Margrit Bormann: Leben zwischen Grauen und Glück

 

Restauratorin in Auschwitz

 

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Margrit Bormann stammt aus Schneeberg im Erzgebirge und studierte in Köln Restaurierung und Konservation. Schon als Teenager hat sie sich intensiv mit der NS-Zeit auseinandergesetzt, aber als sie ihr Studium aufnahm, wollte sie eigentlich jahrhundertealte Wandgemälde oder Fresken vor dem Verfall bewahren. Doch es kam anders. Heute arbeitet sie in der Konservierungskammer des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Margrit Bormann sorgt dafür, dass die gefundenen Gegenstände im KZ – vom Rasierpinsel bis zum alten Koffer – für die Nachwelt erhalten bleiben und Zeugnis ablegen über die Gräueltaten der Nazis. Foto/Copyright: Markus Nowak

 

Am 10. April 2019 begann die Reise nach Polen. Ziele waren Oświęcim (das frühere Auschwitz) und ein Kloster in Racibórz (Ratibor). Zufällig hatte ich von Margrit Bormann erfahren. Sie stammt aus Schneeberg im Erzgebirge und arbeitet seit vielen Jahren als Konservatorin im ehemaligen KZ Auschwitz-Birkenau. Von ihr und ihrer Geschichte wollte ich unbedingt erzählen. Auch ein Interview mit dem Vizepräsidenten des Internationalen Auschwitzkomitees, Christoph Heubner, stand auf meinem Terminplan.

Seit den 1970er Jahren beschäftigte ich mich intensiv mit dem Dritten Reich und seinen verheerenden Folgen, die bis heute tief nachwirken. Allerdings hatte ich noch nie Auschwitz besucht. Es wurden vier intensive Tage, über die ich hier noch in anderen Artikeln schreiben werde.

Mein Fazit auf der Rückreise: Warum bin ich nicht schon früher nach Auschwitz gefahren, sondern habe bis zu meinem 64. Lebensjahr gewartet. Ein Freund von mir sagte einmal: „Auschwitz verändert jeden.“ Er hatte Recht.

Markus Nowak, der Fotograf, der mich auf dieser Reise begleitete, ist ein junger Journalist, der aber schon viel Erfahrung hat. Sein Spezialgebiet sind die baltischen Staaten und Polen. Bis heute hat er mich zu vielen Terminen begleitet und seine Bilder sind immer topp. In Polen war er darüber hinaus aber auch ein toller Übersetzer und Brückenbauer. Danke Markus! Hier finden Sie mehr über ihn.

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110.000 Schuhe, Sandalen, Stiefel, Pantoffeln von Erwachsenen und KIndern wurden in  Auschwitz-Birkenau gefunden. Tausende sind schon konserviert – aber die Arbeit ist noch lange nicht abgeschlossen. In der Gedenkstätte Auschwitz sind sie hinter einer langer Glaswand ausgestellt. Mahnung und Erinnerung zugleich. Wer bei diesem Anblick nicht demütig wird und innerlich um Verzeihung bittet … Foto/Copyright: Thomas Pfundtner

Vorsichtig legt Margrit Bormann (40) einen alten, zerbeulten Lederkoffer unter die hell leuchtenden Scheinwerfer. Sie stellt die Belichtung ein, kontrolliert die Schärfe und drückt mehrere Male auf den Auslöser. „Das brauchen wir für unsere Dokumentation.“

Margrit Bormann ist Restauratorin. Als 16-Jährige sah sie in einem Film die Sixtinische Kapelle mit den Fresken von Michelangelo und wusste, sie wollte Restauratorin werden, jahrhundertealte Wandgemälde oder Bilder vor dem Verfall bewahren.

Doch das Leben wollte es anders: Seit 2010 ist Margrit Bormann eine von 16 Restauratoren in der Konservierungswerkstatt der Gedenkstätte des größten NS-Vernichtungslagers – im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. Ihre Aufgabe: Alles so zu erhalten, wie es vor nunmehr fast siebzig Jahren im Konzentrationslager Auschwitz gefunden wurde. Mindestens 1,1 Millionen Menschen starben in diesem schrecklichsten aller Konzentrations- und Vernichtungslager – die meisten von ihnen Juden aus den von Deutschland besetzten Ländern Europas. Nirgendwo wird den Besuchern das Grauen der systematischen Ausrottung eines Volkes so vor Augen geführt wie in Auschwitz-Birkenau.

