Veröffentlichung der vollständigen Einlassung des Angeklagten Tino B. zum Mord an Kezhia H.
Der angeklagte Tino B. hinter einem Aktendeckel verborgen© T.Pfundtner
Diese Einlassungen wurden am dritten Verhandlungstag von der Anwältin des Angeklagten verlesen.
Es ist eine neunseitige Einlassung mit über 3000 Wörtern, die Tino B. verlesen ließ. Darin gesteht der Elektriker, am 4. März dieses Jahres seine langjährige Freundin Kezhia H. getötet zu haben. Es war eine Einlassung, die alle in Saal 218 vom Landgericht Stendal den Atem stocken ließ. Minutiös beschrieb Tino B. unglaubliche Einzelheiten aus der Zeit vor und nach der Tötung von Kezhia H. Nur an die Tat selbst konnte er sich lediglich schwach erinnern.
Die AZ hatte am 21.10.2023 wichtige Einzelheiten aus dem Geständnis dokumentiert. Wir veröffentlichen hier die gesamte Einlassung, in der der Elektriker Tino B. scheinbar versucht, seinem Opfer eine nicht geringe Mitschuld an der Tat zuzuschreiben. Nicht aus Sensationslust, sondern um zu zeigen, wie aus Opfern plötzlich Mittäter gemacht werden können.
Die bisherige Verhandlung zeigt, dass der Fall sehr komplex ist und deshalb einer gründlichen und ausführlichen Behandlung vor Gericht bedarf. Genau darum ist das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Ulrich Galler am Landgericht Stendal aber auch bemüht.
Bei aller emotionslosen Betrachtung der Akte Kezhia H. darf aber nie vergessen werden, wie viel Leid der Täter über die Familie der jungen Frau gebracht hat.
Einlassung – Tino B.
Kezhia und ich haben uns 2015 beim Fußball in Klötze kennengelernt. Sie war eine von den
Fußballspielerinnen in der Mandantschaft und ich war Trainer. Zwischen uns entwickelte sich
eine Freundschaft. Kezhia war immer sehr traurig und vertraute sich mir an, dass ihre
Familie, besonders ihre Mutter und ihr Bruder, Kezhia herabwürdigen und wegen ihres
Gewichtes schlechtmachen. Sie fühlte sich einsam und unverstanden. Ich hörte ihr zu und
versuchte, sie aufzubauen.
Als ich von 2017 – Ende 2019 meine Haftstrafe wegen Diebstahls absitzen musste, brach
der Kontakt zu Kezhia ab. Im Oktober 2019 schrieb sie mich auf einmal an und fragte, ob wir
ins Kino gehen könnten. Ich habe zugesagt, da ich dachte, sie hat sicherlich wieder Sorgen
und braucht jemanden zum Reden, zumal ich wusste, dass ihr Vater verstorben war. Ich
bemerkte, dass Kezhia in der Zeit, wo wir keinen Kontakt hatten, reifer geworden war. Nicht
mehr ein Kind, sondern nun eine Frau war. Ich bemerkte, dass sie mit mir flirtete und genoss
ehrlich gesagt die Aufmerksamkeit von ihr. Wir hatten uns bei dem Kinobesuch dann auch
das erste Mal geküsst. Aus der vormaligen Freundschaft wurde zu einem späteren Zeitpunkt
eine Beziehung. Die Beziehung entwickelte sich erst im November 2019. Ich fühlte mich in
ihrer Gegenwart wohl und sie blühte auch auf. Am 31.08.2020 hatten wir auch unser erstes
Mal miteinander geschlafen. Keziha schrieb mir viele Briefe, da sie sich nicht immer traute,
Dinge direkt anzusprechen. Sie schrieb oft, dass dies der schönste Tag in ihrem Leben war,
weil sie mich sehr liebte. Aus dem traurigen, schüchternen Kind wurde eine glückliche
Frau. Ich fühlte mich für sie irgendwie verantwortlich. Auch wenn ich nicht immer zu dieser
Beziehung stand, wollte ich Kezhia in keiner Weise verletzen. Ich hatte Gefühle für Kezhia
und sie war eine wichtige Person in meinem Leben.
