Axel Hacke liest und erzählt

 

Hacke liest – aber was liest er denn? Dieser Teil der Ankündigung erinnerte mich sofort an Loriots „Auf der Rennbahn“ – Wo laufen sie denn? Wo laufen sie denn hin?

In der Vorankündigung der Lesung heißt es: Humorvolle Lesung des bekannten Journalisten und Autors

Dann wird ein Abend versprochen, der dem Publikum und dem Lesungsort angepasst wird, und so nicht genau vorhersehbar ist. Mit einer schlichten Lesung sollte aber keiner  rechnen, die Anwesenden dürfen sich auf ein abwechslungsreiches Vortragen verschiedenster Beiträge und neuester Erlebnisse freuen. Und – es ist nicht alles zum Lachen, über die ein oder andere Äußerung darf gerne nachgedacht werden.

Schön beleuchtete Bühne, die Erwartung steigt.

 

Erfreut wieder vor anwesendem Publikum agieren zu dürfen, Axel Hacke.

Der Saal ist schon fast voll besetzt. Im Foyer drängen sich auch noch die Besucherinnen und Besucher vor der Garderobe, an der Getränkeausgabe und nicht zuletzt am Bücherstand des ausrichtenden Buchladens, schließlich hat jeder in der Pause Gelegenheit, eine Widmung des Verfassers zu ergattern. Das Publikum ist wirklich bunt durchmischt. Erwachsene in jedem Alter, allein, zu zweit, in Grüppchen. Die einen fein gekleidet, die anderen sehr bequem – aber alle gut gelaunt und munter.

Auf der Bühne stehen ein Stuhl und ein Beistelltisch. Darauf ein Glas Wasser, ein paar Bücher und ein Blätterstapel – wie sich nachher herausstellt: einige Kolumnen aus der Süddeutschen Zeitung aus der Corona-Zeit.

„Wie nett, dass Sie alle gekommen sind und wir uns mal wiedersehen können.“

Der Kolumnist und Autor Axel Hacke nimmt unter Beifall auf dem Stuhl Platz und begrüßt das Publikum freundlich, obwohl – so merkt er gleich an – die Kieler Fußballer doch gerade „seine“ Braunschweiger geschlagen haben. „Etwas trübt so ein Ereignis schon die Stimmung“- Glücklicherweise ist er nicht so betrübt darüber, dass er in Melancholie verfällt.

Also klärt er erst einmal über den Verlauf des Abends auf, bis zur Pause gibt es Kolumnen, die er während der Corona-Zeit für das Magazin der Süddeutschen Zeitung schrieb, danach Ausschnitte aus zwei Büchern. Zur Klarstellung: Das Magazin, das wöchentlich am Freitag erscheint, wird um die Kolumne herum gebaut, sozusagen als Verpackung. So etwas muss gesagt werden – wenn ein Mensch da so allein auf der Bühne vor mehreren Hundert Menschen sitzt, bedarf es an einigem Selbstbewusstsein.

Es ist gut, dass wieder Live-Auftritte möglich sind. Dass man sich wieder, wenn man möchte, ohne Maske begegnen kann und aus dieser Warte mit Vergnügen auf die Zeit des „Coronisierens“ zurückblicken kann. Coronisieren – Hackes Spezialbegriff für die zeitweise einzige Möglichkeit, sich außerhalb der eigenen vier Wände zu betätigen. Spazieren gehen durch den Park, an ewig gleich dekorierten Schaufenstern vorbeischlendern und die ausgetretenen Spazierschluchten bevölkern, kurz gesagt: coronisieren.

Dabei immer den Genesenenstatus im Blick, der für jede Bevölkerungsgruppe unterschiedlich zu sein schien. Theater und alle Kulturstätten wurden geschlossen, andere weit größere Begegnungsstätten durften geöffnet bleiben. Sind da etwa wirtschaftliche Interessen im Spiel gewesen? Dem bayrischen Ministerpräsidenten bescheinigt Axel Hacke jedenfalls Kulturferne: „wahrscheinlich, weil er da nicht selbst auf die Bühne darf“, mutmaßt er.

