Mutmaßlicher Totschläger kann sich nicht erinnern 

 

Mann aus Salzwedel soll einen Bekannten totgetreten haben

 

 

Der Bericht des ersten Prozesstages gegen einen Mann aus Salzwedel erschien am Donnerstag, 16. Mai 2024, in der Altmark Zeitung in der Ausgabe für den Altmarkkreis Salzwedel im Lokalteil unter der Überschrift „Mutmaßlicher Totschläger kann sich nicht erinnern -  Mann aus Salzwedel soll einen Bekannten totgetreten haben".

Ob sich hinter diesen Gerichtsfenstern das Geschehen noch erhellen wird?©T.Pfundtner

Salzwedel/Stendal.  Seit gestern (15. Mai) muss sich ein arbeitsloser Busfahrer aus Salzwedel vor dem Landgericht Stendal wegen „Totschlags unter verminderter Schuldfähigkeit“ verantworten.

Mario S. wird vorgeworfen in der Nacht vom 22. auf den 23. November vergangenen Jahres seinen Bekannten Frank R. gewaltsam getötet zu haben.  Unter einer wahnhaften Störung leidend, soll er massiv auf den 62-Jährigen eingeschlagen und eingetreten haben, sodass dieser infolge schwerster Verletzungen verstarb.

Aufmerksam verfolgte S. zu Beginn der Verhandlung die Anklage gegen ihn, die von Oberstaatsanwältin Ramona Schlüter verlesen wurde.

Obwohl sich S. nicht mehr an die Tat und die Einzelheiten erinnert, erklärte er sich bereit, auszusagen und alles zu berichten, was ihm noch in Erinnerung sei. Frank R. habe er erst im September vor der schrecklichen Nacht kennengelernt. Sie hätten sich gut verstanden und nie Streit gehabt. Als bei dem Bekannten die Heizung ausfiel, habe das spätere Opfer des Öfteren bei ihm übernachtet.

Mit klarer und ruhiger Stimme fährt der schwergewichtige Mann mit Vollbart und grünen T-Shirt, der neben seinem Anwalt Carsten Meyer aus Salzwedel saß, fort: „Am Tag vor den Ereignissen, an die ich mich nicht erinnern kann, sind wir morgens losgezogen, um Fischfutter und etwas zu trinken zu kaufen.“ Im Salzwedeler Getränkemarkt „Tonne“ erwarben sie später einen Kasten Bier und eine Flasche Likör. In der Wohnung von S. wurde dann dem Alkohol zugesprochen. Wie die AZ erfuhr, soll eine Blutalkoholkontrolle am Morgen bei S. einen geringen Promillegehalt um 0,6 ergeben haben. Ob S. andere Drogen – wie zum Beispiel Cannabis – konsumiert hatte und ob dies ein Grund für die möglichen wahnhaften Störungen gewesen sein könnte, wird das Gericht klären müssen.

Irgendwann in der Nacht ging der mutmaßliche Täter dann mit Kopfhörern und hörte durch die Musik nichts mehr. „In der Nacht wurde ich durch ein Gerumpel wach, konnte aber damit nichts anfangen.“ Es dauerte – so die Aussage – dann noch einige Minuten, bis S. nur mit Boxer-Short und T-Shirt bekleidet in die Wohnküche gekommen sei. „Dort lag Frank. Ich habe mich zu ihm hingekniet, seinen Puls gefühlt und versucht, ihn wiederzubeleben.“ S. erzählt, dass er in Panik geriet, weil er sich nicht erklären konnte, was vorgefallen sei. „Ich habe mir meine Hose angezogen und bin aus der Wohnung geflüchtet. Richtung Marienkirche, die ist in meiner Nähe.“ Dort habe er verzweifelt mit dem Handrücken und einem Ellenbogen auf den Beton geschlagen. Zurück in der Wohnung habe er sein Handy gesucht, es auf dem Fensterbrett entdeckt und den Notruf gewählt. Nein, er könne sich bis heute nicht daran erinnern, was in der Nacht geschehen sei, und er könne sich das alles auch nicht erklären. Er wisse nur noch, dass er auf dem Weeg zur Marienkirche geschaut habe, ob dort jemand anderes gewesen sei, der weglaufen würde.

Ohne Erinnerung - nur Indizien und Sachverständigenexpertisen?

Nachdem der Krankenwagen eingetroffen war und der Notarzt die Leiche begutachtet hatte, nahm aufgrund der Gesamtumstände die Kriminalpolizei die Ermittlungen auf. Am nächsten Morgen wurde S. in U-Haft genommen und nach Burg gebracht. Später wurde bekannt, dass die eintreffenden Beamten Mario S. bei ihrem Eintreffen als einen stark verwirrten Mann erlebten, der nicht in der Lage war, sich klar und deutlich zu artikulieren.

Da die Polizei in der Tatnacht festgestellt hatte, dass nasse Wäsche – wohl blutverschmierte ­– in der Maschine lag, wollte das Gericht wissen, wie das gekommen sei. Der Angeklagte gab an, dass er das nicht genau wisse, aber es könne sein, dass es sich um Kleidungsstücke von Frank handeln würde. Er selbst würde die nasse Kleidung immer gleich trocknen und dann wegräumen.

Unmittelbar nach den Erklärungen des mutmaßlichen Täters wurden noch zwei Sachverständige gehört, die begutachteten, ob tatsächlich eine dritte Person die Tat begangen haben könnte. Dies schlossen beide mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Unter anderem deswegen, da keine fremde DNA an der Leiche und der Kleidung gefunden wurde.