Blues Brothers rocken Stendal

 

Jake und Elwood lassen das Theater der Altmark beben

 

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Pause im Stendaler Uppstall-Kaufhaus: Die Zuschauer sind begeistert und diskutieren angeregt.
© Foto: Thomas Pfundtner

 

Sie tragen schwarze Anzüge, schmale schwarze Krawatten, tiefschwarze Hüte und extrem dunkle Sonnenbrillen.

Klingelt da was?

Richtig: Das sind die äußeren Markenzeichen der legendären Blues Brothers – Jake und Elliot Blues.

Der Film, der 1980 in die Kinos kam, begeisterte nicht nur Millionen Zuschauer, sondern ist bis heute Kult.

Woran sich allerdings heute kaum jemand mehr erinnert: Die Geschichte der Blues Brothers begann nicht erst mit dem Siegeszug im Kino, sondern bereits 1973. Damals betrat Komiker John Belushi aus Chicago den Club 505 in Toronto. Die Bar gehörte Dan Aykroyd, der nebenher ebenfalls als Humorist und Komiker auftrat.

Belushi, der auf der Suche nach komischen Talenten war, wollte Dan Aykroyd nach New York holen.  Das klappte zwar nicht auf Anhieb, aber der Grundstein einer langjährigen Männerfreundschaft wurde gelegt. Der Verbindungsmörtel dieser Freundschaft: Die Musik, besonders der Blues, den die komische Knutschkugel Belushi nicht allzu sehr mochte – er stand mehr auf Heavy Metal.

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Noch ist Pause. Schlagzeug, Gitarren und Blasinstrumente „erholen" sich vom BB-Stress.
© Foto: Thomas Pfundtner

 

In New York gehörte John Belushi seit 1975 zum Team der „Saturday Night Life“-Show. Und hier heizten er und Dan Aykroyd als die Blues Brothers seit 1977 das Studiopublikum an. John Belushi, alias Jake Blues, sang Soul Songs aus den Sechzigern, Dan alias Elwood blies dazu Mundharmonika. Das Duo schlug ein wie eine Bombe und so kam es, dass John und Dan aus den Studio-Kunstfiguren eine echte Band machten. Dafür suchten sie Top-Musiker: Steve „The Colonel“ Cropper, Matt “Guitar” Murphy – der Name sagt alles, Donald “Duck” Dunn, Bass sowie der begnadete Saxophonist Lou Marini und seine Trompeter.

Legendär ist bis heute der erste Auftritt der Blues Brothers Band im September 1978 vor 5000 Zuschauern im Universal Amphitheater von Los Angeles.

Dass ein Film über die Blues Brothers entstehen sollte, war eigentlich klar. Nur, wer sollte den Zuschlag bekommen?

Es waren die Universal Studios, die als Regisseur John Landis und als Drehbuchautoren Dan Aykroyd ins Boot holten.

Was allerdings zum „kleinen“ Problem wurde. Aykroyd legte mehr als 300 Seiten vor, üblich ist ein Drittel. Aber Landis frisierte und polierte, bis der Text stand und die Dreharbeiten-Show beginnen konnte. Mit dabei: Ray Charles, Aretha Franklin, Cab Calloway, John Lee Hooker, James Brown. Dazu ein Budget von 17,5 Millionen Dollar, das bereits nach kurzer Zeit überschritten war. Ferner rasante Verfolgungsjagden mit hunderten Polizeiautos, die sich in Schrott verwandelten. Nicht zu vergessen, eine rachsüchtige Geliebte, die mit einer Bazooka auf Männerjagd geht, jede Menge Nonnen und die Mission „Im Namen des Herren“.

In kurzer Zeit spielten die „Blues Brothers" 115 Millionen Dollar ein, was damals ein Riesenerfolg war. Damit nicht genug: Der Film entwickelte sich zum Kult. Eltern gingen mit ihren Kindern ins Kino, oder schoben später eine VHS-Kassette ein. Mittlerweile gibt es mehrere Versionen auf DVD oder im Streaming zu sehen und die Blues Brothers Band feierte auf Welttourneen Erfolge. Es gab später Auftritte bei der Eröffnung der Olympischen Spiele 1996 in Atlanta, beim Super Bowl 1997 gemeinsam mit James Brown und ZZ Top. Die Folge war ein zweiter Film, der aber längst nicht an den Siegeszug des ersten Teils anknüpfen konnte.

Lassen Sie sich treiben und gehen mit mir auf eine nostalgische Blues-Reise ins wilde Chicago, verlegt bin ein leerstehendes Stendaler Kaufhaus...

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Das Blues-Mobil wird auch im Theater der Altmark zur Straßenrakete.

© Foto: Thomas Pfundtner

Die Blues Brothers  feierten in vielen deutschsprachigen Theatern in Österreich, der Schweiz und Deutschland große Erfolge. Sei es als Tourneetheater oder Eigenproduktion. Und nun auch in Stendal. Was dort auf einer improvisierten Bühne im ehemaligen Uppstall-Kaufhaus abgeht, sucht mit Sicherheit seinesgleichen. Fast zweieinhalb Stunden werden die Zuschauer in die Trash-Welt der Blues Brothers und ihrer Mission im Namen des Herren geschleudert. Ruhe und Entspannung im Theatersessel? Fehlanzeige!

