Das Buchcover zeigt Anne Frank (links) und Hannah Goslar (rechts) in der Exil-Heimat Amsterdam.
Hannah Pick-Goslar in Jerusalem mit einem Foto ihrer besten Freundin Anne Frank. © Eric Sultan The Loma Project
„Als kleines Mädchen wurde ich Zeugin davon, wie die Welt, die ich liebte, durch sinnlosen Hass zerstört wurde und verschwand – und mit ihr meine beste Freundin Anne“
Das Buch Meine Freundin Anne Frank von Hannah Pick-Goslar zählt wohl zu den ergreifendsten Büchern, die es über den Holocaust zu lesen gibt. Was es dazu gemacht hat? Es ist die so einzigartige persönliche Sicht einer Verfolgten. Die Verfolgte ist ein Kind, sein Verbrechen? Es ist ein jüdisches Kind. Nur das.
Speziell in diesen Tagen, in denen die Angriffe auf Menschen jüdischen Glaubens, aber auch auf andere Minderheiten vermehrt stattfinden, ist dieses Buch besonders wichtig, für Jung und Alt. Für die Jungen, die sich nicht vorstellen können, wie erniedrigend und grausam Menschen handeln können; für die Älteren, die meinen, die Geschichte könne sich gar nicht wiederholen. Schaut man sich in der Gesellschaft um, dann wird klar, die Geschichte kann sich sehr wohl wiederholen, wenn nicht jeder vernünftige Mensch dagegen angeht. Das fängt schon bei unbedachten Äußerungen an – die gar nicht so gemeint sind – nicht erst bei Tätlichkeiten. In der Erziehung zu Hause und in der Schule, im Verein und im Freundeskreis. Denn auch die Angriffe finden schon auf Kinder statt, wenn sie sich nicht mehr sicher in ihrer Umgebung bewegen können. Nie wieder ist jetzt!
Hannah Pick-Goslar erzählt aus ihrer Sicht. Der Sicht eines Kindes – und es beginnt mit den Erinnerungen an ein unbeschwertes Leben als Kleinkind in Berlin und den schmerzhaften Abschied bei der Emigration über London nach Amsterdam, in den damals neutralen Niederlanden. Das Leben der fünfjährigen Hannah, der Beginn der Freundschaft mit der etwa gleichaltrigen Anne sowie die Lebensumstände der Freundinnen in Amsterdam über einen Zeitraum von 9 Jahren unter immer schwierigeren Verhältnissen und später während der Verfolgung bis hin zum Leben Hannahs im britischen Mandatsgebiet Palästina wird von Hannah direkt erzählt.
Der Zeitraum umfasst etwa 17 Jahre von Hannahs Leben. Kindheit und Jugend, verbracht in Amsterdam, im Durchgangslager Westerbork, im KZ Bergen-Belsen, schließlich zurück in den Niederlanden, und auf dem Weg ins britische Mandatsgebiet Palästina.
Lebensumstände, die von verschiedenen persönlichen Schicksalsschlägen und dazu von der allgemeinen Judenverfolgung gekennzeichnet sind. Ein Kind musste dies ertragen, hat es aus dieser Perspektive erzählt und der Schmerz erwacht beim Lesen. So ergreifend, so nah, so erschütternd. Beim Lesen vergaß ich oft: Dieses Leben erzählt keine Erwachsene mit Lebenserfahrung, sondern ein alleinstehendes Kind, das noch dazu Mutterrolle für die kleine Schwester übernehmen musste.
Das System der Nazis war unerbittlich gegen jede unerwünschte Person, selten gab es Lichtblicke, es ging immer noch ein bisschen unbarmherziger und unmenschlicher. Und etwas wird in diesem Buch auch deutlich: Hilfe war möglich, aber Hilfe wurde oft verweigert. Nicht von einzelnen Personen – Hannah erzählt einige Situationen, in denen ihr von Fremden geholfen wurde – andere Staaten und Institutionen hätten eingreifen können, taten es nicht oder zu spät. Auch das ist eine erschreckende Erkenntnis.
Fazit: Dieses Buch sollten viele Menschen lesen, darüber reden, weitergeben und Konsequenzen in ihrem Verhalten daraus ziehen! Es ist lehrreich, faszinierend sowie erschütternd und mehr als lesenswert.
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