Die bronzene Preisstatue Momo
Gewinner des Deutschen Jugendliteraturpreises 2022
Am Abend des 21. Oktober 2022 wurde im Rahmen der Frankfurter Buchmesse der Deutsche Jugendliteraturpreis 2022 verliehen. Gewonnen haben:
In der Sparte Bilderbuch
- Emma Adbåge: Unsere Grube
Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger
Beltz & Gelberg
Ab 4
Lektorin Barbara Gelberg nahm den Preis stellvertretend für Autorin und Übersetzerin entgegen und überbrachte eine Erinnerung von Emma Adbåge: „Alle Kinder spielen, sie spielen gerne zusammen, es ist umsonst, let’s keep it.“
In der Sparte Kinderbuch
- Ali Benjamin: Die Suche nach Paulie Fink
Aus dem Englischen von Jessika Komina und Sandra Knuffinke
Hanser
Ab 11
Jessika Komina und Sandra Knuffinke nahmen den Preis entgegen und erklärten, eine Herausforderung bei ihrer Arbeit seien die vielen Sprachebenen des Textes gewesen.
In der Sparte Jugendbuch
- Kirsten Boie: Dunkelnacht
Oetinger
Ab 14
„Ich habe vor 15 Jahren schon mal hier gestanden und einen Preis entgegengenommen – den Preis für das Gesamtwerk –, und da habe ich mich nicht dran gehalten und einfach weitergeschrieben“, erklärte Kirsten Boie. In ihrem Buch sei es vielleicht für Jugendliche, die sich nach rechts bewegen, interessant zu sehen, wie das Kriegsgeschehen in das Leben eines kleinen Dorfes einbricht.
In der Sparte Sachbuch
- Bianca Schaalburg: Der Duft der Kiefern. Meine Familie und ihre Geheimnisse
avant
Ab 14
Ihre Familie sei ihr bei den Recherchen zu ihrer autobiographischen Grafic Novel nähergerückt, erklärte Bianca Schaalburg.
Gewinner der Jugendjury ist
- Benedict Wells: Hard Land
Diogenes
Ab 15
„Ich hatte einen kurzen Moment gehofft, den Preis nicht zu gewinnen, weil ich Tränen in den Augen hatte“, erklärte Benedict Wells und bezog sich damit auf die Performance der Jugendjury, die zuvor jeden nominierten Titel schauspielerisch vorgestellt hatte, zuletzt Hard Land. Zwischen Jugendliteratur und Belletristik würde er keine Grenze ziehen: „Eine Buchmesse ist auch eine Friedensmesse, Literatur kann Grenzen einreißen. Aber auch innerhalb der Literatur gibt es keine Grenzen.“
Sonderpreis Neue Talente
- Mia Oberländer
für ihre Illustration von
Anna
Edition Moderne
Ab 14
Ein Grund, Comics zu zeichnen, sei für sie die Möglichkeit, Gefühle anders als mit Worten auszudrücken, erklärte Mia Oberländer. Einem Schrei könne sie mehrere Seiten widmen.
Und der mit 12.000 Euro dotierte Sonderpreis Gesamtwerk geht an den 1940 geborenen Illustrator Hans Ticha, dessen kinderliterarisches Schaffen seinen Höhepunkt in den 1970er und 1980er Jahren in der DDR hatte. „Seine Bilderwelten bewegen sich klug ausbalanciert zwischen Poesie, Pop-Art und Persiflage. Charakteristisch sind die Verwendung knalliger Farben, reduzierter grafischer Formen sowie das Auftreten phantastischer Figuren mit kugelrunden Körpern. Der Deutsche Jugendliteraturpreis ehrt einen einzigartigen Bilderbuchkünstler, dessen Bücher zwischen Eigensinn und politischer Geste einen erneuten Auftritt in allen Haushalten, Schulen und Kindergärten verdienen“, so die Begründung.
