Ein Roboter zum Verlieben

 

Lachsalven bei der Theaterpremiere von „Ab jetzt“.

 

Futuristisches Bühnenbild von Mark Späth.©TdA

Die verkürzte Version der Premierenkritik des neusten Theaterstücks „Ab jetzt“ am TdA werde in der Altmark Zeitung am Mittwoch, 10.April 2024, im Teil für Lokales aus Stendal  veröffentlicht. Betitelt mit „Ein Roboter zum Verlieben“ und „Premiere am Theater der Altmark strapaziert die Lachmuskeln“. Hier lesen Sie den vollständigen Text.

Aus Roboter wird liebenswertes Wesen.©TdA

Stendal – „GOU 300F.“ So lautet die offizielle Bezeichnung für einen weiblichen Roboter.

Dieser führt den Haushalt des Komponisten Jerome, der davon träumt, zum Thema „Liebe“ die Musik schlechthin zu schreiben. Dafür sammelt er in seiner Wohnung Alltagsgeräusche und Sprachfetzen, aus denen er seine Musik zusammensetzt. Dafür hat er in seinem Apartment überall, wirklich überall (!) Mikrofone installiert.

Doch seit ihn seine Frau mit der gemeinsamen Tochter vor Jahren verlassen hat, läuft kaum etwas und die Wohnung verwahrlost immer mehr. Da kann selbst der Roboter nicht alles schaffen, zumal der ständig oben und unten verwechselt. Außerdem plagt Jerome ein weiteres Problem. Er möchte unbedingt seine Tochter wiedersehen. Doch bisher haben seine Ex und das Jugendamt etwas dagegen. Sie verbieten Besuche der Tochter. Eines Tages aber kündigen sie sich doch an. Also engagiert er eine junge Schauspielerin, die gleichzeitig seine Verlobte und perfekte Hausfrau spielen soll. Doch es kommt zu einem Drama und Zoe verschwindet. Was tun? Jerome verwandelt den Roboter in die Schauspielerin und muss hoffen, dass seine Scharade nicht durchschaut wird …

Jerome (Hannes Liebmann), der mit den Ansprüchen der Welt überforderte Künstler.©TdA

Alle Akteure im Zusammenspiel machen aus dem Theaterstück ein großes Vergnügen.©TdA

Seit dem letzten Samstag (6. April) steht „Ab jetzt“, eine dystopische Komödie, auf dem Spielplan vom Theater der Altmark. Unter der Regie von Marco Bahr entstand ein Stück aus der Zukunft. Dabei verbindet er Schauspiel und Videosequenzen sehr gut miteinander. Motto: Die böse Welt bleibt außen vor, die Wohnung ist das eigentliche Zentrum – zumindest für Jerome. Die dafür gedrehten Videos, für die sich Christian Kaiser und der Regisseur mächtig ins Zeug gelegt haben und herrliche Bilder produzierten, leiten von Szene zu Szene und zeigen „wie fürchterlich es doch auf den Straßen zugeht“.

Hannes Liebmann stellt überzeugend den Komponisten als einsamen – etwas schusseligen – Mann dar, der mit „draußen“ nichts mehr zu tun haben will. Dank seiner über zehn Jahre als Ensemblemitglied kennt er die Bühne so gut, dass er wahrscheinlich die Rolle auch mit Augenbinde spielen könnte.

Im ersten Teil des Stückes agiert Josephine Behrens als Schauspielerin Zoe, während Kerstin Slawek als hinkender GOU 300F perfekt über die Bühne stolpert und ständig unten und oben verwechselt. Sie ist so überzeugend, dass „Mann“ sich glatt in sie verlieben könnte – wäre sie nicht ein Roboter. Im zweiten Teil ist es umgekehrt, diesmal schlüpft sie in die Rolle der Ex des Künstlers, Corinna. Sie würde die freakige Tochter Geain (herrlich dargestellt von Anna Luise Barth) gern seiner Obhut überlassen, da sie sich mit der Erziehung völlig überfordert fühlt. Darüber muss allerdings das Jugendamt entscheiden, das deshalb seinen besten Mann zur Kontrolle mitschickt. Fast im Alleingang gelingt es dieser Rolle, dass aus einem ­– im ersten Teil etwas zähen und in zu langen Passagen ermüdenden – Theaterstück eine flotte Komödie wird, die fast im Minutentakt Gags ins Publikum „schleudert“. Paul Worms spielt diesen „glattgebügelten“ Fachmann für Erziehungs- und Ehefragen: Aktentasche. Glattes, streng anliegendes und dick gegeltes Haar. Ein farbloser Anzug, der die Vergangenheit überlebt hat. Und Worms gibt „dem Affen so richtig Zucker“.

Echtes Zusammenspiel aller durch einen glänzenden Paul Worms in seiner Rolle als Mervyn.

Extra gedrehte Videosequenzen machen das Stück zu einem besonderen Erlebnis.©TdA

Dank den fünf Schauspielern wurde es ein netter Theaterabend, der viel Vergnügen bereitete. Paul Worms (v.l.), Josephine Behrens, Hannes Liebmann, Kerstin Slawek und Anna Luise Barth ernteten für ihre Vorstellung des in der Zukunft spielenden Theaterstücks Applaus des Publikums. ©T.Pfundtner

Er löst Lachsalven aus, als er stolz seine funkelnde Alarmanlage präsentiert. Auch der Koffer birgt viele kleine und größere Geheimnisse in sich, die hier nicht verraten werden sollen. Seit dem Erscheinen von Worms, geht es hoch her auf der Bühne: Der Sozialarbeiter ist begeistert von der Roboter-Schauspielerin, die Tochter Geain vom verwöhnten und egoistischen „Punk“ zu einem lieben Mädchen umpolt. Dazu die überkandidelte Corinna, die sich ständig mit ihrem Ex streitet und mittendrin der Sozialarbeiter und eine Tochter, die die Wohnung nicht mehr verlassen will. Und mittendrin Paul Worms. Dass er ein sehr guter Schauspieler ist, ist längst kein Geheimnis. Doch, dass er den großen Saal bespielt, als sei es sein Wohnzimmer und auch das Publikum in Sekundenschnelle für sich einnimmt, wird an diesem Abend vielen Besuchern erst so richtig bewusst.

Es gelingt ihm, in einer wichtigen Nebenrolle, die Fäden an sich zu ziehen, ohne dass die anderen in den Hintergrund treten. Dadurch entwickelte sich ein Zusammenspiel aller Akteure, das die Zeit vergessen ließ und viel zu schnell zu Ende ging. Ihren Anteil daran haben auch Mark Späth und Gretel Kautzsch, die für das Bühnenbild und die Kostüme verantwortlich zeichnen.  Auch die Musik vom musikalischen Leiter des TdA, Niclas Ramdohr, die für den Komponisten Jerome extra geschrieben und produziert wurde, ist hörenswert und bleibt im Ohr.

Kein Wunder, dass es langanhaltenden Applaus gab und bestätigte, dass leichte Komödien trotzdem große Kunst sein können – wenn alles passt.