Ich wollte immer nur, dass es ihr gutgeht. Ich wollte ihr immer nur helfen, für sie da sein. Ich
wollte nie der Grund sein, warum sie sich schlecht fühlt. Nicht, nachdem ihre Familie ihr
bereits immer das Gefühl gab, dass sie nichts wert sei und sie sich deswegen schlecht fühlte.
Ihre Mutter hat ihr Kindergeld einbehalten und eine ganze Zeit lang auch die
Halbwaisenrente. Sie kam dadurch mit dem Geld nicht klar und ich gab ihr immer wieder
Bargeld oder habe auch mal etwas überwiesen, wenn es eng wurde. Mein Ziel war es, dass
Kezhia weniger Sorgen hat und glücklich ist. Dafür habe ich versucht, für sie da zu sein,
wenn sie mich brauchte.
Sie tat mir leid. Ich hatte nun viel Zeit, über alles nachzudenken und mir ist bewusst, dass ich
zum Teil auch aus Mitleid so viel Zeit mit ihr verbracht habe und meine eigene Familie
betrogen habe. Meiner Familie geht es gut. Es mangelte an nichts und alle sind füreinander
da und halten zusammen. Kezhia hatte eine solche Familie nicht und war allein. Ich wollte
ihr daher etwas von meiner heilen Welt abgeben.
Kezhia ist nicht immer einfach gewesen. Sie war sehr eifersüchtig, schnell beleidigt und
bockig. Wenn sie ihren Willen nicht bekam, dann wurde sie auch mal handgreiflich. Nicht
ernsthaft, aber sie boxte einem dann auf den Arm oder haute auf den Rücken. Sie warf auch
ab und zu mal Sachen umher. Man kann sagen, dass Kezhia auch impulsive Seiten hatte.
Ich konnte damit umgehen. Im Herzen war sie ein von Grund auf guter und liebevoller,
herzlicher Mensch, der sich einfach nur nach Liebe und Zuneigung und einer heilen Familie sehnte.
Kezhia erzählte viel über ihre Familie. Ihre Mutter und ihr Vater haben wohl viel gestritten
und sie musste im Bett bei ihrem Vater schlafen, da die Mutter ihr Zimmer genutzt hat. Das
fand ich sehr seltsam und habe mich zu dem Zeitpunkt immer gefragt, ob Kezhia nicht das
gleiche Trauma hat wie ich und wir deshalb so verbunden sind. Als Kezhias Vater starb,
teilte ihre Mutter ihr die Nachricht kurz und knapp mit und ließ ab diesem Zeitpunkt Kezhia
mit der Trauer völlig allein. Sie vermisste auch ihren verstorbenen Vater sehr. Ihr Bruder
hänselte sie wegen des Gewichtes und kam ungefragt ins Bad, wenn Kezhia dort war. Ihre
Mutter meinte, sie solle weniger essen, da sie so dick ist. Immer wieder musste Kezhia sich
solche Sätze anhören. Sie vertraute sich mir an und erzählte mir alles. Ich habe dann
versucht, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihr klarzumachen, dass sie eine
wunderschöne Frau ist. Sie wollte nie ins Schwimmbad gehen oder sich nackt zeigen. Bei
mir konnte sie sein, wie sie ist und fühlte sich frei. Ich war selbst erstaunt, als Kezhia am
04.03.23 das Schwimmbad als Ausflugsziel vorschlug, aber ich freute mich, dass sie nun
selbstbewusster ist und sich nicht mehr so schämt.
