Der zweite Prozesstag

Der Verdächtige Tino B. will sein Schweigen brechen

 

Überraschende Wende im Mordfall Kezhia H. aus  Klötze

 Angeklagter kündigt Aussage an

 

 

Am Mittwoch, 11. Oktober erschien der Bericht über den zweiten Prozesstag in der Altmark Zeitung in den Ausgaben für den Landkreis Stendal und den Altmarkkreis Salzwedel im Lokalteil unter der Überschrift: Überraschende Wende im Mordfall Kezhia.

Genau zwölf Minuten vor Beginn der Verhandlung kam der Gefangenentranporter mit dem mutmaßlichen Mörder von Kezhia H. am Landgericht Stendal an.© T.Pfundtner

Klötze/Stendal – Am zweiten Prozesstag gegen Tino B., der seine Geliebte Kezhia H. aus Klötze am 4. April mit 32 Messerstichen ermordet haben soll, gab es gleich zwei faustdicke Überraschungen.  Die erste Bombe ließ seine Pflichtverteidigerin Julia Melz aus Leipzig platzen: Sie kündigte dem Gericht an, ihr Mandant Tino B., würde sich nach monatelangem Schweigen am nächsten Verhandlungstag ausführlich zu den Vorwürfen äußern.

Kurz darauf sagten zwei Polizistinnen aus, dass Kezhia H. schwanger gewesen sei und in ihrer Wohnung zahlreiche Schwangerschaftstests und Babywäsche gefunden wurden. Allerdings hätte Tino B. noch kein Kind gewollt. Für ihn habe die Ausbildung von Kezhia Vorrang gehabt.

Bevor aber der eigentliche Prozess, bei dem jeder Besucherplatz besetzt war, mit insgesamt vier Zeugenaussagen beginnen konnte, verlasen die Verteidigerinnen von Tino B., Julia Melz und Catharina Bombach, eine vier Seiten lange Erklärung, in der sie betonten, dass dies wohl kein faires Verfahren sei: Vorverurteilungen in der Presse, Veröffentlichungen von Privatfotos ihres Mandanten sowie die negative öffentliche Meinung würden dies belegen.

Dann schossen die Anwältinnen gegen die ermittelnde Staatsanwaltschaft: Diese sei wohl „herrenlos“, da sie nur in eine Richtung ermittelt habe. Zudem seien auch die Akten ein Beweis für Gleichgültigkeit während der Ermittlungen, weil zum Beispiel der Name des Opfers „immer wieder falsch geschrieben wurde.“ Auch die gesundheitliche Situation des Opfers sei von Seiten der Anklage überhaupt nicht berücksichtigt worden. Kezhia H. soll unter Depressionen gelitten haben, suizidgefährdet gewesen sein und hätte sich deshalb in Behandlung begeben. Auch dürfe nicht vergessen werden, dass die Anwälte des Verdächtigen viele Unterlagen und Akten erst auf Nachfrage und verzögert erhalten hätten. Abschließend erklärten die Anwältinnen: „Dies ist ein höchst emotionales Verfahren und das Gericht soll die Wahrheit unvoreingenommen herausfinden!“ Weder die Klagevertreterin, Staatsanwältin Ramona Schröder, noch Richter Ulrich Galler äußerten sich zu den Vorwürfen. Und Holger Stahlknecht, Rechtsanwalt der Mutter des Opfers, Jeannette H., die als Nebenklägerin auftritt, bezeichnete die anwaltliche Einlassung als unpassend. Allein, dass Tino B. von zwei Rechtsanwältinnen vertreten werde, beweise „die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens.“   Bereits am ersten Verhandlungstag hatte Stahlknecht drei sogenannte Adhäsionsanträge für seine Mandantin gestellt. In ihnen verlangt er 70.000 Euro Schmerzensgeld, 6.316,27 Euro für die Beerdigungskosten sowie ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 15.000 Euro, alles zuzüglich 5 Prozent Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem geltenden Basiszinssatz von Tino B. Zwei Polizistinnen und ein Polizist sowie der Nachbar von Tino B.s Eltern in Kalbe/Milde, der über einen Besuch des Angeklagten bei ihm Auskunft gab, sagten am zweiten Verhandlungstag als Zeugen aus. So schilderten zum Beispiel die Beamten Tino B. als ruhig und freundlich, der bereitwillig Auskunft gegeben habe. Auch bestätigten sie im Grundsatz, dass B. sich über den zeitlichen Ablauf am mutmaßlichen Tattag, dem 4. März, nicht in Widersprüche verwickelt habe. Zu dem Babywunsch befragt, gaben beide Beamtinnen an, dass B. zwar mit seiner Freundin über den Babywunsch gesprochen habe, aber einen Streit hätte es nie gegeben.

Anwältinnen contra Staatsanwaltschaft

Die Vernehmungen ergaben aber auch Widersprüche:  So sagte B. erst aus, er sei verheiratet und sei Vater von drei Kindern. Aber seine Frau wisse nichts von dem Verhältnis. Später sagte der Elektriker, seine Frau wisse über das Verhältnis Bescheid. Seit gut einem Jahre schlafe er im Wohnzimmer und die Scheidung sei beschlossen. Auch fiel den Beamten auf, dass Tino B. immer wieder zwischen Gegenwarts- und Vergangenheitsform wechselte, wenn er über Kezhia H. gesprochen habe.

Ausführlich äußerte sich B. in den Vernehmungen über Kezhias Verhältnis zu ihrer Mutter. Dies sei sehr schlecht gewesen, da die Mutter ihre Tochter immer als zu dick und unansehnlich tituliert hätte. Und nach dem Tod ihres Vaters wäre Kezhia depressiv geworden und hätte sich später nach Uchtspringe in Behandlung begeben. In diesem Zusammenhang wurde zum ersten Mal auch erwähnt, dass Kezhia H. zwei Handys besessen habe, was anfangs bei den Ermittlern für Verwirrung gesorgt hatte. Die junge Schiedsrichterin musste in Uchtspringe ihr Handy abgeben und hatte sich heimlich ein zweites besorgt, „damit wir in Kontakt bleiben konnten“, wie B. bei den Vernehmungen angab.

Dem dritten Polizisten fiel auf, dass B. bei einer weiteren Vernehmung zwar nervös, aber durchaus kooperativ gewesen sei. Sogar der Untersuchung seines Dienst-Transporters hätte er sofort zugestimmt. Allerdings: Als auf dem Fahrersitz Blut entdeckt wurde, sagte B., „daran habe ich nicht mehr gedacht. Das habe ich verdrängt. Das ist jetzt sicher schlecht für mich.“ Dann erklärte er den Fleck mit einer Verletzung von Kezhia: „Sie hat sich mit einem Messer geschnitten.“, sagt er. Als der Beamte wissen wollte, wo das Messer jetzt sei, gab B. an, „dass er es in Braunschweig in einen Papierkorb geworfen habe…“

Nach knapp drei Stunden endete der zweite Verhandlungstag. Am 20. Oktober geht es weiter.