Eigentlich wollte ich bereits über die Premiere am 22. Oktober 2022 eine Kritik schreiben. Aus den verschiedensten Gründen konnte ich die „Blues Brothers“ aber erst am 18. November live in Stendal erleben.

Hier schildere ich Ihnen meine Eindrücke, schreibe über die Schauspieler und die Musik.

Diese Blues Brothers garantieren gute musikalische Unterhaltung.

© Foto: TdA/Nilz Böhme

Stendal. Sie sind im Auftrag des Herrn und einer Nonne unterwegs, um für das Waisenhaus, in dem sie aufgewachsen sind, 5.000 Dollar Steuern für das Grundstück aufzubringen: Jake und Elwood Blues, zwei abgehalfterte Bluesmusiker mit schwarzen Anzügen, dunklen Sonnenbrillen und schwarzen Hüten. Sie beschließen, ihre alte Band zu aktivieren und mit Auftritten das Geld zu beschaffen – auch wenn nur ein paar Tage Zeit bleiben. Der Film „Blues Brothers“ wurde Kult. Die Inszenierung von Holger Potocki mit der musikalischen Leitung von Niclas Ramdohr für das Theater der Altmark in Stendal hat alle Chancen, diesen Status zu erreichen!  Aufgeführt im ehemaligen Uppstall-Kaufhaus, da die Sanierungsarbeiten am eigentlichen Theater immer noch nicht abgeschlossen sind, bieten die Musiker, das Ensemble sowie alle an der Aufführung Beteiligten eine über zweieinhalb Stunden dauernde Show, die bisher jede Besucherin und jeden Besucher von den Stühlen riss.

Sicher, es ist unmöglich, eine rasante Verfolgungsjagd durch ein Einkaufszentrum eins zu eins von der Leinwand auf die Bühne zu bringen. Auch ist es dem Theater nicht möglich, das Auto der Illinois Nazis aus luftiger Höhe auf den Boden zu schmettern. All diese spektakulären Stuntszenen, wie wir sie aus dem Film kennen, braucht diese rasante Inszenierung nicht. Stattdessen bedienen sich Holger Potocki und das Ensemble wunderbarer kleiner Tricks, um die Rasanz, den Slapstick und die Mischung aus Musical, Gangsterfilm und Komödie auf die Bühne zu bringen: Die Verfolgungsjagden werden durch auf eine Leinwand geworfene Comicbegriffe, wie „Crash“, „Boom“ oder „Bang“,  und den entsprechenden extrem lauten Geräuschen von quietschenden Reifen, zusammenkrachenden Autos und Motorengeheul untermalt. Wie im Kino bleibt auch den Zuschauenden im Uppstall-Kaufhaus kaum Zeit zum Atem holen, denn kaum ist die Jagd beendet, geht es temporeich weiter.

 Das Besondere: Alle Schlüsselszenen aus dem Kinofilm finden ebenfalls im Theater statt.

In jeder Lebenslage hilft Musik. Manchmal könnte man damit auch Geld verdienen.

© Foto: TdA/Nilz Böhme

Die Sicht auf Frauen hat sich in den Jahren verändert, die Umgangsformen auch. Aber vor allem das Selbstverständnis der Frauen.

In dieser Szene findet ein wunderbarer Monolog mit Filmtiteln von Quentin Tarantino statt. Stress für die Lachmuskeln der Zuschauer.

© Foto: TdA/Nilz Böhme

Die Stendaler TdA-Band hat einen großen Anteil am Erfolg des Stückes.

© Foto: TdA/Nilz Böhme

Da ist zum Beispiel der legendäre Besuch im feinsten Restaurant der Stadt, in dem eines der ehemaligen Bandmitglieder nunmehr als Oberkellner arbeitet. Jake und Elwood Blues wollen ihn für das Comeback „verpflichten“: Sebastian Hammer als Jake Blues, Alexander Frank Zieglarski und Matthias Hinz als Oberkellner übernehmen zwar Impressionen aus dem Film, geben ihrem Spiel aber den nötigen Improvisations- und Theaterraum, der die Leinwand vergessen macht. Es beginnt schon damit, dass die Szene ins Jetzt übertragen wird und Mr. Trump „nicht mehr in diesem Restaurant speist“.  Je penetranter Jake und Elwood die Gäste bedrängen, umso mehr resigniert Matthias Hinz, bricht bei dem Versprechen: „Wenn Du nicht zur Band kommst, besuchen wir Dich hier jeden Tag zweimal“ förmlich über seinem Reservierungsbuch zusammen. So ist es kein Wunder, dass diese Szene nicht nur Begeisterung hervorruft, sondern auch für betretenes Schweigen sorgt. Eine Restaurantbesucherin fleht den Oberkellner an, ihr einen anderen Tisch – weit weg von den schmatzenden und rülpsenden Blues Brothers zu geben: „Sie stinken nach Armut...“

