Anders Levermann

 

Nur wenn die ganze Welt an einem Strang zieht, ist unser Planet noch zu retten!

Thomas Pfundtner im Gespräch mit Klimaforscher Anders Levermann.

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Vor der Weltklimakonferenz in Bonn vom 6. bis 17. November 2018, zu der über 25000 Teilnehmer erwartet wurden, sprach stadtgottes-Autor Thomas Pfundtner mit Professor Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung über den Klimawandel, die Ursachen und die Folgen.

Dieses Gespräch wurde in der katholischen Zeitschrift stadtgottes, deren Erscheinen inzwischen eingestellt wurde, schon im November 2018 veröffentlicht. Der Gesprächsinhalt ist aber aktueller denn je. Die Diskussionen über das Thema zeigen zeitweise sehr konträre Positionen auf. So steht auch Anders Levermann mit seinen Ansichten in der Kritik. Sein neustes Buch „Die Faltung der Welt“ haben wir hier vorgestellt.

Anders Levermann (44) wurde 1973 in Bremerhaven geboren und studierte nach dem Abitur Physik in Kiel. 1999 schloss er das Studium mit einer Arbeit zur Kontrolle räumlich ausgedehnter chaotischer Systeme ab. Sein wissenschaftlicher Doktorgrad (PH.D.) in theoretischer Physik wurde ihm 2003 vom Weizmann Institut in Israel verliehen. Noch im gleichen Jahr begann er am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu forschen. 2006 erhielt er zusätzlich eine Jungprofessur am physikalischen Institut der Universität Potsdam, wurde ein Jahr später Professor für die Dynamik des Klimasystems. Seit 2012 leitet Anders Levermann den Forschungsbereich Nachhaltige Lösungsstrategien des Instituts in Potsdam. Seit zwei Jahren forscht er auch zusätzlich an der New Yorker Columbia University.

Professor Levermann war Koautor des vierten Sachstandsberichts des UN-Weltklimarats (IPCC), der 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Extreme Überschwemmungen. Langanhaltende Dürren und Trockenheit. Taifune und andere schwere Stürme – die Wetterphänomene rund um den Globus werden immer extremer. Schuld daran ist der Klimawandel, der unseren schönen Planeten immer wärmer werden lässt. Seit dem Abkommen von Paris, in dem sich 195 Staaten verpflichteten, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf „weit unter“ zwei Grad Celcius zu beschränken, wuchs die Hoffnung, dass der Klimawandel gestoppt werden könne. Jetzt hat US-Präsident Donald Trump, dem Plan, den CO2-Ausstoß zu senken einen Dämpfer erteilt, indem er verkündete, nach wie vor auf Kohle zu setzen. Zwar steht er damit in der Welt und auch bei Bundesstaaten in Amerika ziemlich allein da, aber für die Klimaziele ist seine Haltung ein Rückschritt.

 

Der Abschied von fossilen Brennstoffen ist unabdingbar 

Anders Levermann geht sehr engagiert auf die Fragen im Gespräch ein.

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Herr Levermann, ist die Welt noch zu retten? 

Klar. Allerdings müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch verringern, wenn wir die Klimarisiken wirklich begrenzen wollen.

Wie soll das gehen?

Wir müssen uns konsequent von fossilen Energien, also von Kohle, Gas und Öl verabschieden und auf erneuerbare Energien setzen. Besonders das Verfeuern von Kohle muss aufhören, und zwar schnellstens. Kohle ist der schmutzigste Brennstoff, und von ihr ist so viel da, dass der Planet durch sie irgendwann um unglaubliche 15 Grad erwärmt werden könnte. Gas und Öl machen auch einen großen Teil aus, aber das größte Problem ist die Kohle.

Was passiert eigentlich ganz genau bei der Erderwärmung?