Ich habe sie auf eine ganz eigene Art geliebt. Es ist schwer in Worte zu fassen. Sie hat mich
auch unfassbar geliebt. So sehr, dass sie krank wurde. Das wurde mir erstmals bewusst, als
sie in Uchtspringe war und noch mehr durch dieses Verfahren. Ich hoffte, dass sie in
Uchtspringe die Hilfe bekommt, die ich ihr nicht geben konnte, und ihr Leben und ihre Ziele
besser verfolgen kann. Ich hoffte, dass sie ihre Depressionen dort aufarbeiten kann und ein
glücklicher Mensch wird. Glücklich auch ohne meine Hilfe und Unterstützung. Daher sollte
Kezhia nach dem ersten Aufenthalt auch wieder zurück nach Uchtspringe.
Sie sagte sehr oft, vor allem wenn sie wieder impulsiv war, wenn ich nicht mehr bin, will sie
nicht mehr leben oder ihr Leben mache ohne mich keinen Sinn. Ich fühlte mich dadurch
noch mehr für sie verantwortlich und traute mich nicht, die Beziehung zu ihr zu beenden. Sie
ritzte sich auch und zeigte mir auch ihre Narben. Ihre depressiven Phasen waren oft sehr
stark. Ich konnte nicht einschätzen, ob sie ihre Worte nicht auch in die Tat umsetzt. Einmal
sagte sie zu mir: „Wenn ich weg bin, vermisst mich niemand.“ Ich sagte ihr darauf, dass dies
nicht stimmt und ich sie auf jeden Fall sehr vermissen werde. Dann lächelte sie und fühlte
sich sichtlich besser.
Ich vermisse sie sehr und es tut mir unendlich und aufrichtig leid, was passiert ist. Ich kann
es mir selbst kaum erklären. Ich habe nur bruchstückhafte Erinnerungen und versuche diese
so gut ich kann wiederzugeben.
Die Nacht vom 03.03.23 auf den 04.03.23 haben wir gemeinsam in ihrer Wohnung in
Winterfeld verbracht. Ich bin gegen 22.00 Uhr von Schwiesau losgefahren. Wir hatten viel
geredet und gekuschelt. Wir hatten nicht miteinander geschlafen, da ich müde und geschafft
war. Das fand Kezhia nicht schön. Sie wollte unbedingt, dass ich mit ihr schlafe, aber ich
habe ihr klar gemacht, dass ich nicht einfach auf Knopfdruck kann. Ich bin keine 20 mehr.
Sie war sichtlich enttäuscht.
Das letzte Mal hatten wir einige Tage zuvor miteinander geschlafen. Wann genau das war,
weiß ich aber nicht mehr. Mir war auch bekannt, dass sie sich ein Kind wünschte. Ich habe
mit ihr oft darüber gesprochen, dass sie erst ihre Ausbildung beenden solle und einen Job
finden, bevor sie überstürzt in eine Familienplanung eilt. Wie ausgeprägt ihr Kinderwunsch
tatsächlich war, habe ich erst durch das Verfahren realisiert.
Ich habe Kezhia in den frühen Morgenstunden am 04.03.23 nach Klötze zu ihrer Mutter
gebracht, weil sie sich allein sehr unwohl fühlte in Winterfeld. Sie hatte Angst vor ihrem
Vermieter, da dieser mehrfach ungefragt in ihrer Wohnung war und einen Schlüssel zur
Wohnung besaß.
Meiner Ehefrau hatte ich gesagt, dass ich wegen einer Prüfungsvorbereitung ‚Schaltung an
der Trafostation‘ weg bin und deshalb die ganze Nacht nicht da bin. Ich habe meine Ehefrau
angelogen, um die Nacht bei Kezhia verbringen zu können. Ich hatte auch in dieser Zeit
meine Standortdaten abgestellt, damit meine Ehefrau nicht sieht, wo ich bin. Nachdem ich
Kezhia in Klötze abgesetzt hatte, fuhr ich weiter nach Wolfsburg, um ein Foto
vom Ortseingangsschild zu machen. Das Foto schickte ich meiner Ehefrau und fuhr nach
Hause. Als ich zu Hause gegen 5.00 Uhr ankam, legte ich mich auf das Sofa und schlief
noch kurz.
