Prozessauftakt in Stendal

 

Erster Verhandlungstag gegen Tino B. nach 36 Minuten vorbei

 

 

Am 20. September erschien der Bericht über den ersten Verhandlungstag im Mordprozess Kezhia H. in der Altmark Zeitung in den Ausgaben für den Landkreis Stendal und den Altmarkkreis Salzwedel im Lokalteil.

Der Angeklagte Tino B. wird von einem Justizbeamten in den Verhandlungssaal 218 geführt.© T. Pfundtner

Klötze/Stendal – Bereits wenige Minuten nach 8 Uhr herrschte reges Treiben vor dem Landgericht Stendal: Zum Prozess-Auftakt gegen Tino B. aus Klötze drängelten sich zahlreiche neugierige Zuschauer, Journalisten und Kameraleute vor dem verschlossenen Eingang. Der 42-Jährige steht   im Verdacht, seine Geliebte, die damals 19-jährige Kezhia H. mit 32 Messerstichen getötet, verbrannt und dann verscharrt zu haben.

Rückblick: Seit dem 4. März galt Kezhia H., die in Klötze eine Ausbildung zur Konditorin absolvierte, als vermisst. Zwei Tage nach dem spurlosen Verschwinden der jungen Frau, erstatteten ihre Mutter Jeannette H. und Tino B. unabhängig voneinander eine Vermisstenanzeige. Wochenlang beschäftigte der Fall Öffentlichkeit und Polizei, da großangelegte Suchaktionen und Fahndungsaufrufe keine Ergebnisse brachten.  Zwar geriet Familienvater Tino B.  schon nach kurzer Zeit in den Verdacht, etwas mit dem Verschwinden seiner langjährigen Geliebten zu tun zu haben und wurde deshalb in Haft genommen. Er musste jedoch wieder freigelassen, da der Vater von drei Kindern standhaft leugnete und bestritt, irgendetwas mit dem Verschwinden zu tun zu haben.

Am 20. April wurden in einem Kieswerk bei dem gut 90 Kilometer entfernten Ort Bahrendorf die sterblichen Überreste von Kezhia H. in einem Erdloch gefunden. Bei ersten Untersuchungen am Tatort wurden Indizien entdeckt, die auf Tino B. hindeuten sollen. Unter anderem, so erfuhr die AZ, sollen DNA-Spuren des mutmaßlichen Täters an der Leiche gefunden worden sein. Daraufhin wurde der in Salzwedel geborene Tino B. noch am Abend festgenommen. Am nächsten Morgen folgte der Haftbefehl. Seitdem sitzt er in der JVA Burg und schweigt beharrlich.

Der Prozess: Als sich um 8.30 Uhr die große Eingangstür am Landgericht öffnete und Journalisten sowie zahlreiche Zuschauer Richtung Saal 218 strömten, saß Tino B. bereits in der kleinen Zelle im Keller des Gebäudes. Der Tatverdächtige war bereits am frühen Morgen mit einer grünen Minna nach Stendal gekommen und im Hinterhof ans Gericht übergeben worden. Dies war allerdings nur möglich, da die Verwaltung des Gerichts eine Sondergenehmigung erhalten hatte, dass der Wagen durch eine wegen Bauarbeiten gesperrte Straße zum Gericht fahren durfte.

Als Erste betrat später Oberstaatsanwältin Ramona Schlüter, die die Ermittlungen leitet, den großen Saal. Ihr folgten Tino B.s Rechtsanwälte: Pflichtverteidigerin Julia Melz aus Leipzig sowie Catharina Bombach aus Gardelegen als Wahlverteidigern. Punkt neun Uhr erschien das Gericht unter Vorsitz von Ulrich Galler im Saal. Bevor er mit der Verhandlung begann, wies er energisch daraufhin, dass Tonaufnahmen nicht gestattet seien und Handys ausgeschaltet werden müssen.

