Max Heckel
„Ein Land der Schwurbler und Querdenker“
Zum Gespräch trafen wir uns in der Stadt vor dem Café. ©Foto: Thomas Pfundtner
Am Jahresende Bilanz zu ziehen, hat Tradition. So gab es in der Volksstimme im Dezember 2021 eine Artikelserie, in der Menschen zu Wort kamen, die in Stendal und Umgebung leben.
Max Heckel aus Tangermünde spricht im Volksstimme-Interview über seine Erfahrungen im Corona-Jahr. Das interessante Gespräch habe ich vor Weihnachten 2021 in Stendal geführt und es wurde am 26.12.2021 in der Stendaler Volksstimme online veröffentlicht. Am 27.12.2021 erschien es unter der Überschrift Sollten wieder lernen, zuzuhören in der Printausgabe.
Max Heckel wurde am 2.07.1986 in Stendal geboren und nahm seit der Grundschulzeit schon als Siebenjähriger Violinenunterricht am Adam-Ileborgh-Haus. Seine besondere Musikalität zeigt sich darin, dass er schon früh in verschiedenen Formationen Musik öffentlich zur Aufführung brachte. Zum Geigenspiel kam noch Klavierunterricht und Gesang dazu, was er als Mitglied im Kammerorchester des Adam-Ileborgh-Hauses, des hauseigenen Chors und im Sinfonischen Musikschulorchester des Landes Sachsen-Anhalt gut einsetzen konnte. Seit dem Jahr 2001 ist er Mitglied von „Nobody Knows„.
Nach dem Abitur 2006 begann er das Studium der Philosophie, Geschichte, Germanistik, Ethik, Psychologie und Pädagogik an der Martin-Luther-Universität Halle. Neben dem Studium betätigte er sich als Redakteur verschiedener Magazine, Veranstalter kultureller Events und Gründer von Prosodia – Verlag für Musik und Literatur. Damit er auch wirklich ausgelastet ist, schreibt er seine Promotionsarbeit, verschiedene Bücher, baut einen Veranstaltungsort mit Wohnung sowie Verlagsräumen und spielt weiterhin Musik.
Wer so aktiv und einsatzfreudig ist, der darf sich ruhig mal anlehnen. ©Foto: Thomas Pfundtner
Stendal. Max Heckel – Chef der Folkband „Nobody Knows“, Veranstalter von Musikfestivals, Buchautor, Student und Inhaber eines Musikverlags kann mit Fug und Recht als Multitalent bezeichnet werden. Tatsächlich lässt sich der 35-Jährige nur schwer in eine Schublade stecken. Musikalisch vielseitig. Politisch kritisch und hinterfragend. Menschlich eher ein Familienmensch, denn Partylöwe. Und während der Pandemie hat er sich von Freunden getrennt, die plötzlich zu Verschwörungstheoretikern wurden. Warum er das gemacht hat, erzählt er im Volksstimme-Jahresrückblick-Interview.
Herr Heckel, was war für Sie das schönste Ereignis 2021?
Das war im März. Am 28. wurde Karlchen geboren, mein Sohn. Er ist der Sohn meiner Schwägerin und ich werde väterliche Aufgaben übernehmen.
Was war das Besondere? Die Geburt oder dass es ein Junge ist?
Junge oder Mädchen, das hat keine Rolle gespielt. Ich war ja schon Vater von zwei Mädchen und es hätte gern noch eins in unserer Großfamilie aufwachsen können. Nein, der Moment der Geburt, das war das schönste Erlebnis in diesem Jahr.
Es gibt aber auch die berufliche Perspektive…
… erzählen Sie …
Beruflich gesehen war es die unglaubliche Solidarität, die wir während der Corona-Zeit erfahren. Wir werden von unseren Freunden und Fans auf vielerlei Art unterstützt, und das hat nicht immer nur mit Musik zu tun…
Zum Beispiel?