 „Als Teenager habe ich mich intensiv mit der NS-Zeit und dem Holocaust beschäftigt  und immer versucht, das Schreckliche zu begreifen. Ich wollte die Rolle der Deutschen verstehen, mich mit Schuld und Sühne auseinandersetzen“, erinnert sich die junge Frau aus Schneeberg im Erzgebirge.

Doch als sie ihr Studium für Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut in Köln aufnahm, hatte sie mit dem Thema abgeschlossen, wollte nichts mehr über den Krieg, die Gräueltaten und den Holocaust wissen. „Ich war wohl übersättigt“, erinnert sie sich.

Was sie aber nicht ahnte: In Köln gibt es für die Studenten die Möglichkeit, für einige Wochen zum Arbeiten ins ehemalige Konzentrationslager Auschwitz zu fahren. „Als der Professor fragte, wer mitkommen möchte, habe ich ohne zu zögern sofort meine Hand gehoben“, erinnert sich Margrit Bormann, „das war der Anfang und hat mein Leben total verändert.“

Dabei war der erste Besuch traumatisch. Als die Studenten während einer Vorlesung einen Film der Roten Armee sahen, der unmittelbar nach der Befreiung des Lagers von den Soldaten aufgenommen worden war, brach Margrit Bormann in Tränen aus: „Ich habe gedacht, ich wäre durch meine Auseinandersetzung mit dem Holocaust gut vorbereitet gewesen. Aber diese Leichenberge, diese ausgemergelten Menschen …“ Trotz dieser Erfahrungen kam Margrit Bormann wieder, um ehrenamtlich weiter in der Konservierungswerkstatt zu helfen.

„Der Rucksack der Schuld lastete auf mir“

Ihr Praxissemester absolvierte die Studentin ebenfalls im Zentrum des Grauens. „Auch in den Semesterferien bin ich nach Auschwitz gekommen. Das war wie ein Sog. Ich konnte gar nicht anders.“

In dieser Zeit lernte Margrit Bormann Polnisch, reiste mit dem Zug durch das Land, nahm Kontakt zu den Menschen auf: „Obwohl ich die Sprache kaum beherrschte, war es mir wichtig, zu versuchen mit den Menschen zu reden, mehr über ihr Leben und ihre Vergangenheit zu erfahren.“

Ehrlich gibt sie zu, dass hinter dem Wunsch, Polnisch zu lernen auch der Gedanke steckte, etwas zu verbergen: „Ich wollte nicht, dass es sofort auffällt, dass ich Deutsche bin. Dieser Rucksack der Schuld lastete immer auf mir, ich habe ihn stets mit mir rumgetragen.“

Es wurde für Margrit Bormann klar, dass sie auch nach dem Studium in Oświęcim leben und arbeiten wollte: „Also fasste ich mir im letzten Semester ein Herz und fragte, ob die Chance für eine Anstellung bestehen würde.“

„Wir dachten schon, Du würdest nie fragen“, lautete die Antwort.

Die Sächsin zog für immer nach Oświęcim, zunächst in eine WG nahe des ehemaligen Konzentrationslagers, mittlerweile in die Stadt. Hier lebt sie gern, trifft sich mit Freunden, treibt Sport oder sucht das Gespräch. Und sie spürt, dass sich etwas verändert hat. In Polen und in Deutschland. „Nicht nur in meiner Heimat, auch hier in Polen, spüre ich den Riss, der durch die Gesellschaft geht“, sagt sie, „das größte Problem ist, die beiden Lager PO und PiS sind nicht in der Lage, miteinander zu reden. Aber ich muss auch ehrlich gestehen, dass ich die Stimmungen und Schwankungen in Deutschland besser deuten kann als hier. Das liegt wohl daran, weil ich zum einen dafür die Sprache noch nicht so genau kenne. Zum anderen fehlt mir oft aber auch der politische und historische Hintergrund. Da ist mir vieles fremd.“