Der Vortragende Axel Hacke genießt die Anwesenheit des Publikums, das lacht, applaudiert und seine Anwesenheit durch Hüsteln, Schnaufen oder anderes spüren lässt. Er schaut gern in maskenlose Gesichter, wie er verrät und erzählt von einer Lesung im Autokino. Nun, es war eigentlich der Parkplatz vor dem Fußballstadion in Baunatal bei Kassel. Immerhin im Sommer. Er saß unter einem Pavillon ohne Seitenwände, es regnete, der Wind trieb die Regentropfen unter das „schützende“ Dach. Seiner Ansicht nach, bestand sein Publikum aus Autos, die sich immerhin ab und zu mit den Scheibenwischern bemerkbar machten.

Er hat es ebenfalls mit Online-Lesungen versucht. Seine Beschreibungen davon waren wirklich erheiternd – so im Rückblick. Technisches Versagen und andere Schwierigkeiten, ich habe mich auch an die eine oder andere ärgerliche Situation erinnert. Wenn es so erzählt wird – und das kann er – ist es eben doch erheiternd.

Auch seine Ideen zum Theater ohne Spucklaute, jeder liest sein eigenes Buch oder man sitzt mit dem Rücken zueinander – köstlich. Die Sehnsucht zu einem Theater- oder Konzertbesuch war bei Axel Hacke so groß, er wäre zum „Alle meine Entchen“-Konzert gegangen.

Seine Sicht auf Masken sind inzwischen sehr differenziert. Während Masken im Roman, im Karneval und kulturell als Befreiung der Persönlichkeit dienten. Ist es bei den Corona-Masken ganz anders: Sie schlucken nicht nur Viren, sondern auch Buchstaben, Silben und ganze Wörter. Sein Beispiel eines Marktbesuch mit Verständigungsschwierigkeiten brachten den Saal zum Johlen.

Die Pause nutzten viele Anwesende dazu, sich eine Widmung von einem gut gelaunten und zugewandten Autor zu holen. In den Warteschlangen war viel Lob „echt spitzenmäßig“, „total stimmig“, „genesen, genaß, wie der das genossen hat..!“zu hören. Die Stimmung war entspannt und gespannt auf den zweiten Teil der Veranstaltung.

Leerer-Stuhl-auf-leerer-Bühne

Nach der Pause trug Axel Hacke mit großer Ausdrucksstärke, besonders in den italienischen Sätzen der Handelnden seines Romans Ein Haus für viele Sommer, Kapitel aus dem Roman wie auch aus dem Buch Im Bann des Eichelhechts vor.

Dieser Wortschwall begleitet dann weiter, beim Nachsinnen über den Abend und beim eigenen Lesen der Bücher. Es macht einfach Lust auf mehr, auf mehr Wörter und Sätze aus dem Sprachland.

Was tut man eigentlich, wenn man nichts tut? Dieser und andere Gedanken eröffnen sich beim Lesen und entführen ins Philosophische und Ferienstimmung.

Ein Haus für viele Sommer

Ein Haus im Süden, woanders sein und doch bei sich, das ist ein Traum, den viele träumen. Wer aber dann wirklich so ein Haus hat, hat andere Träume, Träume von… ja, vielleicht von Ferien?