Wenn Sie die gesamte Erde betrachten, ist das sehr einfach: Die Sonne erwärmt den Planeten, und ein Teil dieser  Wärme wird von der Erde ins Weltall zurückgestrahlt. Das war 10 000 Jahre in einer wunderbaren Balance. In dieser Zeit – wir sprechen von Warmzeit – entstand unsere Zivilisation, die sich immer rasanter weiterentwickelt. Heute jedoch verbrennen wir ungehemmt viel Kohle, Öl und Gas– und stoßen damit Unmengen Kohlendioxid aus. So legen wir eine Art riesige Bettdecke um den Planeten. Die Folge: Die Energie kann nicht nach oben entweichen. Deshalb erwärmt sich der Planet weiter und weiter, um den Druck aufzubauen, der nötig ist, die Wärme zurück in den Kosmos zu bringen. Die Folge: Wir sind  jetzt auf dem Weg aus einer Warmzeit in eine Heißzeit.

Was heißt das?

Bisher hatten wir die letzten 800 000 Jahre immer abwechselnd eine Eis- und eine Warmzeit. Der Unterschied betrug immer etwa fünf Grad. Wenn wir den Treibhaus-Ausstoß nicht dramatisch verringern, gehen wir in eine Heißzeit über, die nochmal fünf Grad wärmer ist als die Warmzeit. Das gab es zuletzt bei den Dinosauriern. Jetzt macht der Mensch das Gleiche, nur hundertmal schneller als die Natur es kann. Diese Heißzeit mit der deutlichen Steigerung um über fünf Grad  kann noch in diesem Jahrhundert passieren und sehr lange Bestand haben, wenn wir nichts dagegen tun.

Tatsächlich haben wir durch den CO2-Ausstoß die nächste Eiszeit, die erst in 40 000 Jahren wäre, bereits verhindert. Der Mensch ist also schon jetzt eine geologische Macht, wenn Sie so wollen.

Welche Folgen des Klimawandels können wir bereits jetzt beobachten?

Gerade erst ist im antarktischen Schelfeis ein über eine Billion Tonnen schwerer und 5800 Quadratkilometer großer Eiskoloss  abgebrochen. Das werden wir in Zukunft häufiger sehen. Aber auch die Arktis schmilzt. In den nächsten Jahren wird immer mehr arktisches Meereis verloren. Der Nordpol wird in den nächsten 30 Jahren praktisch eisfrei sein. Das wird den Ozean und seine Ökosysteme  komplett verändern. Aber auch geopolitisch wird es Folgen haben, weil das arktische Meer zwischen den beiden Atommächten USA und Russland dann schiffbar wird. Vor allem aber ist die Arktis die Wetterküche für die Nordhalbkugel, auch für uns in Europa. Schwindet hier das Eis, verändern sich die Luftdrucksysteme, die großen Windströme. Letztlich kann es bei uns zu mehr Wetterextremen kommen..

Wird sich durch die Eisschmelze der Meeresspiegel erhöhen? 

Nicht durch das Schmelzen des arktischen Meereises, denn das schwimmt; aber natürlich durch das langsame Schmelzen von Grönlands Eismassen und der Antarktis und durch das im Vergleich rasche Tauen von fast allen Gebirgsgletschern, ja. Vielleicht um einen Meter noch in diesem Jahrhundert, da müssten wir schon viele Deiche erhöhen. Es gibt eine Faustformel, die besagt, dass pro einem Grad Erderwärmung letztlich mit einem Meeresanstieg von 2,5 Metern gerechnet werden muss – nicht sofort, aber unerbittlich, wenn wir die Erdtemperatur weiter steigen lassen. Die größten Wassermassen lagern im Eis der Antarktis. Es dauert sehr, sehr lange, bis wir das abgetaut haben. Aber wenn wir bestimmte Schwellenwerte überschreiten, kann es sein, dass das ein unaufhaltsamer Prozess wird. Deshalb  müssen wir uns heute schon fragen, ob wir Städte wie Hamburg, Amsterdam, Shanghai, New York oder Kalkutta behalten wollen oder eines Tages dieses Kulturerbe dem Meer opfern, weil wir nicht konsequent gegen den Klimawandel vorgehen.

Ein weiteres Folge-Beispiel bitte...

