mit regionalen Spezialitäten endete. Auf dem Rückweg spürten wir die pralle Sonne, die gnadenlos schien. Die Strecke zum Campingplatz schien nicht enden zu wollen, erdrückende Schwüle lähmte jede Aktivität.

Als wir die Schranke zum Platz passieren, sehen wir einen Rettungshubschrauber auf dem großen Fußballplatz und zwei Ambulanzen kommen uns mit Blaulicht entgegen. „Die Hitze“, sagt uns ein Franzose, „hat zu mehreren Kollapsen geführt.“ Tatsächlich war es in Frankreich an einem Junitag noch nie so heiß, wie an diesem 18., erzählt uns später unser Campingnachbar.

Nächtliches Gewitter intensiv erlebt

Abendspaziergänge am Meer.

Herrliche Ruhe und die Gedanken

können schweifen.

Nach einem letzten Spaziergang am Atlantik entlang, sagt meine Freundin plötzlich: „Wir müssen sehen, dass wir ganz schnell zum Wohnmobil kommen, der Himmel zieht sich zu – gleich kommt ein Gewitter.“ Tatsächlich: Drohend ballen sich schwarze Wolken zusammen, Donnergrollen ist zu hören, die ersten Blitze schießen zwischen den Gewitterwolken hin und her, der Wind klingt immer bedrohlicher. Wir eilen zum Wohnmobil, und, kaum zu glauben jeder Handgriff sitzt: Wir schnallen die Fahrräder an, demontieren unseren kleinen Pavillon, packen die Tische ein, verstauen das Geschirr, hängen die Wäsche ab.

Es ist geschafft, wir verschanzen uns im Wohnmobil, dann bricht die Hölle los. Gut zwei Stunden peitscht ein schweres Gewitter über dem Atlantik und unserem Campingplatz nieder. Das Wohnmobil aber, trotz allem, steht starr und fest an seinem Platz. Kaum zu glauben: Vor vielen Jahren wurde ich während eines Sturms aus einem Hotel in Florida evakuiert, weil bereits einige Scheiben geborsten waren. Ich hatte ziemliche Angst.

In Montalivet auch?

Nein, ich vertraue unserem Campingmobil und unseren Sicherungsmaßnahmen. Also kein Grund zur Sorge – auch wenn meine Lebensgefährtin mehrmals aus dem Bett nach vorn tastet und prüft, ob die Handbremse tatsächlich angezogen ist. Gut zwei Stunden tobt der Sturm, zucken die Blitze, prasselt der Regen – dann wird es ruhiger. Wir können endlich einschlafen…

On the road again

Hier war professionelle Hilfe

erforderlich. Die Rettungskette

hat funktioniert.

Am nächsten Morgen erinnert nichts, aber auch wirklich nichts mehr an das Horrorgewitter.

Schnell verstauen wir das letzte Gepäck, hüpfen unter die Freiluftdusche, entleeren das Abwasser des Campers – und los geht es zur nächsten Station: Mons la Trivalle in den Bergen von Caroux, nahe dem Mittelmeer. Knapp 400 Kilometer über Landstraße und Autobahn. Wir fahren durch Dünenlandschaften und Pinienwälder, von Dorf zu Dorf. In dem einen wird gerade in einer Felssteinkirche geheiratet, im nächsten sitzen ältere Franzosen in einem kleinen Straßencafé und genießen ihren Pastis.

Überall sehen wir Weinberge, die sich über Kilometer die Straße entlangziehen. Die Reben erstrahlen im kräftigen Grün. Ich liebe Weine aus Bordeaux und bin beruhigt, dass die nächste Traubenernte gesichert scheint…

Wir verlassen die Landstraße und fahren auf die Autobahn. Auch jetzt gebe ich kein Vollgas, pendele mich bei 100 bis 110 km/h ein. Wir haben Zeit, niemand treibt uns an. Urlaub eben. Auf einem Parkplatz in der Region Buzet-sur-Baïse Sud wollen wir eine kurze Rast machen – es wurden zwei Stunden. Ein Autofahrer war an seinem Wagen zusammengebrochen. Für uns als Deutsche nicht einfach, einen französischen Rettungsdienst zu alarmieren und zu erklären, was passiert war. Dennoch kam nach 30 Minuten eine Ambulanz mit Blaulicht auf den Parkplatz „geschossen“, nahm sich des Spaniers an und brachte ihn ins nächste Hospital.

Außergewöhnliche Fahrkünste sind erforderlich!

Durch diese Bergwelt winden

sich Straßen, die bezwungen

werden wollen.

Erst gegen 20 Uhr kamen wir in Mons la Trivalle bei unseren Freunden an. 400 Meter über dem Meeresspiegel liegt ihr Haus. Es ist nur über eine enge, extrem kurvige, holperige und steile Straße, zu erreichen. Meiner Lebensgefährtin wäre es lieber gewesen, jemand anderes hätte das Wohnmobil durch die Serpentinen gelenkt. Aber, das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.

Und als ich es geschafft hatte, sagte sie – noch immer etwas atemlos: „Das hast Du super gemacht …!“

Allein schon deshalb hat sich der Urlaub im rollenden Hotel gelohnt!