Ich baue gerade ein Haus um. Dabei helfen mir ganz viele Menschen, denn ich muss sparen, da natürlich meine Einnahmen drastisch gesunken sind. Es fehlen Einnahmen aus Konzerten, der GEMA und, und, und… Aber ganz viele Leute haben Wohnzimmerkonzerte mit mir gebucht und damit sehr geholfen. Diese Solidarität und Unterstützung empfinde ich bis heute als sehr positiv.
Dann gab es 2021 aber sicherlich auch Enttäuschungen?
Das Ausscheiden unseres Schlagzeugers Aron Thalis bei „Nobody Knows“. Alle Bandmitglieder sind seit vielen Jahren miteinander befreundet. Wenn jemand aus musikalischen Gründen die Gruppe verlässt, alles ok. Aber, dass wir uns demnächst vor Gericht treffen, finde ich sehr enttäuschend.
Enttäuschend ist aber auch die momentane Corona-Politik: Die Politiker haben lange Zeit so getan, als ob es kein Corona mehr gäbe, nur um unsere Ausfälle nicht kompensieren zu müssen. Klar, kann ich mir faktisch einen großen Saal mieten, aber wenn nur 100 Personen kommen dürfen, kann ich davon nicht leben. Ich bekomme keine Hilfen vom Staat, weil ich auch noch einen Verlag habe, da bekomme ich keine finanzielle Unterstützung, sondern muss von den Reserven leben.
Worauf hatten Sie sich Silvester 2020/2021 nach den ersten Corona-Monaten eingestellt?
Auf nichts! Aber ich hatte große Hoffnungen auf die Impfkampagne und die Bereitschaft der Menschen zur Impf-Solidarität gesetzt. Aber leider ist aus dem Land der Dichter ein Land der Schwurbler und Querdenker geworden. Auch in meinen Kreisen. Das kann ich kaum begreifen, denn ich weiß zum Beispiel bis heute nicht, warum das RKI Interesse daran haben sollte, Statistiken zu fälschen.
Es gab noch nie so viele Möglichkeiten, einen Fakt zu recherchieren, wie heute. Aber ich bekomme mehr und mehr das Gefühl, dass immer mehr Menschen dazu überhaupt nicht mehr bereit sind.
Was haben Sie denn 2021 gemacht?
Unter anderem konnte ich die Pläne für mein Kulturwerk „Anker“ in Arneburg vorantreiben. Wie ich bereits erzählte, habe ich ein Haus erworben und baue es dort gerade um. Der „Anker“ soll ein Veranstaltungsort für Kultur jeglicher Art werden – von der kontroversen Podiumsdiskussion bis hin zu Lesungen, Theater oder Konzerten. Ich möchte aber auch Gottesdienste oder das islamische Fastenbrechen während des Ramadans dort veranstalten. Es soll eben ein Kulturzentrum für jeden gesellschaftlichen Bereich werden und multikulti sein.
Was haben Sie aus 2021 gelernt?
Auf jeden Fall Gelassenheit. Vor Corona hatte ich über 120 Auftritte im Jahr. Mit „Nobody Knows“ und meinen anderen Gruppen. Jetzt ist alles anders. Aber es nützt mir nichts, mich daran abzuarbeiten oder andere verantwortlich zu machen. Also bin ich gelassener geworden und konzentriere mich auf andere Dinge, wie eben das Kulturprojekt „Anker“ und das Schreiben neuer Stücke für unsere nächste CD… .
…die wann erscheint?
Wenn Corona uns nicht wieder zum Umdenken zwingt, im Sommer 2022.
Was erwarten Sie vom neuen Jahr?
Schön wäre es, wenn die Menschen wieder vernünftiger würden und nicht blind irgendwelchen fantastischen Theorien und Menschenfängern folgen würden. Das hatten wir doch schon einmal. Ich denke, wir werden noch lange mit Corona leben müssen. Dann aber bitte so, dass Existenzen nicht zerstört werden.
Letzte Frage: Ihre erste Aufgabe im neuen Jahr?
Wenn nötig, Karlchen wickeln. Ansonsten warte ich ab, was auf mich zukommt.
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