Axel Hacke erzählt in Ein Haus für viele Sommer von der Magie eines Ortes, an dem man eigentlich nicht sein müsste, aber doch unbedingt sein will. In seinen Geschichten geht es um die Menschen auf einer Insel, um die Landschaft dort, um Schlangen, Gottesanbeterinnen, Fakirtauben, Ziegen, Oliven und um einen Mann, der aus dem Ehebett heraus ein Wildschwein erschießt. Um Gedichte, die an Straßenecken hängen, und um die Geheimnisse eines alten Turms, den Torre, der für die, die ihn besitzen und in den Ferien bewohnen, Herausforderungen bereithält, mit denen sie nicht gerechnet hatten.
In diesen Geschichten spürt man die Sommerhitze, den Sand unter den Füßen, die leichte Brise auf dem Meer. Der Blick wandert über den Olivenhain, er richtet sich auf den schönsten Sonnenuntergang der Welt und auf so seltsame Fragen wie die, was man eigentlich genau tut, wenn man nichts tut.
Was sich entwickeln kann, wenn man einen Urlaubsort nicht nur als Urlaubsort sieht, den man betritt und wieder verlässt – als Erholungskulisse also –, sondern wenn man diesen Ort ernst nimmt und zu verstehen versucht, das macht die Magie dieses Buchs aus, das in den Lesern noch lange nachwirkt.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Verlag Antje Kunstmann GmbH; 1. Edition (8. März 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 256 Seiten
  • Preis ‏ : ‎ 24 Euro
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3956144837

Sehr vergnügliche Einblicke ins Sprachland.

Im Bann des Eichelhechts

und andere Geschichten aus Sprachland

Axel Hackes Sprachland ist das einzige Land der Welt, das ausschließlich aus Sprache besteht, in dem die Zeit in Verwöhnminuten gemessen wird, die Menschen in Schlafanfallbüros arbeiten und sich Eichelhecht und Aschenpudel Gute Nacht sagen.

Wer gerne reist, der mache sich auf ins Sprachland. Dort sind die Menschen nicht an der schnöden Wirklichkeit regelgerechten Redens und korrekten Schreibens interessiert, sondern am Gegenteil: am Falschen, auch am Lächerlichen, am Hoch- und Tieftrabenden, am Irritiertsein, dem kurzen Stutzen und an der Poesie sowie dem Nachdenken, das sich daraus ergibt. Hier wird die Zeit in Verwöhnminuten gemessen, die Menschen arbeiten in Schlafanfallbüros, tragen Ganskörpertattoos, und das Wort Reißverschluss schreiben sie Rajs-ferszlus. Es haben Arten überlebt wie der Eichelhecht, der Rächerlachs und der Aschenpudel, es wachsen schwarzäugige Erbsen und die seltenen Tiftrienen. Es gibt gerade und gebogene Zahlen, und man isst gebratene Caprihosen sowie Gerichte mit schönen Namen wie Kleine Kopffüßer ertranken. Aus Axel Hackes Reise in dieses nahe und doch ferne Land ist ein lustiges, verträumtes, versponnenes Sprachspielbuch entstanden. Große Kunst. Und ein noch größeres Vergnügen.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Kunstmann, A; 1. Edition (10. Februar 2021)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 264 Seiten
  • Preis ‏ : ‎ 22 Euro
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3956144318
  • Lesealter ‏ : ‎ Ab 14 Jahren

Axel Hacke lebt als Schriftsteller und Kolumnist des Süddeutsche Zeitung Magazins in München. Er gehört zu den bekanntesten Autoren Deutschlands, seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Zuletzt erschien Wozu wir da sind. Walter Wemuts Handreichungen für ein gelungenes Leben (Kunstmann 2019) und Im Bann des Eichelhechts (Kunstmann 2021) und Ein Haus für viele Sommer (2022)

Geboren wurde er am 20. Januar 1956 in Braunschweig. Nach dem Abitur am Wilhelm-Gymnasium absolvierte er seinen Wehrdienst, was ihm wohl nicht wirklich behagte. 1976 begann er zuerst in Göttingen zu studieren, zog dann nach  München, wo er die Deutsche Journalistenschule besuchte und Politische Wissenschaften studierte.

Von 1981 bis 2000 war er als Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung tätig, in verschiedenen Ressorts. Seit 2000 schreibt er freiberuflich Bücher und Kolumnen.