Enorme Imaginationskraft und herausragendes Spiel

 

Reiste aus Italien nach Stendal: Schauspieler Matthias Brenner.

Foto:© FBE Agentur/Fabian Schellhorn

 Bühnenstar Matthias Brenner kommt als „Der Trinker“ ins TdA

 

 

Am Samstag, 14. Oktober 2023 erschien in der Altmark Zeitung, der Ausgabe für den Landkreis Stendal, im Lokalteil Stendal/ Arneburg-Goldbeck der Artikel „Ich kam unerlaubt zur Welt" mit dem Untertitel „Bühnenstar Matthias Brenner spielt Falladas „Trinker" im TdA.

Stendal – Theaterbühne, Fernsehen, Kinoleinwand – der bekannte Schauspieler Matthias Brenner („Das Leben der Anderen, Tatort, Charité) aus Thüringen zählt mit zu den markantesten Gesichtern und eindrucksvollsten Darstellern in der deutschen Kulturszene. Auch als Regisseur an Bühnen überall in Deutschland und als Intendant ist sein Name in aller Munde. Nicht zu vergessen, seine Soloprogramme. So begeisterte er lange Zeit mit Kafkas „Verwandlung“ mit skurrilen, aber auch dramatischen Darstellungen sein Publikum.

Theater der Altmark in Stendal

©Nutzer--Nephantz! 15:11, 24. Mai 2009 (CEST) - Selbst fotografiert

Am 14. Oktober kommt er jetzt mit „Der Trinker“ des Schriftstellers Hans Fallada (1893 – 1947) für ein Gastspiel ans Theater der Altmark. Die AZ erreichte Matthias Brenner telefonisch im Italienurlaub.  Im Interview spricht er über seine enge Verbindung zur Hansestadt, die Zukunft des Theaters und die Faszination von szenischen Monologen.

Herr Brenner, Hans Fallada schrieb den Roman „Der Trinker" im Gefängnis. Es ist ein authentisches und erschütterndes Psychogramm eines Alkoholkranken. Ist das nicht zu ernst für einen entspannten Theaterbesuch?

Auf keinen Fall. Ich kann schon jetzt versprechen, dass die Zuschauer zwar ein dramatischer, aber auch ein lustiger und äußerst unterhaltsamer Abend erwartet.

Das bedeutet?

Hans Fallada wurde nach einem vermeintlichen Totschlagsversuch als unzurechnungsfähiger Trinker verurteilt. Im Gefängnis entstand das „Trinker"-Manuskript. Wer den Roman liest, stellt eine ganz besondere Tonart in Falladas Schreibstil fest. Ton im Sinne von Klang. Es ist unglaublich, was ihm mit seinen Worten und Sätzen gelingt. Diesen Klang bringe ich auf die Bühne – sowohl in der Intonation als auch in der Darstellung.

Sie wälzen sich auf der Bühne umher, pflügen über den Theaterboden, hocken aber auch nachdenklich sinnierend am Orchestergraben?

Ja, ich halte keinen ermüdenden Dialog, sondern spiele. Spiele die Geschichte des Kaufmanns Erwin Sommer, der in einer beruflichen Krise den Alkohol für sich entdeckt und immer abhängiger wird. Das ist ganz wichtig: Ich lese den Text nicht ab, sondern ich spiele und agiere.

Sommer rutscht also tiefer und tiefer?

Ganz genau. Es ist dieser schleichende Verfall, der ihn zum Außenseiter der Gesellschaft macht und in den Abgrund reißt. Ich versuche aufzuzeigen, wie es überhaupt zu dieser Zerstörung eines Menschen kommen kann. Dafür ziehe ich alle Register und versuche, auf der Bühne Bilder entstehen zu lassen, die das Publikum mitnehmen und nicht zu Atem kommen lassen.

90 Minuten ohne Pause…

… richtig. Eine Unterbrechung würde den Spannungsbogen unterbrechen und den roten Faden zerreißen.

Wie kommt es, dass Sie ans Theater der Altmark kommen?

Ihre neue Intendantin, Dorotty Szalma, hat mich eingeladen. Ich habe mit Freuden zugesagt, denn mit Stendal verbindet mich etwas Besonderes…

Bitte erzählen Sie.

Sehr gern. Meine Mutter, die Schauspielerin Barbara Wörner, kam nach ihrer Schauspielausbildung in Magdeburg, Anfang der 50er Jahre für drei Spielzeiten ans Theater der Altmark. Davon ist leider nur wenig überliefert, aber immer, wenn ich etwas aus Stendal höre, muss ich an meine Mutter denken.

Sie selbst sind in Meiningen geboren?

Nachdem meine Mutter ein Engagement in Meiningen angenommen hatte, lernte sie meinen Vater Carl Rüdiger Brenner, ebenfalls Schauspieler, kennen. In unserer Familie hieß es immer: Barbara und Carl Rüdiger gingen in Meiningen unerlaubt ins Bett und ich kam dann erlaubt zur Welt.

Eine echte Schauspielerfamilie. Hat der Beruf heute noch Zukunft?

Für mich wird das Theater immer unkaputtbar bleiben. Aber als Existenzgrundlage für junge Schauspieler wird es auf Sicht nicht mehr geeignet sein. Fernsehen und Streamingkanäle wie Netflix oder Amazon werden für den Lebensunterhalt immer wichtiger. Außerdem fehlt es an Stücken, die das Publikum ins Theater locken. Autoren schreiben kaum noch Stücke für 14 oder mehr Personen, sondern nur für fünf oder sechs. Das bedeutet aber auch, dass die Theaterensembles schrumpfen und immer mehr junge Talente entlassen werden. Insofern ist es spannend, mitzuerleben, wie sich Theater verändern wird. Fest steht: Die Zeiten des Theaters als Bildungsanstalt der Nation sind vorbei. Heute sind Netflix, Amazon oder Kino das Theater für das Volk. Die Bühne wird zum Nischenprodukt. Schade.

Eine letzte Frage: Warum sollte das Publikum zu Ihnen ins Theater kommen?

Weil ich ihm einen spannenden, unterhaltsamen, witzigen und ernsten Abend verspreche, der viele Überraschungen birgt. Mir ist egal, wie viele Besucher im Zuschauerraum sitzen: Ich spiele für alle, die ins Theater kommen. Nicht für die, die fernbleiben.