Dennoch sieht sie viele Unterschiede zu ihrem Leben in der Vergangenheit: „In Deutschland habe ich nur wenige gute Erfahrungen gemacht, wenn ich mit Frauen oder Männern über die Nazizeit sprechen wollte. Fast immer hieß es, das müsse doch jetzt endlich mal genug sein. Oder ich musste mir all das Gute anhören, was Hitler gemacht hätte – die Autobahnen, die Abschaffung der Arbeitslosigkeit und das Recht und die Ordnung. Hier in Polen kann ich sogar am Milchregal im Supermarkt über das Dritte Reich und den Holocaust sprechen. Da ist keine Ablehnung. Im Gegenteil. Wohl gerade weil ich Deutsche bin, erzählen mir Ältere gern und bereitwillig ihre Geschichte. Dabei habe ich nur nach dem besten Mehl für Piroggen gefragt. Das beeindruckt mich jedes Mal zutiefst.“

Täglich sitzt Margrit Bormann nun an ihrem Arbeitsplatz, schabt behutsam mit ihrem Skalpell die Beschläge alter Koffer frei: „Nur die frischen Korrosionsprodukte, nicht die alten. Die müssen erhalten bleiben.“

Unzählige Relikte der Vernichtungsmaschinerie

Beulen im Leder, Risse im Futter oder abgeschlagene Metallecken werden nicht ersetzt, die Beschriftungen – wie Namen, Transportnummer und Datum – auf den Kofferdeckeln bleiben: „Wenn es keine Überlebenden mehr gibt, können nur noch die gefundenen Koffer, Brillen, Rasierpinsel, Emailletöpfe, -tassen und -teller, Schuhe, Kleidung, die Baracken und Haare die Geschichte vom Holocaust und Auschwitz erzählen.

110.000 Schuhe und Teile von Schuhen – Sandalen, Stiefel oder Pantoffeln – 397 Häftlingsanzüge, 40 Kilogramm Brillen, knapp zwei Tonnen Haar von circa 40.000 Frauen (sieben Tonnen von 140.000 Frauen wurden bei der Befreiung gefunden), über 6.000 Zahnbürsten, 13.000 Häftlingsbriefe  oder -postkarten, 3.800 Koffer, 370 Prothesen, 250 Meter an Dokumenten oder unzählige Kämme werden im Museum aufbewahrt – und das ist nur ein Teil.

Jeden Tag werden Margrit Bormann und ihre Kollegen mit den Relikten der Vernichtungsmaschinerie der Nazis konfrontiert. Das führt oft zu inneren Konflikten. Die Distanz zu den Opfern geht verloren. Das passierte auch Margrit Bormann: 

Als die junge Restauratorin aus dem Erzgebirge noch neu im Museum war, musste sie einen Kamm bearbeiten: „Am Rand entdeckte ich einen klitzekleinen Schriftzug, der scheinbar vorher niemandem aufgefallen war.
„Ich war aufgeregt, plötzlich wurde Geschichte lebendig.“ Der Schriftzug entpuppte sich als der Name eines ungarischen Häftlings. Sie informierte die zuständige Rechercheabteilung. Doch der Archivar fand nichts. Keine Häftlingsnummer, kein Schriftstück. Nichts. Erst als das Museum die Datenbank der Gedenkstätte Yad Vashem um Unterstützung bat, gab es neun Treffer. Die Suche war gescheitert, denn, so wurde Margrit Bormann klar, es könnte ja auch eine zehnte Person mit diesem Namen sein.