Gegen 7.00 Uhr sind meine Ehefrau und meine Tochter mit einem Auto, sowie ich mit dem
Crafter nach Kalbe/Milde zu meinen Eltern gefahren. Meine Tochter hat dort
Fahrschulunterricht und meine Ehefrau und ich waren zum Frühstück bei meinen Eltern
verabredet. Nach dem Frühstück bin ich zum Nachbarn meiner Eltern, Herrn K., und
habe dort bei einem elektrischen Problem geholfen. Ich bin dann nochmals kurz zu meinen
Eltern auf einen Kaffee.
Gegen 1.40 Uhr bin ich nach Hause gefahren und habe dort noch eine Weile verbracht und
Schwimmsachen gepackt für den Ausflug mit Kezhia. Gegen 12.40 Uhr fuhr ich nach Klötze,
um dort Kezhia an der Bushaltestelle abzuholen. Wir waren für 13 Uhr dort verabredet.
Kezhia wollte nach Wolfsburg fahren und dort baden oder ins Kino gehen. Als sie ins Auto
stieg, machte Kezhia auf mich einen verschlossenen seltsamen Eindruck. Ich fragte sie, was
los sei. Sie antwortete nur: „Ich weiß jetzt, wie du dich gefühlt hast damals.“ Ich wusste, dass
sie auf die Vorfälle, die mir in der JVA widerfahren sind, anspielte. Mir gingen viele Dinge
durch den Kopf und ich hatte wieder die Vermutung, dass sie doch ein ähnliches Trauma wie
ich erlebt haben musste. Sie wollte aber nicht näher darüber sprechen. Ich habe auf sie
eingeredet und sie aufbauen wollen.
Plötzlich änderte sich ihre Stimmung. Für mich war das sehr emotional. Sie wollte auf einmal
mit mir im Crafter schlafen. Ihre Stimme war bestimmend und fordernd. Ich konnte das in
dem Moment nicht und sagte ihr das auch. Ich erklärte ihr, dass es nicht der richtige Moment
ist und wir erstmal nach Wolfsburg fahren und uns einen schönen Tag machen wollen. Wir haben
öfter im Auto auf der Decke miteinander geschlafen, aber dann waren die Situationen
geplant z.B. Picknick am Teich und nicht so verwirrend und seltsam wie an dem Tag.
Sie wurde eindringlicher und es kam zu einer Diskussion bezüglich unserer Beziehung. Es
ging auch wieder um den gemeinsamen Urlaub, den sie ohne meine Rücksprache plante für
die kommende Woche. Sie hatte Karten für den Sänger Joel Brandenstein besorgt und ein
Hotel in Freiburg. Ich war damit völlig überfordert und fühlte mich überrumpelt. Ich erklärte
ihr schon vorher mehrmals, dass es so nicht geht, ich habe Arbeit und Familie. Sie kann nicht
einfach Urlaub buchen
Sie forderte mich auf einmal auf, sofort anzuhalten, das war am Waldstück zwischen Jembke
und Hoitlingen. Ich hielt an und aufgrund der angespannten Situation bin ich ausgestiegen,
damit sich Kezhia wieder beruhigt und ich auch. Ich sah, wie Kezhia Richtung Fahrersitz
rutschte. Als ich nach wenigen Minuten die Beifahrertür aufmachte, um nochmal mit ihr in
Ruhe zu reden, saß Kezhia untenrum nackt auf der Beifahrerbank. Sie drehte sich auf der
Bank zu mir und zog mich an meiner Latzhose an sich heran und mit runter und meinte, sie
will jetzt ein Kind von mir. Sie sagte das in einem derart bestimmenden Ton, wie ich ihn nicht
von ihr kannte. Ich fühlte mich von ihr bedrängt und fand die Situation völlig unpassend. Mein
rechtes Bein war im Fußraum, mein linkes Bein kniete zwischen ihr und der Sitzbank. Sie zog
mich wieder an sich heran und ich rutschte mit dem rechten Bein immer weg, sodass ich auf ihr
lag. Ich richtete mich auf und versuchte, ihr zu verstehen zu geben, dass das jetzt nicht der richtige
Zeitpunkt ist und ich ihr kein Baby mache, zumal ich Familie habe.