Stifter des Deutschen Jugendliteraturpreises ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ausrichter der Arbeitskreis für Jugendliteratur. Die Auszeichnung wird seit 1956 für herausragende Kinder- und Jugendbücher vergeben und ist mit insgesamt 72.000 Euro dotiert. Bis auf den Sonderpreis Gesamtwerk in Höhe von 12.000 Euro sind alle weiteren Auszeichnungen mit einem Preisgeld von 10.000 Euro verbunden. Zudem erhalten alle Preisträgerinnen und Preisträger eine Skulptur: die bronzene Momo. Diese Statuen wurden im wieder fast voll besetzten Saal Harmonie von Bundesministerin Lisa Paus übergeben, die in ihrem Grußwort Victor Hugo zitierte: „Die Zukunft gehört den Büchern, und nicht den Bomben, dem Frieden und nicht dem Krieg.“
Ein Bilderbuch mit der Botschaft: Habt Vertrauen in eure Kinder. Lasst sie machen!
Jurybegründung
Manchmal sucht man jemanden und findet sich selbst.
Jurybegründung
Statt der neu zugezogenen Ich-Erzählerin Caitlyn erwarten ihre Mitschüler: innen zum Schuljahresbeginn eigentlich den Klassenclown und Unruhestifter Paulie Fink zurück. Der aber bleibt verschollen. Dennoch ist er omnipräsent: in Interviews, E-Mails oder Chats, in denen von ihm berichtet wird. Caitlyn findet ihre Rolle in der außergewöhnlichsten Schule der US-amerikanischen Provinz erst, als die Klasse sie bittet, ein schräges Casting für die Suche nach einem würdigen Nachfolger von Paulie Fink zu leiten. Dieser Wettbewerb schweißt die Kinder auch über die Jahrgangsstufen hinweg zusammen und setzt kreative Kräfte bei allen Beteiligten frei. Nach und nach wird dabei der legendäre Paulie Fink entzaubert und dafür Caitlyns Entwicklung in den Blick gerückt.
Ihre Spannung bezieht die wendungsreiche Geschichte aus dem ausgeklügelten Spiel mit Leerstellen und Versatzstücken, aus Fragen zu Realität und Fiktion. Nicht zuletzt lebt sie von einer äußerst gelungenen Themenvielfalt, die niemals ausufernd wirkt.
In ihrer treffsicheren Übersetzung gelingt es Jessika Komina und Sandra Knuffinke wunderbar, sowohl den leisesten als auch den wildesten Momenten dieses außergewöhnlichen Romans gerecht zu werden.
schrieb als Redakteurin für Zeitschriften, Zeitungen und Online-Medien bis ihr Jugendbuchdebüt ein weltweiter Bestseller wurde. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Massachusetts / USA.
Die Suche nach Paulie Fink
Ali Benjamin (Text),
Jessika Komina (Übersetzung),
Sandra Knuffinke (Übersetzung)
Keine Fiktion – das war schreckliche Realität.
Jurybegründung
„Der Krieg ist zu Ende!“ – Das ist am 28. April 1945 in der bayerischen Kleinstadt Penzberg für die einen bereits Gewissheit. Für die anderen ist es Wehrkraftzersetzung und Grund für standgerichtliche Todesurteile. Der von den Nationalsozialisten abgesetzte Bürgermeister kehrt ins Amt zurück. Zeitgleich exekutieren Angehörige der Wehrmacht das, was sie für Recht halten. Nur 24 Stunden später haben sich kaum fassbare Gräuel ereignet. Diese Nacht geht als Penzberger Mordnacht in die Geschichtsbücher ein. Das sind die Fakten, unausweichlich, historisch belegt und lange ausgeblendet.
Kirsten Boie hat den Fall recherchiert und zu einem bedrückenden, fast szenischen Text verdichtet. Knappe Sätze schildern mit schmerzhafter Präzision, wie ideologische Verblendung jede Menschlichkeit ausradiert, wie Nachbarn zu Mördern werden. Große Geschichte spiegelt sich im Kleinen. Die atemlose Schilderung wird durch drei Jugendliche, die zwischen den Fronten stehen, nochmals intensiviert. Kirsten Boie gelingt ein grandioses Stück Erinnerungsliteratur, das unter die Haut geht. Und nebenbei erfindet sich die bekannte Erfolgsautorin völlig neu.