„Als ich merkte, dass ich niemanden finde, dem der Kamm zugeordnet werden kann, bin ich in tiefe Traurigkeit gefallen.“

Margrit Bormann:  „Jeder Schuh muss abgesaugt, eingefettet und desinfiziert werden“

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Bevor die Konservierung eines Gegenstands beginnt, muss er in allen Details fotografiert werden. Danach wird der Zustand protokolliert. Jeder Knick, jede Bruchstelle, jede fehlende Oese – wie bei diesem Koffer wird festgehalten. Erst dann beginnt die eigentliche Arbeit der Wiederherstellung. Foto/Copyrigt: Markus Nowak

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Blick in einen Arbeitsraum der Konservierungswerkstatt. Zwei junge Polinnen untersuchen konzentriert einen zu konservierenden Koffer. Sie prüfen die Beulen und Halterungen, besprechen im Detail, wie sie vorgehen werden. Wichtig ist bei ihrer Arbeit, dass der Koffer nicht wieder wie neu wird, sondern so erhalten bleibt, wie er gefunden wurde. Immer eine Sisyphos-Arbeit. Foto/Copyright: Markus Nowak

Margrit Bormann erinnert sich an das Schlüsselerlebnis, das sie vor die Entscheidung, Auschwitz verlassen oder bleiben, stellte:

 „Wir haben gefundene Schuhe der Häftlinge konserviert.“ Diese müssen mit einem Staubsauger abgesaugt, feucht abgetupft, desinfiziert und dann gefettet werden. „Das ist wichtig, weil das Leder brüchig wird.“

Margrit Bormann überlegt einen Moment, dann spricht sie leise weiter: „Ich war beim Absaugen der Schuhe, um den Staub der letzten Jahrzehnte zu entfernen, als ich anfing, mich vor den Schuhen zu ekeln und sie nicht mehr anfassen wollte.

Es wurde mir auch körperlich schwer. Ich bin nach Hause gefahren. Dabei habe ich gemerkt, dass mir alles weh tat. Ich legte mich auf den Rücken, konnte auch nichts essen. Das hat auf die Psyche übergeschlagen. Ich fühlte mich fehl am Platze. Ich spürte, wenn ich die Objekte nicht mehr anfassen und mit ihnen arbeiten will, läuft etwas schief. Dann kann ich hier nicht arbeiten.“

„Ich habe ein Wochenende nur geweint“

Genau das wollte sie aber. Also überlegte Margrit Bormann fieberhaft, wie sie aus diesem Loch wieder rauskommt: „Das ging so etwa drei Wochen. An einem Sonnabend habe ich mich dann in meiner Wohnung einfach nur hingesetzt und auf mein Inneres gehört. Plötzlich kamen mir die Tränen. Unaufhaltsam.
Ich weinte und weinte. An diesem Wochenende weinte ich fast ununterbrochen. Trauerte um alle Holocaust-Opfer – nicht um ein einzelnes Schicksal. Ihnen habe ich das Wochenende gewidmet und meiner Trauer freien Lauf gelassen. Danach fühlte ich mich innerlich befreit und konnte wieder leichter an die Arbeit gehen.“

Sicher, diese Momente tauchen immer wieder mal auf, aber nicht mehr so massiv. „Es ist nur ein Schuh.

Konzentriere Dich auf das Material und die Bewahrung dieses Beweises, nicht auf seine Geschichte“, flüstere ich mir dann zu. Das hilft mir, schnell aus dem Tief zu kommen und weiterzuarbeiten.“ Ein weiterer Trick: In der Tasche ihres weißen Arbeitskittels hat Margrit Bormann immer Gummihandschuhe dabei, mal weiß, mal blau. Damit schützt sie nicht nur die historischen Gegenstände, sondern „auch mich selbst.“

Während des Studiums spezialisierte sich Margrit Bormann auf Steinobjekte und Wandmalereien. Dabei geht es um den abgeblätterten Putz, den Salzfraß oder Farbverlust. Deshalb ist sie, neben der Arbeit an einem Koffer und Zahnbürsten, so oft es geht im Keller von Block 15 im Stammlager. In dem Gebäude lebten die Häftlinge auf engstem Raum, teilweise mussten sie zu zweit auf einer Pritsche schlafen, die eigentlich nur Platz für einen bot. Heute ist hier die ständige Nationalausstellung der Polen über die Okkupation durch das Deutsche Reich und den Verbrechen am polnischen Volk zu sehen.