Genial sind auch weitere Verbindungen zu aktuellen Ereignissen aus der Glanz- und Glamourwelt:  Da werden sämtliche Filme des amerikanischen Kult-Regisseurs Quentin Tarantino in einen Dialog mit eingebaut, so dass die Titel einen völlig neuen Sinn bekommen. Auch das Kölner Eau de Cologne 4711 kommt zu neuen Ehren. Und das geht so: Während im Film der Countryclub von einem „Boss“ geleitet wird, steht auf der Bühne eine Wirtin an der Spitze. Aber, was für eine: Susan Ihlenfeld spielt die Country-Chefin als versoffene, Zigarren paffende Wirtin, deren Reibeisenstimme allein schon nichts Gutes vermuten lässt: „Gage?“, fragt sie die Blues Brothers am Ende ihres Auftritts hinter Gitterzäunen, „Die Gage beträgt 300 Dollar. Ihr habt für 347,11 Dollar getrunken. Also schuldet ihr mir 47,11" ... Eau de Cologne lässt grüßen.

Apropos Zeit: Die Blues Brothers des TdA sind im Heute in göttlicher Mission unterwegs. So reagieren auf der Bühne Frauen völlig anders – aber eben zeitgemäß – als noch 1984, als der Film auf die Leinwand kam. Das sorgt immer wieder für Überraschungen und verblüffende Momente.

Dies fällt auch bei den Altmärker „Illinois Nazis“ auf. „Alle raus, die anders sind“, hämmern sie im Sekundentakt auf Jake und Elwood ein. Egal, was sie auch dagegen vorbringen, die Parteiführerin der rechtsradikalen Truppe dreht jedes Argument, jedes Wort so um, wie sie es für ihre rechte Propaganda braucht. Giulia Haas spielt dies so brillant entlarvend und reduziert, dass es rechtsaußen auf der Bühne sehr, sehr eng wird...

140 Minuten vergehen mit den Blues Brothers wie im Fluge. Daran haben auch die Musiker einen riesengroßen Anteil: Insgesamt 18 Songs werden live gespielt. Im Gegensatz zur Leinwandmusik wird jeder Titel bis zur letzten Note intoniert. Sogar deutsche Lieder sind dabei. Wenn Sie sich jetzt fragen, warum das so ist, kann ich Ihnen nur empfehlen, sich Tickets für diese einmalige Show zu besorgen.

Mein Fazit: In Stendal leben die Blues Brothers von 1984 wieder auf. Das gelingt aber nur, weil sich die Inszenierung vom Film verabschiedet hat und auf unzählige eigene Elemente, Ideen und die heutige Zeit setzt. Mit diesen drei Pfeilern gelingt etwas ganz Seltenes: Der Zuschauer verliert vom ersten Moment an jegliches Argument, die Bühnenshow mit dem Film zu vergleichen. Im Gegenteil – umgekehrt wird ein Schuh draus. Und da schneidet die Bühne hervorragend ab.

Inszenierung:

Inszenierung: Holger Potocki 
Musikalische Leitung: Niclas Ramdohr
Bühne und Kostüme: Sofia Mazzoni
Choreografie: Nigel Watson
Dramaturgie: Tristan Benzmüller

Die Mitwirkenden am Theater der Altmark sind sehr wandlungsfähig und vielseitig.

Giulia Haas reißt die Zuschauerinnen und Zuschauer immer wieder zu spontanem Beifall hin.

© Foto: TdA/Nilz Böhme

Schauspieler:

Elwood Blues: Alexander Frank Zieglarski
Jake Blues: Sebastian Hammer
Justizbeamter / Curtis / Mrs. Tarantino / Polizist / Bandleader der Good Ol’ Boys / Parteiführerin: Giulia Haas
Pinguin (Nonne) / Mystery Woman / Mrs. Palmer / Wirtin / Häftling: Susan Ihlenfeld
Monty / Justizbeamter / Cleophus / Mr. Fabulous / Maury Sline / Präsident von Clarion Records: Matthias Hinz
Murphy: Niclas Ramdohr

Alle Darsteller und alle Chormitglieder verdienen sich bei jeder Vorstellung die Note 1 auf’s Neue und beweisen: Auch auf kleinen Landesbühnen findet großes Theater statt!

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Diese Instrumente bedienen echte Könner!

© Foto: TdA/Nilz Böhme

Die Band:

Thoralf Radde: Saxophon

Torsten Hünemöller: Trompete

Sebastian Socha/ Felix Hünemöller: Trompete

Sebastian Schulze: Gitarre

Niclas Ramdohr: Keyboard

Lars Düseler: Bass

Benjamin Ulrich: Schlagzeug

Musikalische Leitung: Niclas Ramdohr

Meine Meinung: Diese Band spielt viele Hitlieferanten problemlos an die Wand und gehört auf Tournee. Ich würde die Prognose wagen: Auch diese Musiker rocken eine Halle mit 5000 Leuten!

Ein ganz besonderes Lob geht an Niclas Ramdohr. Seine Interpretation von Minnie the Moocher - einer der wichtigsten Songs im Film - steht der des legendären Cab Calloway in nichts nach. Schlicht und einfach perfekt!