Weniger wäre mehr gewesen

 

Premiere von „Der Glücksfall“ am Theater der Altmark

 

Patrica Hachtel und Tino Werner freuen sich über den Applaus. Der kleine Fernseher am Bühnenrand spielt eine ganz große Rolle in dem Stück. ©Foto: Pfundtner

Patrica Hachtel und Tilo Werner freuen sich über den Applaus. Der kleine Fernseher am Bühnenrand spielt eine ganz große Rolle in dem Stück.©T. Pfundtner

 

Am 2. März 2024 fand die Premiere des Zwei-Personen-Stücks „Der Glücksfall“ am Theater der Altmark statt. Die Premierenkritik dazu stand am 5. März in der Altmark Zeitung in der Ausgabe für den Landkreis Stendal im Lokalteil Stendal / Arneburg-Goldbeck. Sie trug die Überschrift „Weniger wäre mehr gewesen“ mit der UnterzeileLeben nach dem Lottogewinn: „Der Glücksfall“ feiert Premiere im Theater“.

Erst ein Glückslos, dann ein Schein des Anstoßes.©TdA

Es will nicht so recht Freude aufkommen.©TdA

Stendal – 60 Millionen! Wer träumt nicht davon, einmal eine solche Summe im Lotto zu gewinnen. Ein neues Leben. Geld im Überfluss. Keine Sorgen mehr. Jede Anschaffung kein Problem.
Aber, macht das viele Geld auch glücklich? Dieser Frage geht die ungarische Komödie „Der Glücksfall“ von György Spiró nach: Ein älteres Ehepaar, das bisher mehr schlecht als recht über die Runden gekommen ist, gewinnt eines Tages diese unvorstellbare Summe, nur weil der Ehemann heimlich Lotto gespielt und den Jackpot geknackt hat. Doch nach kurzer Zeit weicht dem Glückstaumel Skepsis und Angst. Angst, dass die Kinder nur noch an das Geld kommen wollen. Angst, von falschen Freunden betrogen und ausgenommen zu werden. Die Ängste steigern sich bis zur absurden Vorstellung, wegen des Geldes von „der Mafia ermordet zu werden.“ Aber nicht nur die Angst beherrscht das Ehepaar – ihre Diskussionen rund um den „Jackpot“ führen unaufhaltsam in eine Reflektion über ihre Ehe. Gegenseitige Vorwürfe wechseln in Sekundenschnelle. Misstrauen und Neid schleichen sich unaufhaltsam in die bisher normale Partnerschaft mit allen Höhen und Tiefen….

Bleibt der Alltag wie er ist? ©TdA

Bleibt das Paar ein Paar?©TdA

Oder überwiegt das Trennende? Weniger Höhen als Tiefen?© TdA

„Der Glücksfall“ ist nach „Mama Medea“ und „Welche Droge passt zu mir“, bereits die dritte Regiearbeit, die Intendantin Dorotty Szalma am Theater der Altmark vorlegt. Auch die Übersetzung des Stücks aus dem Ungarischen ins Deutsche stammt von ihr. Und, auch das muss gesagt werden, ebenso wie „Welche Droge passt zu mir“ hat sie auch dieses Stück bereits während ihrer vorigen Station, dem Gerhart-Hauptmann-Theater in Görlitz-Zittau, aufgeführt. Damals spielte Tilo Werner ebenfalls die Hauptrolle. Das nimmt dem „Premierengedanken“ etwas die Luft und die Spannung.
Aber. Es muss auch gesagt werden, dass Patricia Hachtel sich zum ersten Mal mit diesem Stoff „auseinandersetzen durfte“ Dennoch erleben die Zuschauer in den knapp zwei Stunden zwei Schauspieler, die auf den Punkt genau Pointen setzen und das Wechselspiel zwischen komödienhaften Elementen und Tragik perfekt umsetzen. Dabei sind es besonders Kleinigkeiten, die Akzente setzen: Vom verzweifelten Putzen einer Frau, die Angst hat, ihren Mann an eine Jüngere zu verlieren, bis hin zu den hochgezogenen Augenbrauen ihres Mannes, der ihren Argumenten nichts entgegenzusetzen hat.
Allein die Suche nach einem geeigneten Versteck für den wertvollen Lottoschein setzen Hachtel und Werner so perfekt um, dass sich die Zuschauer selbst wiedererkennen und zustimmend nicken. Nach dem Motto: So könnte ich mich auch verhalten. Auch die gegenseitigen Schuldzuweisungen erinnern an typisches Verhalten nach vielen Ehejahren: Vorwürfe des einen werden nicht ausdiskutiert, sondern mit Anschuldigungen des anderen aus dem Weg geräumt.
Nicht zu vergessen, der Umgang mit den Wünschen des Partners. Sie zanken und verspotten sich, reißen alte Wunden auf und schmieden neue Pläne. So kommt es ständig zu absurden Dialogen: Sie wünscht sich neue Gardinen. Er fragt: „Warum? Die alten sind doch noch gut.“ Und das bei 60 Millionen in spe. Er hat heimlich Lotto gespielt, sie hält das – trotz des Gewinns – für Geldverschwendung. Szenen einer Ehe, die durch den Gewinn auf der Kippe steht…

Im Fokus des Stückes steht der Umgang miteinander – der „Glücksfall“ Gewinn rückt aus dem Blick.

Die Beteiligten am Stück „Der Glücksfall“ werden mit Applaus belohnt.©T.Pfundtner

Dorotty Szalma führt Patricia Hachtel und Tilo Werner mit leichter Hand durch den langen Dialog, indem sie sich eines einfachen Tricks bedient: Sie lässt das Ehepaar Hachtel-Werner auf der Bühne so sein, wie es auch in ihrem Leben sein könnte. Dem ist natürlich nicht so: „Privat gehen wir aber anders miteinander um“, sagte die Schauspielerin, die auch gleichzeitig Oberspielleiterin am TdA ist, nach der Vorstellung der AZ. Das stimmt sicherlich, dennoch strahlt das Paar auf der Bühne – trotz aller dargestellten Konflikte – ein Verständnis füreinander aus, wie es nicht allzu häufig zu sehen ist. Und, manchmal entstehen auf der Bühne klitzekleine Momente, bei denen der Kritiker sich fragt: Wer von den beiden versucht gerade den anderen an die Wand zu spielen?

Fazit: „Der Glücksfall“ bietet dem Zuschauer einen angenehmen, manchmal nachdenklichen Theaterabend, der mit viel Applaus bedacht wurde. Einziges Manko: Ein straffender Rotstrich hätte dem Stück gutgetan, weist es doch einige Längen auf. Weniger wäre mehr gewesen!