Die Wohnung war ein blutiges Schlachtfeld
Zweiter Prozesstag gegen Mario S., der seinen Freund totgeschlagen haben soll.
Der Bericht des zweiten Prozesstages gegen einen Mann aus Salzwedel erschien am Samstag, 18. Mai 2024, in der Altmark Zeitung in der Ausgabe für den Altmarkkreis Salzwedel im Lokalteil unter der Überschrift „Wohnung war blutiges Schlachtfeld - Zweiter Prozesstag gegen mutmaßlichen Totschläger".
Der Prozess findet in Saal 218 statt.©T.Pfundtner
Salzwedel/Stendal. Zweiter Prozesstag gegen Mario S., einem arbeitslosen Busfahrer aus Salzwedel, der sich vor dem Landgericht Stendal wegen „Totschlags unter verminderter Schuldfähigkeit“ verantworten muss.
Zu Prozessbeginn hatte der Angeklagte sich zu der Anklage, seinen Freund Frank R. gewaltsam getötet zu haben, geäußert. Soweit er sich erinnern konnte, berichtete er dem Gericht, was sich in der Nacht vom 29. auf den 30. November 2023 in seiner Wohnung ereignet hatte. Allerdings konnte er weder zur eigentlichen Tat noch zu den Umständen etwas sagen. Er sei es auf jeden Fall nicht gewesen.
Das erscheint unwahrscheinlich, denn bereits zwei Sachverständige schlossen mit ihren Gutachten mit hoher Wahrscheinlichkeit aus, dass eine andere Person als der Angeklagte die Tat begangen habe. Unter anderem wurde keine fremde DNA-Spur an der Leiche des 62-jährigen Opfers gefunden.
Gestern (Freitag, 17. Mai) wurden gleich vier Zeugen, darunter zwei Polizisten, gehört. Die beiden Beamten schilderten noch einmal, wie sie den arbeitslosen Busfahrer völlig verwirrt und mit Blutspritzern am Körper auf einem Bett sitzend, das ebenfalls mit Blut besudelt war, angetroffen hatten. „Er hat uns gehört und auch verstanden, konnte unsere Bitten aber nicht umsetzen.“, sagte der 22-jährige Polizeimeister. Letztendlich sei S. dann in dieser kalten Nacht barfuß aus der Wohnung geführt worden, bevor die Spurensicherung eintraf. Nein, so die beiden Beamten, auf Fragen des Gerichts, nasse Wäsche, die der mutmaßliche Täter möglicherweise nach der Tat gewaschen habe, hätten sie nicht wahrgenommen.
Die Anklage, vertreten durch Oberstaatsanwältin Ramona Schlüter, geht davon aus, dass S. unter einer wahnhaften Störung leidet, und deshalb nur vermindert schuldfähig ist.
Die wichtigste Aussage dieses Verhandlungstages machte dann der Notfallsanitäter Marcel K., der ebenfalls aus Salzwedel stammt. Er hat eine Aussage gemacht, von der Richter und Anwälte nur träumen können, sagte Verteidiger Carsten Meyer sichtlich beeindruckt.
Als Richter Ulrich Galler, den Beruf des 41-Jährigen mit „Rettungssanitäter“ angab, machte ihn dieser höflich, aber bestimmt darauf aufmerksam, dass dies so nicht stimmt: „Ich bin Notfallsanitäter und habe eine dreijährige Ausbildung. Rettungssanitäter lernen drei Monate und werden dann zumeist als Fahrer eingesetzt. Dies nahm Galler mit einem Lächeln zur Kenntnis und bat dann darum, dass der Zeuge bitte seine Erinnerungen schildern möchte.
