Das Geheimnis von Zimmer 317 im Landgericht Stendal

Warum der Raum seit drei Jahren verschlossen ist

Deutlich zu erkennen sind die Holzstützen, mit denen die einsturzgefährdete Decke des Zimmers 317 gesichert wurde. ©Fotos: Thomas Pfundtner

Beim Landgericht Stendal handelt es sich um ein denkmalgeschütztes Justizgebäude, das um 1900 errichtet worden ist. Nach zahlreichen Sanierungen wurde im Jahr 2010 durch den Landesbetrieb Bau des Landes Sachsen – Anhalt ein Brandschutzkonzept in Auftrag gegeben, um die örtlichen Gegebenheiten zu bewerten und mit heutigen Forderungen abzugleichen. Ziel war die Erstellung eines Brandschutzkonzept unter Würdigung des denkmalgeschützten Objektbestandes.

Dieser Bericht  erschien in der Altmark Zeitung am Samstag, dem 7. Januar 2023 in der Ausgabe für den Landkreis Stendal unter dem Titel: Zeitplan lässt auf sich warten

Wurde vor drei Jahren stillgelegt: Dienstzimmer 317 im Landgericht Stendal © Foto: Thomas Pfundtner

Stendal. Es liegt im dritten Stock, gleich neben dem Fahrstuhl – Zimmer 317. Seit nunmehr gut drei Jahren ist dieser Raum versperrt und darf nicht mehr genutzt werden. Darauf verweist ein mit Tesafilm aufgepappter Zettel an der Eingangstür: „Das Dienstzimmer 317 ist zurzeit aus Sicherheitsgründen gesperrt.“ Seitdem hat sich nichts mehr getan. Für die meisten Beschäftigten im Landgericht ist Zimmer 317 mittlerweile ein Symbol für zähe Bürokratie innerhalb der Landesverwaltung.

Aber, was ist denn überhaupt mit Zimmer 317 passiert? Über Jahrzehnte wurde der Raum von Richtern am Landgericht genutzt, zuletzt von Gunolf R., der 2011 von der damaligen Justizministerin Professor Dr. Angela aus Naumburg nach Stendal als neuer Vorsitzender Richter versetzt wurde. Seitdem, so erfuhr die Altmark Zeitung, nutzte er Zimmer 317 direkt am Fahrstuhl und mit Blick auf den Hinterhof. Bis vor drei Jahren. Während der Richter im Urlaub war, ergab eine Besichtigung der Außenstelle Stendal des Landesbetrieb Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt (BLSA), dass die Decke einsturzgefährdet sei. Sofort wurde das Zimmer abgeschlossen und das Sicherheitspersonal aufgefordert, schnellstmöglich Raum 317 komplett zu räumen. Dem wurde nachgekommen. Wie aus Justizkreisen zu erfahren war, ging die Räumung ziemlich flott, allerdings herrschte danach ein ziemliches Chaos und Durcheinander bei den Akten und Unterlagen, die der urlaubende Richter für seine Arbeit benötigte. Das wiederum schien weiter nicht zu interessieren, war doch Gefahr im Verzug. Nachdem der Raum geräumt war, wurde die Decke notdürftig mit Holzplanken abgestützt. Mehr geschah nicht.

Als Richter R. nach dem Urlaub wieder ins Gericht kam, musste er nicht nur ein neues Zimmer im Landgericht beziehen, sondern auch seine Akten in mühseliger Kleinarbeit wieder sortieren und arbeitsbereit machen. Das ist mittlerweile längst Vergangenheit und auch eine Rückkehr in das alte Dienstzimmer ist kein Thema mehr – wie der Flurfunk im Landgericht vermeldet.

So weit, so gut, wenn nicht das einsturzgefährdete Zimmer bis heute unsaniert geblieben wäre. „Warum dann damals die Panik“, fragen sich die Beschäftigten im Landgericht immer mal wieder.

Für sie passt die Nicht-Sanierung zu einer Reihe von Beispielen, die die Mängel in den Justizbehördendeutlich machen. Wie die AZ berichtete, wurden 2022 vom BLSA insgesamt Aufträge für 135.700 Euro ausgelöst – aber im Gebäude passierte kaum etwas. Nicht nur mit Raum 317. Einige Beispiele:

Nur geringe digitale Ausstattung

Ein Blick in das einsturzgefährdete Zimmer ist nur von außen möglich. © Foto: Thomas Pfundtner

Da ist die völlig veraltete Telefonanlage aus den 90er Jahren. Bereits vor mehreren Jahren hat das zuständige Unternehmen die Wartung für die antiquierte, analoge Anlage eingestellt, da es keine Ersatzteile mehr gibt. Als vor gut einem Jahr die Anlage ausfiel, konnte sie nur wieder „angefahren“ werden, weil eine zufällig noch vorhandene Ersatzplatine den Schaden beheben konnte…

Oder die völlig veraltete Heizungsanlage, die es bei extremen Temperaturen oft noch nicht einmal schafft, warmes Wasser in die Heizkörper zu pumpen. Auch fällt sie regelmäßig aus und muss deshalb deutlich öfter gewartete werden, als andere Anlagen.

Nicht zu vergessen, der Digitalisierungsstand im Landgericht. Bis heute wurden noch nicht einmal die Kabeltrassen dahingehend erweitert, dass die Menge der künftig benötigten Leitungen auch eingezogen werden können.

So wie es scheint, stimmt im Landgerichtsgebäude so einiges nicht. Deshalb wollte die AZ vom BLSA wissen, wie mit den Problemen umgegangen wurde und was geplant ist.

Beate Janßen, Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sowie Pressesprecherin, teilte zu den einzelnen Punkten mit:

Zimmer 317: „Im Rahmen der Projektplanung im Baubüro Stendal des BLSA wird diesbezüglich eine Baumaßnahme vorbereitet. Für das gesamte Gebäude ist außerdem eine komplexe Sanierung geplant. Der Zeitplan wird gegenwärtig konkretisiert.

Der Raum wurde gesperrt, da es in diesem Bereich statische Probleme mit der Dachkonstruktion gibt. Zur Gefahrenabwehr wurden in dem Raum außerdem Abstützungen eingebaut.“

Telefonanlage: „Im Zuge der geplanten Sanierungsmaßnahmen erhält das Gebäude ein neues Datennetz, werden die Datenleitungen erneuert. Die Telefonie erfolgt dann zukünftig ebenfalls über das neue Datennetz.“

Kabeltrassen, Digitaler Umbau: Der Landesbetrieb BLSA realisiert schrittweise die Erneuerung der Datennetze der Landesliegenschaften.

Um die Arbeit der Behörden der Justiz am Standort Stendal nicht zu stark zu beeinträchtigen, wurden die Maßnahmen im Landgericht noch nicht begonnen.“

Heizung: „Im Rahmen der geplanten Sanierung wird die Heizungsanlage ebenfalls erneuert.“

Auf Nachfrage, wann mit dem Beginn der Arbeiten zu rechnen sei, schrieb Beate Janßen: „Es tut mir leid, Ihnen keine detaillierteren Informationen geben zu

können. Sollte ich hier konkretere Informationen haben, kann ich mich gern wieder bei Ihnen melden und würde Sie ansonsten bis dahin um Geduld bitten …