Kezhia: Mord oder Totschlag

 

Am Montag verkündet die 2. Strafkammer ihr Urteil gegen Tino B.

 

In der Altmark Zeitung vom Dienstag, dem 23. Januar, erschien der Prozessbericht über den 17. Prozesstag im Mordprozess gegen Tino B. in den Ausgaben für den Altmarkkreis Salzwedel und den Landkreis Stendal unter der Überschrift „Kezhia: Mord oder Totschlag? – Urteil gegen Tino B. wird am Montag verkündet“.

Die Beweisaufnahme wurde am 17. Prozesstag abgeschlossen. Das Urteil wird am Montag, 29. Januar 2024 erwartet.©T.Pfundtner

 

Klötze/Stendal – Jetzt ist es amtlich: Am kommenden Montag (29. Januar) fällt das Urteil gegen Tino B. Der Elektriker hatte zugegeben, seine 19-jährige Freundin Kezhia in seinem Dienstauto ¬ – einem VW Crafter – mit 32 Messerstichen getötet zu haben. Wie Richter Galler bereits am letzten Verhandlungstag ankündigte, wurde die Beweisaufnahme gestern abgeschlossen. Aber zunächst wurden die Polizei-Protokolle über die Spurensuche in der Halle zwei auf dem Gelände der ehemaligen LPG bei Jeggau vorgelesen. Hier, in Halle zwei, hatte Tino B. die Leiche von Kezhia kurzzeitig versteckt. In seiner Einlassung, in der er die Tat gestand und die vor Gericht bereits am dritten Prozesstag verlesen wurde, schrieb der Vater von drei Kindern: „Aus ihrem Rucksack holte ich dann ihr Kuscheltier Fauli. Sie schläft nie ohne das Kuscheltier irgendwo. Ich legte es zu ihr. Damit sie es bei sich hat und nicht alleine ist. Dann deckte ich ihren Körper mit der Decke zu. Mit den OSB-Platten, die dort lagen, habe ich den Körper weiter bedeckt, damit es nicht so auffällt.“
Nachdem auch die letzten Beweismittel mit belastenden Spuren, darunter auch zwei Messer, vorgetragen worden waren, schlug Richter Ulrich Galler vor, die Plädoyers bereits am Freitag zu halten und das Urteil zu fällen.

Doch die Verteidigerinnen machten dem Vorhaben ein Ende. Sie begründeten dies mit einem Schreiben an die Kammer, in dem sie Stellung zu drei Anklagen der Nebenklage nehmen würden. Rechtsanwalt Holger Stahlknecht, der die Mutter von Kezhia, Jeannette H., als Nebenklägerin vertritt, hatte bereits am Anfang des Prozesses drei Adhäsionsanträge bei Gericht eingereicht. Darin fordert Stahlknecht 70.000 Euro Schmerzensgeld, 6.316,27 Euro für die Beerdigungskosten sowie ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 15.000 Euro, alles zuzüglich 5 Prozent Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem geltenden Basiszinssatz von Tino B.
Er hatte beantragt und begründet, dass nach dem Urteil gegen Tino B. diese Forderungen für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Dagegen wehrten sich die Verteidigerinnen und wollten dies bis Donnerstag schriftlich gegenüber dem Gericht begründen.
Holger Stahlknecht: „Ich habe heute im Gericht noch einmal dargelegt, worum es der Verteidigung geht.“
Die Verteidigung will die vorläufige Vollstreckung nicht akzeptieren und führt dazu vier Punkte ins Feld:
Die Verteidigung bestreitet, dass Jeannette H. tatsächlich die leibliche Mutter sei.
Außerdem stände ihr kein Geld zu, da Kezhia an ihrem Tod mitschuldig war.
Ferner behauptet die Verteidigung, dass die Mutter tatsächlich die Beerdigungskosten bezahlt habe. Und schlussendlich sprechen Julia Welz und Catharina Bombach dem Arzt, der Jeannette H. seit dem Verschwinden von Kezhia begleitet, die nötige Fachkompetenz ab.

Ethische Grenzen werden von der Verteidigung weit überschritten

Der Rechtsanwalt der Nebenklägerin, Holger Stahlknecht, lehnt die Strategie der Verteidigerinnen von Tino B. als unethisch ab.©T.Pfundtner

Holger Stahlknecht wies gegenüber der AZ darauf hin, dass die Behauptungen der Verteidigung unhaltbar sind. „Es gibt ein Gutachten, aus dem klar hervorgeht, dass die DNA von Jeannette und Kezhia H. zweifelsfrei übereinstimmen.“
Auch für die Beerdigungskosten lägen dem Gericht entsprechende Kontoauszüge vor.
Woher die Verteidigung weiß, dass dem begleitenden Arzt von Kezhias Mutter die Fachkompetenz fehle, um über ihren Zustand zu reden, würde sich der Nebenklage nicht erschließen.
Die Behauptung, dass Kezhia an ihrem Tod mitschuldig sei, kommentierte Holger Stahlknecht so: „Ich arbeite selbst als Strafverteidiger. Ich glaube, es gibt eine gewisse Ethik, an die sich gehalten werden sollte. Ja, die Verteidigung kann alles anzweifeln. Ich würde nicht so vorgehen und der toten Kezhia eine Mitschuld zu unterstellen, käme mir nie in den Sinn…“
Über die Stellungnahme der Verteidigung wird das Gericht am Montag vor den Plädoyers und dem Urteil entscheiden. Für den Bruder von Kezhia, ihrem Onkel und viele ihrer einstigen Freunde, die fast alle an jedem der 18 Verhandlungstage dabei waren, geht damit voraussichtlich ein langer Weg zu Ende. „Aber die ganze Wahrheit werden wir wohl nie erfahren“, sagte Kezhias Onkel bereits vor einem Monat der AZ. Wahrscheinlich hat er recht.