Premiere im TdA: Ende der Premiere nach der Pause

 

Drei Schauspieler verätzt

 

 

„Das große Heft" auf der Bühne des TdA - vor dem Unglück.©T.Pfundtner

Stendal – In der 78-jährigen Geschichte des Theaters der Altmark wurde noch nie eine Premierenvorstellung nach der Pause abgesagt. Genau das aber passierte am Sonnabend bei der Stendaler Uraufführung des Stücks „Das große Heft“ nach dem Roman von Ágota Kristóf ; die Vorstellung musste vorzeitig beendet werden. Mutmaßlicher Grund: In einer Szene, in der über Dreck und Schmutz geredet wird, schmieren sich die drei Hauptdarsteller Susan Ihlenfeld, Katrin Steinke und Lukas Franke eine besondere Asche-Mischung auf das eigentliche Theater-Make-Up in ihren Gesichtern. Intendantin Dorotty Szalma zur AZ: „Wahrscheinlich kam es bereits kurz vor der Pause bei den Schauspielern zu schmerzhaften, allergischen Reaktionen der Haut in den Gesichtern, was von ihnen aber überspielt wurde.“
Als die Schauspieler in der Pause in ihren Garderoben saßen und versuchten, die auf der Haut „brennende“ Schminke mit Wasser zu entfernen, war dies nicht möglich – die Masse wurde nur noch tiefer in die Haut eingerieben. Bereits auf der Bühne war es wohl zu Verätzungen der Gesichtshaut gekommen, was die Schmerzen immens verstärkte, wie Dramaturg Roman Kupisch später schilderte.

Die polizeilichen Ermittlungen begannen sofort nach dem Bekanntwerden der Verätzungen. ©T.Pfundtner

Noch während Dorotty Szalma im Gespräch mit Premierengästen war – darunter der bekannte Schauspieler Silvester Groth (Tatort, Polizeiruf) – wurde hinter der Bühne der Notarzt alarmiert und die Schauspieler ins Krankenhaus gebracht.
Dort wurden die Patienten eingehend untersucht. Da aber kein ausgewiesener Hautspezialist an der Stendaler Klinik arbeitet und niemand ausschließen konnte, dass bleibende Schäden der Haut davongetragen werden, wurde beschlossen, die Schauspieler in eine Klinik mit Dermatologie-Abteilung nach Halle zu transportieren. Hier sollten sie noch gestern Mittag von einer Spezialistin untersucht werden.
„Als ich hinter die Bühne gerufen wurde, waren sie bereits auf dem Weg in die Klinik“, erzählt Dorotty Szalma. Ihr, den nicht verletzten sechs anderen Darstellern und Regisseurin Johanna Schall war sofort klar, dass die Vorstellung abgesagt wird.
Öfter als üblich wurde der Pausengong ausgelöst und das Publikum zurück ins Theater gebeten.

Abbruch der Premierenvorstellung und Suche nach der Ursache

Nach der Pause betrat das gesamte unverletzte Ensemble die Bühne.©T.Pfundtner

Zur Verwunderung aller wurde „Das große Heft“ nicht fortgesetzt – stattdessen betraten Dorotty Szalma und das Team die große Bühne. Mit Tränen in den Augen verkündete Dorotty Szalma: „Heute ist hier etwas passiert, was wir alle hier noch nie erlebt haben. Es zwingt uns aber, die Vorstellung abzubrechen.“ Auf Nachfrage aus dem Publikum erklärte sie, was sich in den letzten Minuten ereignet hatte und bat um Verständnis, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sagen zu können. Arm in Arm verließ die entsetzt und erschütternd wirkende Gruppe die Bühne, während das Publikum ins Foyer strömte. Allerdings ging kaum einer der Gäste. Im Gegenteil: An den Tischen der Bar wurde der Vorfall diskutiert und besprochen.
Viele konnten sich nicht vorstellen, dass die Theater-Asche der Auslöser gewesen sein sollte. Zumal am Vorabend sich nichts dergleichen ereignet hatte.
Von den Premierengästen fast unbemerkt erschien dann die Polizei und wurde von Oberspielleiterin Patricia Hachtel in die Garderoben geführt, die hier die Schminke und „ascheähnliche Substanz“ als Beweismittel für entsprechende Untersuchungen sicherstellte. Außerdem wurden Strafanzeigen wegen fahrlässiger Körperverletzung gestellt.

Auf Nachfrage der AZ, wie es den drei verletzten Darstellern gehe, erklären das TdA und das Stendaler Rathaus gemeinsam: Die drei Schauspieler befinden sich weiterhin in ärztlicher Behandlung. „Wir unterstützen die drei Kollegen nach all unseren Kräften, sind in Gedanken bei ihnen und wünschen ihnen baldige Genesung!“

Es werde jetzt alles Erdenkliche unternommen, um zur Aufklärung der Geschehnisse beizutragen. Wegen des laufenden Verfahrens könnten jedoch noch keine Einzelheiten bekanntgegeben werden. - Auch die Stendaler Polizei macht zu dem Vorfall keine näheren Angaben. Reviersprecherin Jana Buch sagte, dass zunächst wegen Fahrlässigkeit ermittelt werde.

Nach der Genesung der Darsteller soll die Premiere wiederholt werden.