Thomas-Mann-Preis 2023 geht an Schriftsteller Ralf Rothmann

Der Preis

Der „Thomas-Mann-Preis der Hansestadt Lübeck und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste“ wird ab 2010 im jährlichen Wechsel in Lübeck und München verliehen. Er ist hervorgegangen aus dem „Thomas-Mann-Preis der Hansestadt Lübeck“ und dem „Großen Literaturpreis“ der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und ist mit 25.000 Euro dotiert. Die Entscheidung trifft eine siebenköpfige Jury, in welche die Akademie und die Hansestadt jeweils drei Mitglieder entsenden, unter einem gemeinsam bestimmten Vorsitz.

Die Nacht unterm Schnee
Roman

Winter 1945: Verwundet liegt die sechzehnjährige Elisabeth, ein Landarbeiterkind, in einem Bunker unter der Erde und wird von einem russischen Deserteur gepflegt. Durch das Ofenloch hört sie Schritte im Schnee, und fiebernd stellt sie sich vor, dass dort oben nicht nur alle, die sie kennt und mag, ihre Eltern und Brüder, die Oma aus Danzig, sondern auch ihr künftiger Mann und die ungeborenen Kinder nach ihr suchen und sich über die Trümmer entfernen, ohne zu ahnen, dass sie darunter liegt. Und plötzlich denkt die Vergewaltigte, dass es gut so ist, dass sie nie mehr hinaufwill zu ihnen, zu allem, und für immer in dieser Nacht, diesem Frieden unter dem Schnee bleiben möchte. Aber sie muss ihr Leben zu Ende leben.

In einem atemberaubend geschriebenen Panorama der frühen Nachkriegsjahre zeichnet Ralf Rothmann das Portrait einer Frau, der stets die Angst im Weg steht, während ihr das Durchlittene jedes Gefühl dafür nimmt, welches Leid sie anderen zufügt; einer lebenslang hart arbeitenden Frau und Mutter, die von einem Rummel zum anderen tanzt, um nicht mehr zur Besinnung zu kommen, und vor der man sich doch verneigen muss: weil sich in ihrer Verzweiflung der Wille zur Liebe ausdrückt.

Nach den vielfach übersetzten Romanen Im Frühling sterben (2015) und Der Gott jenes Sommers (2018) schließt der Autor mit Die Nacht unterm Schneeseine Trilogie über den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit in Deutschland ab.

Den Thomas-Mann-Preis 2023 erhalte der 1953 in Schleswig geborene Ralf Rothmann für sein erzählerisches Werk, das auf einzigartige Weise in raue aufreibende Arbeitswelten abtauche und zugleich die Krisen und Abgründe einer künstlerischen Lebensform schildere. Was er in zahlreichen Romanen und Erzählungsbänden in ganz unterschiedlichen, chronisch ungesicherten Lebenswelten literarisch erfahrbar gemacht habe, begründete die Jury ihre Entscheidung.

Der Preis wird am 19. September in der Münchner Residenz verliehen. Die Laudatio hält Nicola Steiner, Literaturkritikerin und ab September 2023 Leiterin des Literaturhauses Zürich.