Das derzeitige Korallensterben in den Tropen folgt tatsächlich ziemlich präzise allen wissenschaftlichen Vorhersagen. 800 Millionen Menschen auf der ganzen Welt hängen mit ihrer Lebensversorgung an Korallen – diese sind wichtig für Tourismus, Küstenschutz, indirekt für die Fischerei. Wir haben derzeit eine globale Erwärmung von 1,2 Grad, örtlich auch mehr – auf Dauer zu viel  für Korallen. Vor zehn Jahren wären noch die Verschmutzung der Meere und Überfischung das größte Problem für Korallen geworden. Jetzt ist es der Klimawandel.

Das erklären Sie uns.

In den Korallen leben einzellige Algen. Die Korallen düngen ihre Algen mit Stoffwechselabfällen und erhalten dafür einen Teil der pflanzlichen Photosyntheseprodukte. Das kommt dem starken Lichtbedürfnis  der Korallentiere sehr entgegen.

Diese Symbiose hat über Millionen Jahre funktioniert...

...und heute?

Mittlerweile können sich die meisten Korallenarten nicht mehr vom Planktonfang ernähren und sind auf die Algen angewiesen. Dummerweise aber stoßen die Korallen diese bei einer zu hohen Wassertemperatur aus. Wenn sich das Wasser aber nicht ganz schnell wieder abkühlt, verhungern die Korallen. Da die Algen auch zuständig für die Korallenfarben sind, ist der Hungertod auch als Korallenbleiche zu sehen. Wenn das zu oft passiert, geht ein Korallenriff kaputt wie wir gerade beim australischen Great Barrier Reef sehen.

Eine weitere Bedrohung für die Korallen sind natürlich tropische Wirbelstürme, die infolge der dramatischen Klimaveränderungen häufiger und massiver auftreten. Auch unter Wasser hinterlassen die Stürme eine Schneise der Verwüstung, denn die aufgewühlte See kann bis in 30 Meter Tiefe über Jahrzehnte gewachsene Korallenbänke zerstören.

Was passiert noch durch den Klimawandel?

Der Permafrost taut auf. In Kanada und Sibirien gibt es riesengroße Gebiete, in denen es früher keine biologische Aktivitäten im Boden gab, da dieser permanent gefroren war. Deshalb reden wir von Permafrost. Wenn nun die bislang ständig gefrorenen Erdschichten tauen, fangen die Bakerien im Boden wieder an zu arbeiten. Und es entsteht ein Treibhausgas. Allerdings statt CO2 nun Methan, CH4, weil in den aufgetauten Böden nur Matsch, aber kein Sauerstoff ist. Methan  aber ist zwanzigmal stärker klimawirksam als CO2. Wenn also der Permafrost auftaut, erwärmt sich unsere Erde noch schneller. Wodurch mehr Permafrost taut – und so weiter.

Der Klimawandel wird oft immer noch ignoriert. 

Ja, das stimmt. Es wird auch ignoriert, dass die Armutsprobleme und die Ungleichheit eng mit dem Klimawandel verbunden sind. Die armen Länder sind nicht die Verursacher des Klimawandels, aber sie leiden am meisten darunter. Mir ist es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass auch reiche Industrienationen wie Amerika, Deutschland oder die wohlhabenden Länder Asiens den Wandel zunehmend spüren werden. Wir leben in einer globalisierten Welt und können uns nicht mehr einfach vor den Folgen des Klimawandels verstecken. Wenn am anderen Ende der Welt ein tropischer Wirbelsturm Fabriken zerstört, dann wandert die Wirkung über die internationalen Lieferketten bis in deutsche Unternehmen. Aber es bleibt auch eine Tatsache, dass ärmeren Länder oft das Geld fehlt, sich vor den Folgen zu schützen. Das ist ungerecht. Umgekehrt bedeutet das aber auch, wenn der Schutz vor dem Klimawandel gerecht sein soll, müssen wir zwangsläufig versuchen, auch die Armut zu verringern.