Nach einer kurzen Personalaufnahme des Angeklagten, wollte der Richter das Wort an die Staatsanwaltschaft übergeben. Doch Anwältin Catharina Bombach grätschte dazwischen und begann über einen Antrag zu reden: „Das können Sie nach Verlesung der Anklage gern machen“, unterbrach sie Richter Galler, „erst hören wir die Staatsanwältin", und übergab ihr das Wort. Kaum hatte sie angesetzt, gab es die nächste Unterbrechung: Lautstark forderte ein Justizbeamter einen Besucher, der sein Handy offensichtlich auf die Balustrade legte, um die Verhandlung mitzuschneiden, auf, dies zu unterlassen. „Stellen Sie unverzüglich Ihr Handy ab und übergeben es dem Gericht. Ich dachte, ich habe mich klar ausgedrückt“, rief ein sichtlich verärgerter Ulrich Galler, der offensichtlich sein Hausrecht nicht akzeptiert sah. Erst nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, konnte Ramona Schlüter die Mordanklage verlesen. Demnach fuhr Familienvater Tino B. am 4. März mit seiner deutlich jüngeren Geliebten Kezhia H. mit seinem Firmen-Lieferwagen in einen Wald zwischen Hoitlingen und Jembke in Niedersachsen. „Dort kam es zum einvernehmllchen Geschlechtsverkehr“, fuhr Ramona Schlüter fort, „in dessen Verlauf der Angeklagte seinem Opfer mit einem messerähnlichen Gegenstand völlig überraschend 32 Stichverletzungen in Brustkorb und Oberbauch zufügte.“ Die ermittelnde Staatsanwältin geht davon aus, dass Kezhia H. nicht in der Lage war, Gegenwehr zu leisten und „binnen weniger Minuten an Herzkreislaufversagen und Blutverlust verstarb.“ Nach der Tat soll Tino B. dann die Leiche auf einer Mülldeponie in Jeggau „zwischengelagert“ und später verbrannt und vergraben haben.“  Sofort legte die Verteidigung los: „Wir fordern eine Aussetzung, zumindest aber eine Unterbrechung des Verfahrens“, erklärte Catharina Bombach. Sie begründete dies mit neuen Ermittlungen der Polizei und Akten, die so spät zugestellt wurden, dass die Verteidigung nicht ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, sich vorzubereiten.

Mordprozess wird weder unterbrochen noch ausgesetzt

Das sahen Richter Galler, die Staatsanwaltschaft und Nebenkläger Holger Stahlknecht anders: „Allen Verfahrensbeteiligten liegen die gleichen Akten vor und weitere Ermittlungen oder neue Zeugen sind keinesfalls unüblich.“ „Auch ich habe keine anderen Unterlagen als sie“, betonte der Vertreter der Nebenklägerin, Holger Stahlknecht. „Trotzdem konnte ich mich ausreichend vorbereiten.“ Dennoch unterbrach Ulrich Galler die Sitzung und vertagte eine mögliche Einlassung des Angeklagten auf den 10. Oktober.  Nach den ersten 36 Minuten in dem Mordprozess gegen Tino B. äußerte sich Holger Stahlknecht: „Für meine Mandantin ist das ein sehr schwerer Weg", sagte er. Er habe gestern noch mit ihr zusammengesessen, aber sie sei immer noch so erkrankt, dass sie arbeitsunfähig ist. Deshalb sei sie auch nicht anwesend, werde als Zeugin in dem Verfahren aber auch noch vernommen. Wie der ehemalige Innenminister von Sachsen-Anhalt weiter erklärte, werde die Mutter zivilrechtliche Ansprüche wie Schmerzensgeld, Beerdigungskosten und Schadensersatz geltend machen. „Geld wiegt nie ein Menschenleben auf, aber meiner Mandantin war es wichtig, zu sagen, dass sie jedes Mittel und jede Möglichkeit ausnutzt."