Exklusiv: Kezhias Freunde erzählen

 

Eine Mütze machte Tino B. sofort verdächtig

 

Dieses Foto von Kezhia ließ der Freundeskreis auf Sweatshirts drucken, mit denen sie zur Urteilsverkündung kamen.@Freundesgruppe Kessy

 

Kezhias Freunde arbeiten das Geschehene auf
Klötze – Vor einem Jahr ist die 19-jährige Kezhia H. aus Klötze von ihrem Freund ermordet worden. Die „Freundesgruppe Kessy“ erzählte der Altmark-Zeitung exklusiv, wie die 17 Frauen und Männer in den ersten Tagen ihres Verschwindens nach Kezhia gesucht haben, warum eine Wollmütze Tino B. schnell verdächtig machte, wie schließlich nach dem Fund der sterblichen Überreste getrauert wurde und wie sie den Gerichtsprozess wahrgenommen haben, dem sie bei jedem Verhandlungstag beiwohnten. In zwei Teilen arbeitet die „Freundesgruppe Kessy“ das Geschehene auf. Lesen Sie im ersten Teil, wie Kezhias Freunde die Suche nach der jungen Frau organisiert hatten, und im zweiten Teil am Montag, dem Jahrestag von Kezhias Ermordung, wie ein Stein ins Rollen kam.

In der  Altmark Zeitung in den Ausgaben für den Landkreis Stendal und den Altmarkkreis Salzwedel erschien am Samstag, dem 2. März im Teil für Lokales unter der Überschrift „Kezhias Freunde erzählen Mord an Klötzern jährt sich – Eine Mütze machte Tino B. sofort verdächtig“  exklusiv die persönliche Rückschau von Freunden der jungen Frau auf die Zeit des Vermissens und der schmerzlichen Erkenntnis, dass die Freundin Kezhia niemals wiederkommen wird.

Gerichtssaal 218 im Landgericht Stendal – hier verfolgten Freunde und Familie den Prozess gegen Kezhias Mörder.@ T.Pfundtner

Vor genau einem Jahr – am 4. März 2023 – wurde die damals noch 19-jährige Kezhia H. aus Klötze von ihrem Freund mit 32 Messerstichen bestialisch getötet. Es dauerte über einen Monat, bis ihre sterblichen Überreste gefunden wurden und der Täter in U-Haft kam. Bis zuletzt leugnete der verheiratete Tino B., etwas mit der Tat zu tun zu haben. Obwohl der Vater von drei Kindern immer wieder versuchte, falsche Spuren zu legen und nur das zugab, was man ihm nachweisen konnte, brach sein aus Lügen aufgebautes Kartenhaus mit dem Finden von Kezhias Leiche in sich zusammen und er wurde verhaftet. In einem spektakulären Prozess vor dem Landgericht Stendal konnte die Staatsanwaltschaft beweisen, dass Tino B. der Mörder von Kezhia H. ist. Dafür wurde er zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Unter den Zuschauern im Gericht saß eine Gruppe von Frauen und Männern, die an jedem Verhandlungstag dabei waren – die „Freundesgruppe Kessy“. In einem Exklusiv-Gespräch mit der AZ berichten sie ausführlich, wie nahe ihnen Kezhia stand, wie eng sie mit der Familie in Kontakt sind und was sie alles unternahmen, um den Täter zu finden.

An jedem Prozesstag waren Mitglieder des „Freundeskreises Kessy“ zur Unterstützung der Familie im Gericht.@T.Pfundtner

Klötze – „Bei unserem üblichen Halt an der Tankstelle kommen wir kurz mit der Angestellten ins Gespräch. Beim Verabschieden meinte sie: „Endlich mal ein gutes Urteil hier vom Gericht.“

Ja, das ist es, wenn auch dadurch keine Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Aber wir sind erleichtert, dass es so ist und fahren nach Hause Richtung Klötze. Nach Klötze, zurück zu Kezhia.

Sie fehlt…“

     (Freundesgruppe Kessy)


Mit diesen Zeilen enden die Beobachtungen von 17 Frauen und Männern aus Klötze und Umgebung, die an jedem Prozesstag gegen Tino B. (43) dabei waren. Er wurde am 29. Januar wegen Mordes an seiner Freundin Kezhia H. (19) zu lebenslanger Haft verurteilt. An allen 18 Verhandlungstagen fuhren ein Teil dieser Frauen und Männer am frühen Morgen zum Landgericht Stendal, um die Verhandlung persönlich zu verfolgen.

Sie erlebten den Presserummel zu Prozessbeginn.

Sie hörten die unglaubliche Einlassung des Täters.

Sie verfolgten die vergeblichen Bemühungen der Verteidigung, Kezhia H. eine Mitschuld an ihrer Ermordung zu geben.

Sie erlebten hautnah mit, wie der Täter durch Zeugenaussagen, Gutachten und Analysen Schritt für Schritt als eiskalt planender Täter überführt wurde.

Sie weinten, als der Rechtsanwalt der Nebenklägerin Jeannette H., Holger Stahlknecht, in seinem Plädoyer noch einmal die schrecklichen Ereignisse Revue passieren ließ und deutlich machte, dass die lebensfrohe Kezhia ihre Liebe zu einem Lügner und Blender teuer bezahlen musste – mit ihrem Leben!

