Endlich in Le Mans angekommen. Das große Ereignis – das weltbekannte 24-Stunden-Rennen von Le Mans – beginnt in Kürze. Davor lernen wir unsere Campnachbarn kennen und werden Teil des Ganzen.

Die folgende Reportage, die vierte dieser Reihe, erschien in der Volksstimme am 13. Juni 2022.

Die 24-Stunden von Le Mans – mehr als Kult und Party

Auch neben der Strecke dröhnen die Motoren und wird rasantes Fahren geliebt.

Austern frisch aus der See, eine Delikatesse für viele – roh mit einem Spritzer Zitrone.

Stendal/Le Mans.   Donnernder Motorenlärm rund um die Uhr. Lange Wartezeiten an den Duschen. Oft fällt der Strom aus. Überall duftet es nach Gegrilltem. Und gefühlt findet in jedem Zelt eine Dauerparty statt. Der Campingplatz an der Strecke vom 24-Stunden-Rennen in Le Mans ist mehr als ein Erlebnis. Für tausende Franzosen, Engländer, Dänen, Niederländer, Schweden und einige Deutsche ist er Kult. Da ist zum Beispiel David aus Mons, nahe dem Mittelmeer. David kommt seit 54 Jahren nach Le Mans, sammelt Autogramme der Fahrer. 11.000 hat er bereits. An der Rennstrecke war er nur in den ersten Jahren. Dafür ist er eine feste Größe auf dem Platz, versorgt hier eine Gruppe mit Strom, packt da und dort mit an oder schaut das Rennen auf dem TV. Oder Pierryck, Austernzüchter aus Damgan. Als er auf dem Platz ankommt, wird er von den umstehenden Campern lautstark begrüßt und eine feuchtfröhliche Austernparty für alle Camper in der Nähe beginnt. Auch wir werden eingeladen. Meine Lebensgefährtin probiert zum ersten Mal in ihrem Leben eine Auster, kann sich mit dem Geschmack aber nicht anfreunden. Ganz anders ihre Schwester Victoria, die schnell Geschmack an den Schalentieren findet. Wir verständigen uns mit den Franzosen mit Händen und Füßen – trotz Französischkurs in Stendal. Das tut der Stimmung keinen Abbruch. Im Gegenteil: Als wir eine Runde selbstgemachten Knoblauchschnaps anbieten, ist die Begeisterung groß …

Die Camper an der Rennstrecke halten zusammen

Jedes Jahr kommen diese Fans aus dem Département Charente-Maritime mit diesem über 30 Jahre alten Renault 4 nach Le Mans. Allerdings: Das Auto kommt mit einem Transporter auf den Platz und kurvt nur hier herum.

Tradition am Rande: Gemeinsamer Imbiss und jeder steuert etwas dazu bei.

Niemand stört sich daran, dass in irgendeinem Wohnmobil immer mal wieder der Strom ausfällt: Mal hängen zu viele Geräte am Netz. Dann streikt der Hauptverteiler oder Kabel werden heiß. Alles kein Problem, Camper halten zusammen, suchen gemeinsam nach der Ursache und einer vernünftigen Lösung.

Ich muss schmunzeln: Früher hätte ich gedacht, „typisch Camper“, jetzt gehöre ich dazu und versuche einen kleinen Teil zur Lösung beizutragen – indem ich Stecker ziehe, Kabel verlege oder eine Lampe suche… Kaum zu glauben, aber keine Campertruppe bleibt lange ohne „Energy“, denn gemeinsam schafft man alles …

Zur Vertiefung „internationaler Freundschaften“ trägt auch die traditionelle „Brätwörscht“-Nacht bei: Dafür haben meine Freundin und ich, Victoria und ihr Mann Tore, sowie Fabian aus Wohltorf gesorgt, Berge von Bratwürsten im Tiefkühlfach der Campingwagen mitgebracht: Thüringer, Nürnberger, grobe oder feine – alles ist dabei. Wein und Baguettes steuern die Franzosen bei. Dazu werden Salate, Soßen, Süßigkeiten und vieles mehr auf den Campingtischen platziert. Es wird eine lange Nacht, an deren Ende wir alle das Glas auf Bodo, den Taxifahrer aus Stendal erheben. Seit 1997 kam er regelmäßig nach Le Mans, wurde schnell auf dem Platz bekannt, weil er immer die leckeren Bratwürste mitbrachte. Obwohl Bodo 2019 verstarb, ist er bis heute für viele Le-Mans-Camper unvergessen …

Endlich beginnt das 24-Stunden-Rennen

Sonnabends ist immer der Tag der offenen Tür in Le Mans. Hunderttausende wandern über die Rennstrecke, joggen oder sind mit dem Fahrrad unterwegs.

Endlich ist es so weit: Die Luft flimmert durch die Hitze und Hunderttausende strömen zur Rennstrecke. Von Minute zu Minute füllen sich die Tribünen mehr. Flaggenträger marschieren auf. Ein Helikopter senkt sich vor der Haupttribüne herab und lässt an einem Stahlseil die Startfahne herabsinken. Dann geht’s los: Ein Rennwagen nach dem anderen begibt sich auf die Strecke (siehe Kasten). Eine gemeinsame Warm-up-Runde. Dann das Startzeichen – die 24-Stunden von Le Mans 2022 beginnen und acht Hubschrauber mit Kamerateams filmen ununterbrochen die Vorgänge auf der Rennstrecke. Für mehr als 110 Millionen Zuschauer weltweit!

Daten und Fakten zum 24-Stunden-Rennen von Le Mans

 

Stendal (apf) Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans ist Teil der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft. Insgesamt gibt es sieben Rennen. Nach Le Mans folgen noch Monza, Fuji in Japan und Bahrain. Allerdings ist das Rennen in Le Mans das wichtigste, da es beim Sieg die meisten Punkte gibt. Die Strecke ist 13,63 Kilometer lang, mit 38 Kurven. 43 Teams gingen in diesem Jahr an den Start. Insgesamt waren 62 Autos auf der Strecke, die von 186 Fahrern bewegt wurden.

Jeder Wagen wird abwechselnd von drei Rennfahrern über die Strecke gejagt. Sie wechseln sich im Schnitt alle drei Stunden ab.  Gefahren wird in vier unterschiedlichen Geschwindigkeitsklassen. Es war nur ein reines Frauenteam am Start. Etwa alle 13 bis 14 Runden muss vollgetankt werden. Zum ersten Mal in der 90-jährigen Renngeschichte wurde mit 100-prozentig biologisch angebautem Kraftstoff gefahren. So konnte die CO2-Emission um 65 Prozent gesenkt werden. Ein Boxenstopp dauert etwa 50 Sekunden.

Wichtig: Erleidet ein Bolide einen Schaden, muss der Fahrer mit dem Wagen noch bis zur Box kommen. Dann darf der Wagen repariert werden und weiter am Rennen teilnehmen.  Warum das wichtig ist: Fällt zum Beispiel das führende Auto in der letzten Runde aus und schafft es nicht an die Box, ist es ausgeschieden. Und bei den 24-Stunden von Le Mans gehören technische Probleme, Fahrfehler oder Crashs zum Rennen wie die Noten zur Musik.