Dunkelnacht
Kirsten Boie (Text)
Familiengeschichten bringen oft Erschütterndes ans Licht.
Jurybegründung
„Wir. Wussten. Von. Nichts.“ Kann es stimmen, was die Großmutter behauptet? War der Großvater Mitläufer oder doch ein überzeugter Nazi? – Es sind persönliche Fragen, denen Bianca Schaalburg in ihrer Graphic Novel nachspürt. Doch ist ihre autobiografische Spurensuche weit mehr als ein Stück persönlicher Erinnerung oder Aufarbeitung – sie ist ein Beitrag gegen das Vergessen, eine Aufforderung zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Denn über die Offenlegung der eigenen Familiengeschichte gelingt hier eine tiefgreifende Beschäftigung mit historischen Ereignissen: Geschickt bettet die Künstlerin ihre Nachforschungen, die selbst wesentlicher Teil der dokumentarisch angelegten Erzählung sind, wie auch die gewonnenen Erkenntnisse in den jeweiligen zeitlichen Kontext ein und legt so ein erstaunliches Geflecht an Unwahrheiten, Unwissenheit und Verdrängung offen.
Sorgfältig recherchierte Erläuterungen und Hintergrundinformationen, die in den Bildern, Textpassagen sowie in einem umfangreichen Anhang präsentiert werden, runden die facettenreiche grafische Erzählung ab und helfen zugleich, Geschichte im Kleinen wie im Großen zu rekonstruieren und neu auszuleuchten. Der Duft der Kiefern zeigt eindrucksvoll, wie grafisches Erzählen die Möglichkeiten der Wissensvermittlung erweitert und bereichert.
Der Duft der Kiefern
Meine Familie und ihre Geheimnisse
Bianca Schaalburg (Text und Illustration)
Jugend – die Zeit der Erfahrungen, Glückseligkeit und Enttäuschungen.
Jurybegründung
Missouri, 1985. Als der 15-jährige Sam in einem alten Kino zu jobben beginnt, bricht für ihn ein Sommer an, der alles verändern wird. Zwischen Popcorn und flimmernden Leinwänden trifft er auf neue Freunde, die ihn aus der Starre des verschlafenen Örtchens Grady befreien und schnurstracks ins Erwachsenwerden katapultieren. Es ist ein Sommer, der ihm die erste Liebe und den ersten Verlust bringt, ein Sommer voller Abenteuer und Schmerz, voller Ängste und neuer Träume. Ein Sommer, der mitsamt seinen Schattenseiten eine Liebeserklärung an die Jugend ist.
Sams Freundin Kirstie erfindet den Begriff „Euphancholie“ als Beschreibung eines Zustands, in dem die Euphorie eines glücklichen Augenblicks von seiner lauernden Vergänglichkeit überschattet wird und melancholisch stimmt – ein Wort, das diesen Coming-of-Age-Roman nicht besser beschreiben könnte: Gleichermaßen verspielt wie melancholisch wirft Hard Land uns in eine Zeit der „99 Luftballons“ und verträumten Sommertage zurück und schafft dabei mit seinen lebendigen und witzreichen Charakteren eine Atmosphäre, die bis zur letzten Seite an Grady und dessen 49 Geheimnisse fesselt.
Benedict Wells
Hard Land
Benedict Wells (Text)
Mia Oberländer erzählt in Anna von drei Generationen außergewöhnlich großer Frauen. Mit ihrer Andersartigkeit gehen die drei Annas unterschiedlich um, was auch ihre Beziehungen untereinander prägt. In virtuosen Bildern und mit subtilem Humor erzählt Mia Oberländer vom Groß- und Anderssein in unserer kleinkarierten Welt.
Anna
- Herausgeber : Edition Moderne; 1. Edition (7. September 2021)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 220 Seiten
- Preis : 25 Euro
- ISBN-13 : 978-3037312223