Haftstrafe oder Zwangseinweisung

Aggressiv und brutal: Stadtbekannte Salzwedeler Straftäterin muss sich vorm Landgericht verantworten

 

 

 

Nicki P., die von zwei Mitarbeitern der Klinik in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wurde, wartet neben ihrem Anwalt Carsten Meyer auf den Beginn der Verhandlung. ©T. PFUNDTNER

Stendal – Vor der 1. Großen Strafkammer am Landgericht Stendal unter Vorsitz von Richterin Simone Henze-von Staden begann gestern der Prozess gegen Nicki P. aus Salzwedel, die in der Stadt nicht nur bei der Polizei immer wieder negativ auffiel. Durch ihr aggressives und teilweise brutales Verhalten soll die 27-Jährige zwischen April 2022 und Juli 2023 immer wieder – teilweise – massiv handgreiflich geworden sein.

Alles begann am 24. April vor zwei Jahren: Damals soll P. an der Tür von Christiane E. geklingelt haben. Als diese öffnete, soll sie auf die junge Frau eingeschlagen und ihr Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben. Grund: Angeblich hatte E. der Angeklagten fünf Euro gestohlen, die sie nun möglicherweise mit Gewalt einforderte.

Nur einen Monat später randalierte Nicki P. vor einem Mehrfamilienhaus, für das sie Hausverbot hatte. Als zwei Polizisten anrückten, wehrte sie sich auf höchst aggressive Art und Weise, sprühte unter anderem der jungen Beamtin Xenia R. (Name von der Redaktion geändert) Pfefferspray in die Augen. Diese, so urteilte später eine Richterin am Landgericht Stendal, habe daraufhin auf P. eingetreten und verurteilte sie deshalb zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Im Januar 2023 wurde die Angeklagte gleich zweimal auffällig: Erst zoffte sie sich mit einem Zechkumpan und soll ihm eine Flasche auf den Kopf geschlagen haben. Einige Tage später wurde nach einem ausgiebigen Trinkgelage der nächste Mann ihr Opfer – ohne ersichtlichen Grund soll sie ihn verprügelt, gebissen und gekratzt haben.

Damit nicht genug: Einmal versuchte P. stark alkoholisiert und unter Drogen stehend, ein Auto zu klauen. Als das nicht gelang, soll sie immer wieder gegen einen Kotflügel getreten haben. Und sogar eine Freundin, bei der sie eine Zeitlang wohnte, soll den Aggressionen der Angeklagten zum Opfer gefallen sein.

Alles Vorfälle, die normalerweise nach den üblichen Verfahren be- und verurteilt werden. Doch bei Nicki P. ist das anders. Der Anklage zufolge soll sie unter anderem ADHS haben und wegen Alkohol- und Cannabissucht sich bei ihren Taten „im Zustand der Schuldunfähigkeit“ bewegen, wie es in den Akten heißt.

Daher wurde sie bereits am 12. Dezember vergangenen Jahres durch eine vorläufige Unterbringungsverfügung (was einem Haftbefehl entspricht) in das Fachkrankenhaus Uchtspringe eingewiesen.

Mit dieser Maßnahme soll vermieden werden, dass ein mutmaßlicher psychisch erkrankter Täter, mögliche Beweise vernichtet oder weitere Straftaten begeht.

Öffentlichkeit bis zum Urteil ausgeschlossen

Nun muss die Kammer sich an sieben Verhandlungstagen ein Urteil darüber bilden, ob nach § 63 STGB eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik beschlossen werden muss oder die Angeklagte doch „normal“ zu verurteilen ist. Das ist auch der Grund, warum der Fall nicht in Salzwedel verhandelt wird, denn die Sicherungsverwahrungen dürfen ausschließlich vor Landgerichten verhandelt werden. Der Grund: Sollte es dazu kommen, wird der Betroffene erst entlassen, wenn er als geheilt gilt und keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellt. Ein Zeitrahmen wird also nicht festgelegt, sodass einmal im Jahr über den Zustand des Patienten neu entschieden werden muss.

Da zu erwarten ist, dass während der Verhandlung Aspekte über Nicki P.s psychischer Erkrankung behandelt und analysiert werden, wurde nach längerer Beratung die Öffentlichkeit bis zum Urteil ausgeschlossen, um die Angeklagte zu schützen.

Insgesamt wird es also kein leichtes Verfahren für die Angeklagte und das Gericht, sondern auch für Xenia R. Sie muss nämlich als Zeugin aussagen.

Zur Erinnerung:  Für ihre Tritte gegen Nicki P. wurde sie erst vom Amtsgericht freigesprochen. Nach Einspruch der Staatsanwaltschaft kam es vor dem Landgericht zu einem neuen Verfahren, in dem sie verurteilt wurde. Und nun trifft sie noch einmal auf ihr vermeintliches Opfer und auf die Richterin, die sie damals verurteilte: Julia Rogalski, die in diesem Prozess als Berichterstatterin auf der Richterbank sitzt.