Fest steht: Die „Freundesgruppe Kessy“, wie sich die Gruppe nennt, verfolgte den Prozess nicht aus Sensationsgier oder Effekthascherei. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Sie waren dabei, um der Familie von Kezhia Halt und Unterstützung zu geben. Außerdem wollten sie so die schrecklichen Ereignisse verarbeiten, da die meisten von ihnen Kezhia gut kannten und mit ihr befreundet waren.

Jedes Mitglied aus der „Freundesgruppe Kessy“ engagierte sich persönlich, um der Familie beizustehen.

So behalten die Vereinsmitglieder des VfB 07 Klötze Kezhia in Erinnerung. Kezhia mit ihrer Mutter bei einer Sportveranstaltung.@Freundesgruppe Kessy

Zum Beispiel Thomas, der als selbständiger Show- und Eventkoch arbeitet: „Ich habe noch am 1. März mit ihr und anderen den 40. Geburtstag eines gemeinsamen Freundes gefeiert. Sie kam zwar etwas später, war aber fröhlich und ausgelassen.“

Oder Michaela. Sie erzählt, dass sie mit Kezhia sehr gut befreundet war: „Wir haben uns oft getroffen und stundenlange Gespräche geführt – auch über ihre Beziehung zu Tino B.“

Kirstin, die aus Schwiesau stammt, stieß zu der Gruppe, da sie die Kinder von Tino B. und auch Kezhia kannte: „Wir alle kennen uns über die unterschiedlichsten Verbindungen zu Freunden von anderen oder guten Bekannten. Es ist wie eine Art Netzwerk.“

Ein lockeres Netz, das mit dem Verschwinden von Kezhia H. von Tag zu Tag engmaschiger und intensiver wurde. Auch dank sozialer Medien wie Facebook oder WhatsApp.

Doch, wie begann das eigentlich alles?

Rückblick: Einige Tage nach dem Verschwinden von Kezhia, meldete sich ihr Bruder bei Thomas und Michaela und erzählte unter Tränen, dass niemand wisse, wo seine Schwester sei. Ob die beiden oder Freunde etwas wissen würden. „So haben wir überhaupt erst erfahren, was los ist“, erinnert sich Thomas. Viele Aufrufe und Nachrichten über Facebook und WhatsApp starteten von allen, die sie kannten. Doch niemand wusste etwas.

Dann am 9. März erfuhren sie von der Vermisstenanzeige, die ihnen gleich komisch vorkam: „Zum einen haben wir uns alle gefragt, wieso Tino B. eine Anzeige aufgibt, ohne sich bei ihrer Familie rückzuversichern, ob sie wieder zu Hause sei“, erzählt Michaela. Da kamen wohl erste Zweifel im Freundeskreis auf, auch wenn niemand das Unaussprechliche aussprechen wollte…

Richtig misstrauisch wurden Kezhias Freunde und Bekannte aber kurz darauf, als sie erfuhren, welche Beschreibung Tino B. gegenüber der Polizei angegeben hatte: „Kein Wort von Kessys Mütze.“

Symbolbild Mütze@IK

Welche Mütze?

„Eine Wollmütze“, sagt Lars, „Kezhia trug immer so eine Wollmütze – selbst im Sommer bei 30 Grad oder als Schiedsrichterin. Wir haben immer gesagt, da brüten bestimmt schon Vögel drunter.“

Und dann die Jogginghose. Alle, die Kezhia kannten, sagen übereinstimmend, dass Kezhia nie in einer Jogginghose nach Wolfsburg zu einem Fußballspiel und dann in den Urlaub gefahren wäre. „Zum Sportplatz oder zum Einkaufen kein Problem, aber in eine andere Stadt? Hätte sie nicht gemacht.“

Über WhatsApp wurde beschlossen, der Polizei diese Hinweise zu geben, die, wie Silke sich erinnert, das auch ernst genommen hat.

Immer wieder tauschte sich die Gruppe in diesen Tagen über die letzten Begegnungen und Gespräche mit Kezhia aus: Dass sie eigentlich am 4. März ein Spiel hätte pfeifen müssen, dies aber absagte, weil sie etwas anderes vorhatte. Außerdem sprach sie immer wieder über das Fußballspiel VfL Wolfsburg gegen Eintracht Frankfurt am Sonntag, zu dem sie vor dem gemeinsamen Urlaub mit Tino fahren wollte. „Sie hatte uns erzählt, dass sie sich vor dem Spiel mit einem weiteren Bekannten am Stadion treffen wollte“, sagt Jenny, „aber der habe später berichtet, dass Kezhia nicht gekommen sei.“ Auch diese Information ging sofort an die ermittelnden Beamten.

Tag für Tag sammelten Kezhias Freunde neue Informationen: „Über alles haben wir die Familie und die Polizei informiert, da wir nichts gegen ihren Willen machen wollten.“ Besonders zu Kezhias Bruder und ihrem Onkel wurde enger Kontakt gehalten, da die Mutter viel zu verzweifelt war, als dass sie einen klaren Gedanken hätte fassen können.

Durch den ständigen Informationsaustausch und die Aufrufe in den sozialen Medien, die Suche nach Kezhia zu unterstützen, entstand die Idee, Plakate und Flyer drucken zu lassen, auf denen um Hinweise zum Verbleib von Kezhia gebeten wird. Um alles verteilen zu können, wurde im Netz um Hilfe gebeten.

  

Ende Teil I

Am Montag – AZ vom 04.03. 2024 – lesen Sie:

Was die „Freundesgruppe Kessy“ alles unternahm, um ihre verschwundene Freundin zu finden. Warum es Ärger mit der Polizei gab. Wie die Gruppe vom Tod Kezhias erfuhr.