Der Hamburger Liedermacher, Kabarettist und Satiriker Hans Scheibner starb am 23. Mai 2022

Mein erster Gedanke, als ich vom Tod von Hans Scheibner hörte: Traurig, der hatte was drauf. Er war kritisch und unterhaltend. Die Fernsehabende mit Hans Scheibner waren interessant, auch nicht ganz unumstritten innerhalb der Familie. Danach hatte jeder über etwas nachzudenken!

Scheibner war bekannt als Liedermacher, als ironischer Poet und hintergründiger Politkabarettist, als bissiger Erzähler vertrackter Alltagsgeschichten. Seine Geschichten handeln von mordlustigen Ehefrauen oder über Wilma, die weinende Waschmaschine. Bei Scheibner ist alles mit allem verbunden: der Wahnsinn als solches mit dem absoluten Wahnsinn der großen Liebe. Auch das Rätsel der verschwundenen Herrensocke mit den schwarzen Löchern im Universum und in der Haushaltskasse.

Als Sohn eines Maschinenbauers wurde Hans Scheibner am 27. August 1936 in Hamburg geboren. Die ersten Lebensjahre verbrachte er dort, bevor die Familie vor den Bombenangriffen während des Zweiten Weltkrieges nach Ostpreußen floh. 1944 muss die Familie wieder flüchten, zurück nach Hamburg, wo Hans Scheibner nach dem Krieg zuerst die Volksschule, das Gymnasium und die Handelsschule besuchte.

Hans Scheibner schrieb schon in seiner Schulzeit kleine Theaterstücke, die von Mitschülern aufgeführt wurden. In der Zeit seiner Lehre trat er bereits 1954 selbst im Hamburger Theater 53 unter anderen mit Uwe Friedrichsen auf und verfasste die Komödie Die Laufmaschen gemeinsam mit Markus Scholz. Seine Vielseitigkeit stellte er ohnehin damals unter Beweis, als er neben der Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter einer Lackfabrik, nach einem Zeitungsvolontariat, seine Zeit damit verbrachte, eigene Gedichte, Lieder, Geschichten und die ersten Satiren zu schreiben. Ab Anfang der 1970er Jahre wurde Hans Scheibner in Kneipen und auf Kleinkunstbühnen in der Hansestadt zum Begriff. Es erschien 1972 der erste Lästerlyrik-Band, dem im Laufe der Jahre noch weitere folgten.

Hans Scheibner war aber kein griesgrämiger Spötter, er textete eine Reihe von Liedern für Meyers Dampfkapelle. Zusammen mit dieser Band gehörte er zu der damals sehr beliebten Hamburger Szene im Umfeld der Musikkneipe Onkel Pö. 1974 schrieb Scheibner für Gottfried & Lonzo, zwei Mitglieder der Rentnerband, den Text zu dem erfolgreichen Lied Hamburg ’75. Erfolg hatte Scheibner auch mit seinem Lied Ich mag so gern am Fließband stehn, das er mit Meyers Dampfkapelle herausbrachte. Als Werbetexter ersann er außerdem den bekannten Energie-Werbeslogan Ich bin zwei Öltanks. Aus Scheibners Feder stammt sogar der deutsche Text zum Song Schmidtchen Schleicher.

Großes Aufsehen erregte seine LP Heiliger Marx, mit der er völlig gegen den westdeutschen Mainstream die Propheten des sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates verspottete. Damit verscherzte er sich allerdings auch  Sympathie und Anerkennung der linken Szene und damit den Kleinkunstpreis. Er gehörte zu den bekanntesten deutschen Liedermachern. Gleichzeitig verlor er viele Sympathien in dieser Szene u. a. mit seinem satirischen Artikel im Spiegel über deutschsprachige Liedermacher.

Bundesweit wurde Hans Scheibner in den 1980er Jahren bekannt, als er im Fernsehen seine eigene Sendung scheibnerweise bekam. Er machte aus seiner Meinung kein Geheimnis, sagte, was er dachte und war dadurch sehr unbequem und umstritten. Zu einem großen Teil wurden Umweltthemen aufgegriffen, beispielsweise der Nationalpark Wattenmeer, Autoabgase in Hamburg und Greenpeace. 1985 kam es zum Bruch mit Fernsehen und Hamburger Abendblatt, für das er Kolumnen schrieb, als er das Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ in seiner eigenen Weise variierte.

In der Zeit nach diesem Eklat tourte Scheibner als Kabarettist durch Deutschland und wurde Kolumnist der Hamburger Morgenpost. Ab 1991 konnte Scheibner im NDR-Regionalprogramm jeweils vor der NDR-Talkshow mit seinem fünf Minuten langen Satirebeitrag Fünf vor Talk auftreten. Nach 6 Jahren Kolumnen schreiben für die Hamburger Morgenpost wurde ihm gekündigt wegen einer Satire über die auffälligen Sympathien Hamburger Polizisten für die Neo-Nazi-Szene und da Scheibner sich weigerte, den Text auszutauschen. Er sagte eben seine Meinung und stand dazu.

1986 erschien als dtv-Taschenbuch Der Weihnachtsmann in Nöten, das 2012 die 27. Auflage erreichte. Es enthielt bereits die erste Geschichte mit dem Titel Wer nimmt Oma. Genauso hieß das Weihnachtsprogramm mit Liedern, Sketchen und Szenen, die Scheibner einen ganz großen, bundesweiten Bühnenerfolg brachte.

1992 und 1993 präsentierte er insgesamt 25 Mal einen satirischen Nachschlag nach den Tagesthemen in der ARD und wieder gab es einen Eklat. Es ging um den Abtreibungsparagraphen 218. Es wurde damals sogar lebenslanges Fernsehverbot für Scheibner gefordert. Dazu kam es aber nicht. 1996 und 1998 produzierte er wieder die Sendung scheibnerweise für das Fernsehen.

In der Politik-Satire Walther und Willy diskutierte Scheibner im Vorabendprogramm des NDR mit seinem Hund die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Ereignisse bis 2006. Danach wurde die Serie beendet.  Scheibner war den Linken wohl oft zu konservativ und gleichzeitig den Konservativen zu links.

Seit 2007 schrieb Scheibner wöchentlich mit großem Erfolg eine Kolumne für alle Zeitungen des shz (Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag). Außerdem schrieb und spielte er neue Kabarett-Programme und Theaterstücke – auf Tourneen und an festen Theatern.

In seiner Heimatstadt wurde ihm 2010 vom Hamburger Senat die Biermann-Ratjen-Medaille verliehen, die an Persönlichkeiten verliehen wird, die sich um das Ansehen der Stadt Hamburg verdient gemacht haben. Zum 80. Geburtstag gab der damalige Erste Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz, ein Senatsfrühstück für ihn und seine Freunde im Gästehaus des Senats. Das Familienensemble Scheibner mit Ehefrau Petra Milchert und Tochter Raffaels feierte Weihnachten 2016 das 25. Bühnenjubiläum.

In einem Interview der dpa anlässlich eines Geburtstags erklärte Scheibner: Ein „humanistisches Menschenbild“ habe er sich durch die Lektüre von Sokrates und Platon bis zu Lessing und Kierkegaard angeeignet. Von Kirche und Religion hatte er sich früh losgesagt – später auch vom Marxismus. Seine Autobiografie, die zu seinem 80. Geburtstag im Spätsommer 2016 erschien, erhielt den Titel In den Himmel will ich nicht!

Jetzt lebt er nicht mehr. Der wortgewandte Vater von vier Töchtern starb zu Hause in Hamburg im Kreise seiner Familie.