Es gibt gute Studien, die zeigen: Der Klimawandel kann auch, etwa durch Dürren und deren Auswirkung auf Ernten, örtlich bewaffnete Konflikte anheizen. Was wiederum dazu führen kann, dass dann von dort die Menschen fliehen.

Glauben Sie, dass deshalb aktive Hilfe und Unterstützung vor Ort nötig ist, um bestimmte Katastrophen vielleicht zu verhindern?

Davon bin ich überzeugt.  Die Anpassung an den Klimawandel hat unterschiedliche Aspekte. Da ist der regionale Schutz. Das bedeutet beispielsweise, dass in Dürregebieten Brunnen gebaut werden. Oder Deiche, um vor Überflutungen zu schützen. Hier sind viele soziale oder auch staatliche Organisationen ja schon sehr aktiv.

Auch die Infrastruktur von Städten muss künftig so ausgelegt sein, dass etwa Landrutschungen kein Problem mehr sind. Das sind einige Beispiele für regionale Unterstützung vor Ort.

Fakt ist: Unser Planet ist nur zu retten, wenn die ganze Welt an einem Strang zieht. Die Religionen können hier eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Schöpfung spielen.

Um das zu unterstützen,  ist aber ein Umdenken auf vielen politischen oder sozialen Feldern nötig.

Genau. Aber es gibt ein paar Dinge, bei denen der gesunde Menschenverstand sagt: Das ist einfach richtig. Eines dieser Dinge ist, dass die sozialen Unterschiede, wie sie gerade auf der Erde existieren, nicht gerecht sein können. Das bedeutet natürlich nicht, dass alle Menschen das Gleiche bekommen sollen. Es bedeutet einfach, die Unterschiede zu verringern. Der Klimawandel verstärkt bisher noch den Unterschied zwischen arm und reich. Hier muss energisch umgedacht werden.

Können wir überhaupt auf Kohle, Gas und Öl verzichten?

Ja. Wir wissen, dass die Sonne viel mehr Energie auf unseren Planeten schickt, als wir benötigen. Die entscheidende Frage ist nur, wie können wir diese Energie „ernten“? Aber diese Frage ist auch schon beantwortet. Es stehen eine Reihe von Technologien zur Verfügung.

Eine Möglichkeit ist, dass mit der Sonnenenergie etwas erwärmt wird. Das wird im Nahen Osten teils gut praktiziert. Dort wird das Wasser, das zum Kochen oder Duschen gebraucht wird, von der Sonne erwärmt.

Der andere Weg ist, die Sonnenenergie zum Beispiel über Photovoltaikanlagen in Strom umzuwandeln. Erinnern Sie sich noch an die rasante Entwicklung der Computertechnologie und der Speicherchips? Rechner wurden immer schneller, Speicherkapazitäten immer größer, Handys immer kleiner und alles zusammen immer billiger. Genau in diesem Tempo entwickelt sich seit zehn Jahren die Solartechnologie. Sie ist derzeit tatsächlich  eine der am schnellsten lernenden und sich verändernden Technologien.

Dann haben wir die Möglichkeit, Sonnenenergie über Windkraftanlagen zu nutzen, denn Wind entsteht letztendlich durch die Kraft der Sonne.

Daneben gibt es noch Geothermie, Wasserkraft und anderes. Auch Bioenergie ist letztendlich Sonnenenergie. Eine ganze Reihe von Technologien sind also bereits vorhanden.

Hat Deutschland den Ausstieg aus der Kohle geschafft oder sind wir nur auf dem Weg?

Wir sind hoffentlich auf dem Weg, müssen aber unseren Schritt festigen und beschleunigen. Angela Merkel hat sich im Sommerinterview der ARD öffentlich zum Ausstieg aus dem Abbau der besonders klimaschädlichen Braunkohle bekannt. Zwar ohne ein konkretes Ausstiegsdatum zu nennen. Aber sie mahnte an, alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in den betroffenen Gebieten zu suchen. Großbritannien hat den Ausstieg bereits beschlossen. Der Ausstieg aus der Kohle ist eine absolute Notwendigkeit – und zwar weltweit, wenn wir die größten Klimarisiken noch vermeiden wollen..