Kezhia wurde auf einmal laut und redete aufgeregt, dass sie mich liebe und Madam (so
nannte sie meine Frau) uns nicht auseinanderbekomme und mich nicht haben darf. Sie
redete die ganze Zeit und ich versuchte, sie zu beruhigen und wurde auch lauter.
Auf einmal merkte ich einen spitzen Gegenstand und Widerstand an meinem Brustbereich
auf der Latzhose. Ich schaute nach unten und sah etwas Silberfarbenes an meiner Brust. Ich
realisierte, dass es mein Obstmesser war, welches ich bei meinem Besteck in der Fahrertür
verstaue, was Kezhia auf mich richtete wie eine Drohung. Ich war völlig geschockt, es kamen
Erinnerungen hoch und Bilder schossen mir durch den Kopf. Ich wollte ihr das Messer
abnehmen. Sie schnitt mich an der linken Hand. Es gab ein Gerangel, bei dem sie immer
wieder mit dem Messer versuchte auszuholen und mit der anderen Hand versuchte, mich
runterzuziehen. Dabei kratzte sie mich auf dem Rücken. Ich weiß noch, dass ich ihre rechte
Armbeuge fixieren konnte mit meinem linken Arm. Irgendwie kam ich an das Messer. Sie
schlug um sich und ich versuchte, sie zu fixieren. Sie hatte einen Schnitt an der rechten Hand
erlitten und sagte noch: „Ich liebe dich, es tut mir leid.“ Ich habe dann irgendwie
zugestochen. Warum und wie oft, weiß ich nicht. Es ging alles furchtbar schnell. Ich fühlte
mich, wie in einem Tunnel. Alles zog an mir vorbei.
Ich weiß nur noch, dass sie sich auf einmal nicht mehr rührte und sie und ihr Pullover voll
Blut waren. Es war auf einmal ganz still im Auto. Ich war völlig erschrocken und erstarrt und
habe das Messer weggelegt, ihren Namen gerufen und gehofft, dass sie nur verletzt und
bewusstlos ist. Sie reagierte aber nicht. Ich habe dann ihren Puls am Hals und Arm versucht
zu fühlen, aber da war nichts. Sie bewegte sich nicht mehr und atmete nicht mehr.
Ich realisierte in diesem Moment, was passiert war. Ich habe Kezhia getötet.
Verzweifelt und unter Tränen holte ich sie aus dem Crafter vorsichtig raus. Sie sah aus, als
ob sie schläft. Ich legte sie in die Decke, die ich im Auto hatte und wickelte sie darin ein.
Danach machte ich die Scheibe der Fahrertür sauber, da dort Blut war und machte das
grobe Blut im Auto weg. Dann habe ich die beiden Handys von Kezhia mit dem Hammer
kaputtgemacht. Ich fuhr los und überlegte währenddessen, was ich nun tun soll. Ich hatte
Panik. Ich wollte sie zunächst verstecken, bis ich wusste, wie ich die Leiche verschwinden
lassen kann. Ich hatte zu dieser Zeit auch Todesangst, wieder ins Gefängnis zu müssen, da
ich das dort Erlebte nicht noch einmal durchstehen könnte. Ich hatte Angst, nun nicht nur
Kezhia, sondern auch noch meine Familie zu verlieren.
Ich fuhr los Richtung Jeggau, da mir spontan die leerstehenden Baracken dort einfielen und
dort wenig Menschen sind. Während der Fahrt schmiss ich das Messer, was ich grob
saubergemacht hatte, weg und entsorgte an anderer Stelle die Handys. Wo genau das war,
weiß ich nicht mehr.