Er berichtete, dass er damals bereits 20 Stunden im Dienst gewesen sei, als er und seine Kollegin zum Tatort gerufen wurden. „Ich war als Erster in der Wohnung, die Tür war einen Spalt geöffnet.“ Dann fügte er hinzu, dass er so etwas wie an diesem Abend noch nie gesehen, geschweige denn erlebt habe. „Das sah aus wie in einem Schlachthaus. Die Küche, das Bad – alles sei blutverschmiert gewesen. „Herr Richter, wir sprechen hier nicht von einigen Tropfen, sondern von literweisem Blut – bestimmt drei bis vier Liter.“ Dies habe er aufgrund seiner Ausbildung gut erkennen können. Dann habe er die Leiche entdeckt, die auf dem Bauch lag. Auf Bitten des Richters legte der Zeuge sich auf den Boden und stellte die Lage des Opfers nach.
„Der Angeklagte hat behauptet, da ist noch Puls. Aber ich habe sofort erkannt, dass der Mann auf dem Boden mausetot ist.“ Er habe dann aber dennoch den leblosen Körper umgedreht, um an der Hauptschlagader den Puls zu messen – „der natürlich nicht vorhanden war.“ Anschließend habe er die Hämatome an den Augen sowie weitere Verletzungen festgestellt. Außerdem sei aus Mund, Augen, Nase Blut geflossen. „Es war aber noch nicht geronnen. Ich habe dann noch den Kiefer bewegt. Als er feststellte, dass die Totenstarre noch nicht eingetreten war – „folgerte ich – durch das Wissen aus meiner Ausbildung – dass der Tote ein bis vier Stunden so am Boden gelegen hat.“
Nein, da er wusste, dass die Spurensicherung kommt, habe er nicht auf nasse, blutige Wäsche geachtet. Er habe das Blut nur auf dem Boden und an den Wänden gesehen.
Auf die Frage von Richter Galler, wie er den Zustand des Angeklagten in dieser Nacht beschreiben würde, sagte der Zeuge: „Er war nicht auf der Höhe, wusste nicht, was passiert und was er tut.“ Dann fuhr er fort: „Herr Richter, mein erster Gedanke war, „Der hat einen nebenherlaufen"…“
Richter Galler freute sich zwar über die bildliche Beschreibung, bat aber, dies etwas zu konkretisieren: „Er war psychisch erregt, absolut nicht normal und völlig von der Rolle.“
Auch dieses Bild gefiel dem Vorsitzenden der Kammer und er entließ den Zeugen mit einem Lächeln und einem Danke für die präzise Aussage.
Aufschlussreiches beschrieb der Notfallsanitäter.
Zu guter Letzt wurde an diesem Freitag vor Pfingsten der ehemalige Vorgesetzte des einstigen Busfahrers befragt. Jens S. wurde in den sozialen Medien vom Angeklagten gemobbt und beschimpft, was er aber erst durch die Kollegen erfahren habe, da er selbst so nicht im Internet unterwegs sei.
Ja, er habe S. als netten, zurückhaltenden Mitarbeiter kennengelernt, der sich erst mit der Einführung des 49-Euro-Tickets sehr veränderte: „Er begriff das nicht, fragte immer, wer das bezahlen solle.“ Nachdem S. später erwischt wurde, Geld aus der Kasse gestohlen zu haben, wurde er vom Geschäftsführer fristlos entlassen. „Ich war das nicht.“
Aber, so der Zeuge, der Angeklagte habe ihn dafür verantwortlich gemacht und mit den öffentlichen Beschimpfungen schlecht gemacht. Dies hätte sogar berufliche Konsequenzen gehabt: „Ich hatte mich woanders beworben, wurde aber wegen dieser Eintragungen nicht genommen."
Dies schien der Angeklagte zu bedauern, denn kurz vor Ende der Verhandlung ergriff S. das Wort und entschuldigte sich bei seinem früheren Vorgesetzten. Er sei nach der Kündigung in ein tiefes Loch gefallen und habe sich keine Gedanken über die Folgen gemacht.
Als er seine Erklärung weiterführen wollte, wurde er von Richter Galler unterbrochen, der meinte, dass das jetzt reichen würde und alle die Entschuldigung gehört hätten.
Der Prozess wird fortgesetzt.