US-Präsident Trump will den Kohleabbau forcieren.

Das wäre schlecht für das weltweite Klima. Wenn Donald Trump wirklich ins Kohle-Zeitalter zurückfällt, wird Amerika bald ein Problem bekommen und zwar ein wirtschaftliches. Derzeit werden überall unter Hochdruck Systeme und Technologien für die Umstellung auf erneuerbare Energien entwickelt – auch im wirtschaftlich konkurrierenden China. Wenn Amerika da nicht vorne dabei ist, wird sich das sicher rächen.

Jeder hat Verantwortung für unseren Planeten

Das neue Buch von Anders Levermann.

© Ullstein Verlag

Immer mehr Menschen protestieren gegen Windparks. In Altstadtbereichen dürfen keine Photovoltaikanlagen auf die Dächer. Sind diese nötigen Alternativen überhaupt durchzusetzen?

Grundsätzlich sind wir uns doch alle einig, dass eine funktionierende  Energieversorgung lebensnotwendig ist. Und ein Kohlekraftwerk oder ein Tageabbau sind auch nicht besonders schöne Anblicke und Photovoltaikanlagen gehören auch nicht unbedingt in die Altstadt.

Wir müssen aber vor allem lernen, die Versorgung durch regenerative Energien überregional, ja sogar international zu betrachten, und entsprechend handeln. Die verantwortlichen Politiker und Konzerne müssen Regionen finden, wo Windkrafträder oder große Photovoltaikanlagen problemlos stehen können. Ohne dass es die Menschen stört oder die Umwelt zerstört.

Niemand sagt, Energieversorgung ist unproblematisch. Aber sie ist eine weltweite Notwendigkeit.

Länder wie China, die USA, Russland oder auch eine Region wie die Sahara besitzen unglaublich viele Gebiete, in denen keine Menschen leben. Dort könnte die Energiegewinnung erfolgen und in Strom umgewandelt werden, der ja dann auch nur weitertransportiert wird. Noch einmal: Nicht jedes Dorf braucht seine eigene Stromversorgung, überregionale Lösungen sind die Zukunft. Auch um Schwankungen, wie sie bei erneuerbaren Energien immer wieder vorkommen, auszugleichen.

Was kosten uns Klimawandel und -schutz?

Viel. Aber, schon jetzt kann gesagt werden, dass uns der ungebremste Klimawandel teurer zu stehen kommen würde als wirksamer Klimaschutz.

Wirtschaftsforscher haben berechnet, dass die Umstellung der kompletten Energie-Wirtschaft auf erneuerbare Energien genauso viel kostet, wie wir bisher für die Schäden zahlen, die durch extreme Wetter-Ereignisse entstehen. Und die würden mit einem weiteren Anstieg der globalen Erwärmung zunehmen. Alle 10 Jahre blättern wir bereits jetzt weltweit mehr als eine Billion US-Dollar für Wetterschäden auf den Tisch, also 10 Billionen in 100 Jahren. So viel kostet die Umstellung auf erneuerbare Energie.

Eine deutsche Versicherung hat bereits vor einigen Jahren gesagt, wenn wir so weitermachen wie bisher, dann enden wir in einer Welt, in der Wetterschäden nicht mehr versichert werden...

Was kann der Einzelne tun, um seiner Verantwortung für den Klimaschutz gerecht zu werden?

 Öfter das Fahrrad nehmen statt das Auto.  Bahnfahren statt fliegen. Statt täglich Billigfleisch essen - zurück zum Sonntagsbraten. Aber das kann eben nicht jeder machen, wenn die Lebensumstände es nicht zulassen. Aber, was jeder tun kann, wenn er gegen den Klimawandel ist: Das Problem ernst nehmen und standhaft bleiben! Die Forderung an Politik und Wirtschaft, das Problem des Klimawandels konsequent anzugehen und zu lösen, aufrecht erhalten. Überall. Politiker wollen wiedergewählt werden, die Wirtschaft will einen guten Ruf bei ihren Kunden. Wenn der Druck  auf sie bleibt, dann bewegt sich auch etwas. Die eigene Meinung ist frei und umsonst. Wenn Politikern und Konzernen klar ist, dass der Bevölkerung der Klimawandel wichtig ist und man damit punkten kann, dann ist das ein wichtiger Beitrag.