In Jeggau schaute ich kurz und entschied mich, Kezhias Körper in Halle 2 zu verstecken, bis
ich eine bessere Lösung finde. Ich habe sie in der Decke vorsichtig über das Gebüsch
getragen und weit hinten abgelegt. Aus ihrem Rucksack holte ich dann ihr Kuscheltier Fauli.
Sie schläft nie, ohne das Kuscheltier irgendwo zu haben. Ich legte es zu ihr, damit sie es bei
sich hat und nicht allein ist. Dann deckte ich ihren Körper mit der Decke zu. Mit den OSB-Platten,
die dort lagen, habe ich den Körper weiter bedeckt, damit es nicht sofort auffällt.
Auf dem Gelände ist noch ein Müllplatz. Dort habe ich ihre Kleidung, die sie nicht mehr trug
(Mütze, Hose, Unterhose usw.), verbrannt. Ich putzte das Auto mit den dort befindlichen
Putzmitteln, sodass man kein Blut mehr sah. Sehr viel Blut war ohnehin nicht auf den Sitzen
und im Auto gewesen.
Ich fuhr nach Hause, versuchte mich zu beruhigen und wendete die Techniken an, die ich
von meinem Therapeuten gegen meine Panikattacken und Traumata erlernte, um die Ruhe
zu bewahren und mir vor meiner Familie nichts anmerken zu lassen.
Zu Hause angekommen wusch ich alle meine Kleidungssachen und duschte mich gründlich
Ich wollte irgendwie die Schuld von mir waschen, aber es ging nicht. Ich fühlte mich nicht
besser. Mir fiel auf, dass die Arbeitshose beschädigt war. Keine meiner Hosen ist so
beschädigt, zumal es sich um ein neueres Modell handelt, welches ich noch nicht so lange
habe. Ich kann nicht sagen, ob die Löcher und Schäden alle beim Gerangel im Auto mit dem
Messer entstanden oder teilweise in Jeggau beim Verbrennen der Kleidung und Verstecken
der Leiche.
Ich versuchte, eine Geschichte für das Verschwinden von Kezhia zu überlegen. Ihr auffälliges
verschlossenes Verhalten am Anfang des Tages versuchte ich also zu nutzen und zu
erklären, dass sie ja depressiv war, ihren Lebensmut verloren hat, abhauen wollte oder
Schlimmeres. Die Geschichte war für mich auch eine kleine Beruhigung, da ich mir selbst
einreden wollte, sie ist nicht tot, sie ist nur verschwunden und es geht ihr gut.
Ich schrieb ihr eine Nachricht, um von mir abzulenken als Täter. Falls mich jemand fragen
würde, hätte ich eine Ausrede parat mit Nachrichten als Beweis. Ich habe in dem Moment
aber nicht nachgedacht, dass meine Geschichte unplausibel von Zeitabläufen her ist. Das
war an dem Nachmittag meine geringste Sorge.
Ich schrieb meiner Frau, dass sie sich beeilen soll, heimzukommen. Ich wollte erst mit ihr
darüber reden, dann dachte ich mir, ich muss es für mich behalten. Ich darf meine Familie da
nicht mit reinziehen.
In der Nacht zwischen 05.03.23 und 06.03.23 fuhr ich nach Winterfeld. Ich wollte dort
nochmal von ihr Abschied nehmen. Ich erinnerte mich an die schönen Zeiten, die wir hatten.
Ich habe mich dort aufs Bett gesetzt, nachgedacht, geweint und überlegt, wie es nun
weitergehen kann. Ich fuhr dann am 06.03.23 gegen 3.40 Uhr weiter.
Den Rucksack mit dem Haustürschlüssel habe ich im Laufe des Tages am 07.03.23 in
Velpke samt weiteren Inhalt in einen Altkleidercontainer geschmissen. Zudem putzte ich an
dem Tag das Auto zum wiederholten Mal. Es sah aus, als ob die schlimme Tat nie passiert
wäre.
