Vier Automatensprenger müssen zahlen

 

Ihren Anteil an der Beute kassiert der Staat 

 

Am Mittwoch, 15. Mai 2024 und Donnerstag. 16. Mai 2024, erschien in der  Altmark Zeitung  in den Ausgaben für den Landkreis Stendal im Lokalteil  unter den Überschriften: „Automatensprenger müssen zahlen - Quartett erneut vor Gericht: Ihren Anteil an der Beute kassiert der Staat" sowie „Vier Sprenger müssen zahlen" und „Bundesgerichtshof ordnete neuen Prozess an / Staat kassiert Anteil an Beute" der Gerichtsreport über den Prozess gegen vier Fahrkartenautomatensprenger, die sich auf diesem Wege ihren Lebensunterhalt verdienen wollten.

Dichtes Gedränge auf der Anklagebank ­ die vier Automatensprenger, ihre Anwälte und die bewachenden Justizbeamten wenige Minuten vor Beginn der Verhandlung. ©T. Pfundtner

 

 

Stendal.  Erneut mussten sich gestern (14. Mai) die Automatensprenger vor Gericht verantworten. Patrick H. (damals 26), Jens I. (37) Kevin M. (26) und Matthias G. (35) hatten zwischen Oktober 2021 und Februar 2023 in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Brandenburg Fahrkartenautomaten in die Luft gejagt, um mit der Beute ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und ihre Schulden zu begleichen.

Dafür erhielten sie hohe Freiheitsstrafen zwischen drei und fünf Jahren, die alle mittlerweile rechtskräftig sind.

Zwar hatten die Anwälte von Jens I. und Matthias G. gegen die Urteile Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt, doch diese wurden – bis auf einen Punkt –zurückgewiesen.

In ihrem Urteil hatte die 1. Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Henze-von Staden neben den Haftstrafen, die „Automatensprenger“ auch zu Wertersatz verurteilt. Das bedeutet, sie müssten einen Großteil der Beute in „gesamtschuldnerischer Haftung“ an den Staat bezahlen. Dabei ging es pro Person um Summen bis zu knapp 24.000 Euro.

Diese Entscheidung trug der BGH nicht mit. Grund: Es sei nicht klar ermittelt und belegt worden, welcher Täter tatsächlich die „Verfügungsgewalt“ über das Geld gehabt hatte.

Ob dies tatsächlich der Fall war, musste nun die 2. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Ulrich Galler herausfinden. Vier Verhandlungstage wurden dafür angesetzt.

Bereits wenige Minuten vor neun Uhr wurden die vier „Sprengmeister“ in ziviler Kleidung ins Gericht geführt. Da die Männer sich seit vielen Jahren kennen, gab es lockere Begrüßungen, Lachen und Kurzgespräche. Obwohl nur zwei Täter Revision eingelegt hatten, mussten auch die anderen vor Gericht erscheinen und Richter Galler noch einmal alle Urteile komplett vorlesen. Dabei kamen neue, interessante Einzelheiten ans Licht:

Die ersten Sprengungen der Fahrkartenautomaten auf dem Bahnhof Tangerhütte in der Nacht zum 22. Oktober 2022, erfolgten wenige Stunden nachdem die Männer beschlossen hatten, ihren Lebensunterhalt künftig auf diesem Weg zu bestreiten.

Nachdem alles gutging, wurden die nächsten Ziele – zum Beispiel der Bahnhof in Demker – über Google-Maps ausbaldowert.

Zum nächsten Anschlag fuhren sie oft mit dem Golf von einem der Täter oder aber mit einem gemieteten grünen Peugeot.

Grundsätzlich wurde die Beute gerecht aufgeteilt, wobei der „Rückzahlung von Schulden Vorrang eingeräumt wurde.“ War einer der Räuber lediglich als Fahrer dabei, bekam er auch nur eine „Aufwandsentschädigung“ für die Kilometer, das Bereitstellen des Autos oder die Metwagengebühr.

Obwohl die Männer gut miteinander befreundet waren, kam es vor, dass zwei von ihnen allein loszogen und die Beute vor den Anderen geheim hielten.

Der verurteilte Jens I. zog häufig alleine los und „reiste“ dann stets mit dem Wagen seiner Mutter, einem Toyota, zum Tatort.

Er war es auch, der nicht nur die italienischen „Cobra“-Böller in Osteuropa besorgte und somit dafür sorgte, dass genügend „Explosionsstoff“ zur Verfügung stand.  Dafür reiste er zum letzten Mal am 30. Januar 2022 nach Tschechien.

Interessant auch, dass die Angeklagten für jede nachgewiesene Tat ein eigenes Strafmaß erhielten. Aus der Summe wurde dann die Gesamtstrafe ermittelt. Zum Beispiel bei Jens I. wurden es vier Jahre und sechs Monate, die Gesamthaftstrafe hätte 37 Jahre und zwei Monate betragen.

Nach dem Verlesen der Urteilsbegründungen, teilte Richter Galler mit, dass das Gericht keine weiteren Beweisanträge mehr annehmen würde und deshalb die Staatsanwältin und die Verteidiger ihre Plädoyers halten könnten. Somit ersparte er dem Steuerzahler drei weitere teure Verhandlungstage.

In ihrem Plädoyer wies die Anklage noch einmal darauf hin, dass in den meisten Fällen nachgewiesen werden konnte, wer das Geld aus den gesprengten Automaten genommen habe und dass somit die “Verfügungsgewalt“ klar sei.

Dem widersprachen alle Verteidiger und verlangten, den Wertersatz aus den Urteilen zu streichen

Beiden Meinungen folgte die Kammer nicht. Sie urteilte, dass jeder der Angeklagten zwar nicht gesamtschuldnerisch haftet, aber einen Wertersatz in der Höhe zu leisten hat, der seinem Anteil an der Beute entspricht. Das bedeutet zum Beispiel für Kevin M., dass er anstatt der ursprünglichen 23.900 Euro „lediglich“ 8016 Euro zahlen muss.

Die Urteile sind aber noch nicht rechtskräftig.