Oft entsteht der Eindruck, dass trotz des Pariser Abkommens wenig passiert...

Das täuscht. Bei einem riesigen Tanker bekommen Sie es anfangs auch kaum mit, wenn er langsam gedreht wird. So ist es mit dem Klimaschutzabkommen. Es wurde vereinbart, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten. Und es wurde beschlossen, dass die nationalen Anstrengungen alle fünf Jahre auf den Prüfstand kommen. Dann muss nachgebessert werden, und es können nur immer strengere Ziele festgelegt werden.

Auch die Energieunternehmen in Deutschland oder China entwickeln neue Strategien und stellen sich neu auf. Es bewegt sich also wirklich etwas. Die Umstellung auf erneuerbare Energien kann eine neue industrielle Revolution auslösen, wir spüren es vielleicht nur noch nicht.

Die letzten drei Jahre waren die wärmsten, seit Einführung der Temperaturmessungen vor mehr als hundert Jahren. Können  Sie eigentlich vorhersagen, wo es zu einem Zeitpunkt X am wärmsten  sein wird?

Nein. Die Daten der Wetterstationen, Flugzeug- oder Satellitenmessungen und unsere Modelle reichen nicht aus, um Extremwetterlagen langfristig vorherzusagen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen Wetter und Klima. Wann genau und wo genau eine Hitzewelle anrollt oder Starkregen niedergeht, lässt sich bislang nicht berechnen. Aber dass es mehr oder heftigeres Extremwetter gibt, schon heute und mehr noch mit zunehmendem Klimawandel, das ist wissenschaftlich klar fassbar. Das ist Grundlage für die Entscheidung, ob wir weiter Treibhausgase ausstoßen wollen oder nicht. Und es hilft beim Planen von Anpassung, ganz konkret in Berlin wird zum Beispiel daran gearbeitet, dass Starkregen besser versickern kann und die Kanalisation nicht zum Kollaps bringt. Langzeit-Wettervorhersagen wären natürlich toll, aber es gibt eine Grenze der Vorhersagbarkeit von Wetterphänomenen, weil das Wetter chaotisch ist, wie wir Physiker sagen. Das Klima ist nicht chaotisch.

Stößt die Forschung da an ihre Grenzen oder werden diese langfristigen Vorhersagen doch eines Tages möglich sein? 

Die mittlere Temperatur des Planeten können wir für hundert Jahre voraussagen, wenn wir den menschengemachten Treibhauseffekt mit einberechnen. Aber langfristige Klimavorhersagen, die so genau sind, dass sie auch bestimmte Wetterphänomene einschließen, sind eine große Herausforderung für die Wissenschaft. Es gibt Kollegen, die daran arbeiten. Das wird aber noch lange dauern. Wir müssten den Zustand des Planeten ganz genau kennen – überall, in jedem Winkel. Die Computermodelle müssten noch feiner und genauer sein als bisher, damit wir ein paar Jahre im Voraus sagen können, ob der Winter besonders kalt wird oder der Sommer besonders warm.

Wir leben in einer Zeit rasanter technologischer Entwicklungen und Veränderungen. Noch vor hundert Jahren dauerte alles länger und es ging bedächtiger zu. Macht Ihnen die rasante Entwicklung Angst?

Nicht wirklich. Ich glaube, dass sich die Gesellschaft im Allgemeinen nach vorne entwickelt. Die Welt ist heute eine bessere als vor fünfzig oder hundert Jahren. Aber, derzeit geht alles immer schneller und die Menschen haben Grenzen der Geschwindigkeit, die sie aushalten können. Wir alle müssen aufpassen, dass die Menschlichkeit nicht verloren geht. Da sind wir gefordert. Jeder Einzelne! Jeden Tag!