„An einer Wand befindet sich eine Malerei“, sagt Margrit Bormann. „Es ist ein rechteckiges Bild und zeigt Hasen, die in einem Kohlfeld hocken und fressen. Wir wissen, dass es von einem Häftling namens Franz Rubin stammt.“

Franz Rubin stammte aus Prag, war jüdischer Herkunft und war von Beruf Maler. Er wurde im 1943 nach Auschwitz deportiert. Bevor er 1945 nach Dachau verlegt wurde, wo er im April 1945 im Nebenlager in Mühldorf befreit wurde, war Franz Rubin unter anderem im Häftlingskommando Malerei eingesetzt. In Auschwitz trug Franz Rubin die Häftlingsnummer 118269.“ „Diese ist auch rechts unten am Bild eingraviert.

Die sagt uns auch, das Bild wurde im Auftrag gemalt. Wahrscheinlich von einem Funktionshäftling.“

Bei den Hasen im Kohlfeld hatte sich im Laufe der Jahre die Malschicht abgehoben, das Bild war vom Zerfall bedroht. „Wir gehen davon aus, dass sich irgendwo im Mauerwerk Salze bilden. Ich bin jetzt dabei, das Bild dokumentarisch aufzunehmen. Fotos wurden gemacht, auch mit UV-Licht und Infrarot. So können wir herausfinden, wie Franz Rubin gearbeitet hat und Informationen zu den vorhandenen Materialien und eventuellen Veränderungen erhalten. Außerdem führe ich Untersuchungen durch, die mir das Ausmaß des Schadens zeigen.

Was sind das für Flecken, die da entstanden sind?

Wie stark ist die Aktivität des Salzes?

Welche sind überhaupt vorhanden?

Wie ist das Klima in diesem Keller?

Wenn ich die Ursachen gefunden habe, kann ich einen exakten Konservierungsplan schreiben, damit eine Fachfirma die Arbeiten ausführen kann.“ Im nächsten Jahr soll das Bild restauriert werden. Allerdings wird es wohl nicht für die Öffentlichkeit zu sehen sein, aber es bleibt erhalten. Das ist das Entscheidende.“

Fast den ganzen Tag haben wir mit Margrit Bormann verbracht. Nicht einen Moment habe ich daran gezweifelt, dass diese junge Frau aus Schneeberg im Erzgebirge die richtige Berufsentscheidung getroffen hat. Im Gegenteil: Margrit Bormann ist glücklich, dass sie Restaurierung studiert hat und im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau arbeiten kann. Sie sagt: „Ich weiß, ich tue etwas Wichtiges. Ich weiß, dass es einen Sinn hat! Denn ich kann mithelfen, dass diese Geschichte nicht in Vergessenheit gerät.“

Das ist wichtiger als alles andere!

Das Massenvernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Ich gehe durch das Tor, das aus dem Lager führt. Jeden Morgen mussten die jüdischen und anderen Häftlinge in langen Kolonnen durch dieses Tor mit der menschenverachtenden Schrift „Arbeit macht frei“  gehen. Zu der Schrift gibt es eine interessante Geschichte, denn natürlich mussten jüdische Gefangene diese selber schmieden. Dabei erlaubten sie sich einen Fehler und drehten das B in Arbeit um. Sie hatten Angst davor, dass die brutalen Nazis etwas merken würden, doch die erkannten den Fehler nicht. Die ganze Geschichte können Sie hier lesen.

Auf mehreren Bildern in dieser Galerie sehen sie die Arbeitsräume der Konservatorenabteilung von Auschwitz und wichtiges Arbeitsmaterial.
Zwei Konservatorinnen beschäftigen sich gerade mit einem Koffer, eine andere versucht eine Beinprothese wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen.

Während Fotograf Markus Nowak und ich Auschwitz besuchten, trafen wir im ehemaligen Konzentrationslager immer wieder auf junge Juden, die aus aller Welt hierher kommen, um das Grauen, das ihre Großeltern im KZ erleiden mussten, zu verstehen. Das Bild zeigt eine Gruppe amerikanischer und kanadischer Studenten, die vor einem Lagerzaun ein Trauerlied im Gedenken an die ermordeten Juden singen. Markus Nowak und mir standen die Tränen in den Augen, als die jungen Männer sich nach dem Gesang leise weinend umarmten.

Fotos und Copyright: Markus Nowak (8), Thomas Pfundtner (3)