In den frühen Morgenstunden am 07.03.23 ab ca. 3 Uhr fuhr ich, soweit ich mich erinnere
nach Jeggau und lud Kezhia wieder in den Crafter. Ich holte dann den Bagger, der noch auf
der Baustelle Bahrdorf war und schaute, wo eine gute Stelle ist, um ihr ein Grab zu machen.
Ich fand in dem Waldstück eine geeignete Stelle. Grub mit dem Bagger das Loch, trug sie
aus dem Auto und legte sie dann so vorsichtig wie ich konnte in das Loch. Ich hatte den
Gedanken und Wilen, ihr nicht noch mehr weh zu tun. Ich legte ihr Fauli mit dazu und
verabschiedete mich nochmal.
Mir kam auf einmal der Gedanke, dass ich nicht will, dass sie von wilden Tieren
ausgegraben wird oder irgendwann sich zersetzt. Ich wollte sie dann also verbrennen. Ich
übergoss sie mit dem Benzin, was wir in meinem Crafter mithaben für technische Geräte. Ich
zündete sie an. Wie sie anfing zu brennen, war ich so geschockt von dem Anblick und wollte
es sofort wieder rückgängig machen, da sie mir so leidtat und ich das nicht ansehen konnte.
Ich nahm sofort den Bagger und schaufelte den Aushub wieder drüber. Das Feuer erstickte
und ich verschloss das Grab völlig mit Erde.
Ich brachte den Bagger dann wieder zur Baustelle und als mein Kollege morgens ankam,
fuhren wir diesen nach Grafhorst zur nächsten Baustelle.
Mich ließ mein schlechtes Gewissen und meine Erinnerungen an Kezhia und die Tat nicht
los. Ich konnte nicht schlafen. Fuhr viel in der Gegend rum. Ich wollte mich jemandem
anvertrauen, aber wusste, dass ich damit alleine klarkommen muss. Ich erzählte viel von
Kezhia, da meine Gedanken sich nur noch um sie drehten.
Ich fuhr in den Folgetagen viel ziellos umher – nach Jeggau, Bahrdorf und an den Orten, an
denen ich mich mit Kezhia traf oder Erinnerungen hatte, ständig vorbei. Sie fehlte mir.
Ich merkte, dass ich nicht damit leben kann und habe mich entschlossen, sie als vermisst zu melden.
Innerlich sagte ich mir, wenn sie Kezhia finden, dann ist endlich alles vorbei. Ich hatte
anfangs natürlich die Hoffnung, dass man sie vielleicht nicht findet und die Sache sich
verläuft. Ich wollte aber auch meine Familie schützen, da mir klar war, dass diese sehr leiden
wird, wenn herauskommt, dass ich Kezhia getötet habe. Ich hatte auch Angst, meine Familie
für immer zu verlieren. Im Grunde war ich aber an einem Punkt, wo es mir egal war, ob man
mich als Täter fasst. Eigentlich hatte ich es mir gewünscht, um endlich Ruhe zu finden.
Ich kann nicht verstehen, wie die Situation im Auto so aus dem Ruder laufen konnte und
frage mich bis heute, warum Kezhia durch mich sterben musste. Ich habe leider keine
wirkliche Antwort darauf. Ich weiß, ich bin der Erwachsene gewesen und hätte mit der
Situation besser umgehen müssen. Dass ich die Kontrolle verloren habe und mit der ganzen
Situation so überfordert war, ist unverzeihlich. Ich verzeihe mir selbst nicht dafür.
Durch meinen Kontrollverlust habe ich nicht nur Kezhia und meiner Familie sehr viel Leid
angetan, sondern auch der Familie und Freunden von Kezhia.
Es tut mir aufrichtig leid. Mehr kann ich nicht sagen.
Hinterlasse einen Kommentar