Reichsbanner beim Theater der Altmark

 

Balkon neben dem Haupteingang mit nationalistischem Symbol verunziert

 

 

Am Samstag, 09. März 2024, erschien in der Altmark Zeitung in den Ausgaben für den Landkreis Stendal und den Altmarkkreis Salzwedel im Teil für Lokales ein Bericht über eine verstörende Entdeckung am Theater der Altmark. Die Überschrift hieß „Reichsflagge erhitzt die Gemüter -  Theater und Behörden suchen nach einer Lösung".

Der Folgeartikel erschien am Dienstag, 12. März 2024, in der AZ für den Landkreis Stendal im Teil für Lokales unter der Überschrift: „Reichsflagge verschwunden -  TdA-Intendantin zeigt sich über Schritt erleichtert".

Der Stein des Anstoßes: Banner beim Theater der Altmark.©T.Pfundtner

Stendal – Intendantin Dorotty Szalma traute ihren Augen nicht, als sie am Mittwoch aus ihrem Büro im zweiten Stock aus dem Fenster schaute: An einem Balkon links vom Haupteingang des Theaters der Altmark flatterte eine schwarz-weiß-rote Reichsflagge im Wind.  Umgehend informierte die Intendantin die Stadt. Der Grund: Die Fahne gilt allerspätestens seit ihrem Schwenken anlässlich der Corona-Demonstrationen vor dem Berliner Reichstag am 29. August 2020 als Symbol rechtsextremer Gruppierungen.

Nun also hängt dieses nationalistische Gesinnungsbanner für alle Theaterbesucher sichtbar an einem Balkon. Dieser gehört zur Wohnung eines Stendalers, von dem die Stadt vermutet, dass er sich „in der Reichsbürgerszene bewegt, ihr zumindest aber nahesteht“, wie Philipp Krüger, Leiter des Büros des Oberbürgermeisters der AZ bestätigte.

Nachdem Dorotty Szalma die Stadt über das Reichsbanner informiert hatte, erschien am nächsten Morgen ein Mitarbeiter, machte sich ein eigenes Bild und fotografierte das Banner. Seitdem suchen Theater und Behörden händeringend nach einer Lösung. Für Dorotty Szalma ist es nicht hinnehmbar, dass ihr Haus in irgendeiner Form – und sei es noch so weit hergeholt – in Verbindung mit extremen Gruppen oder nationalistischen Tendenzen gebracht wird. „Wir sind Demokraten und gegen jede Form von Extremismus.“ Gegenüber der Stadt machte sie deutlich, dass es ihr am liebsten wäre, wenn das Reichsbanner entfernt würde.

Das ist derzeit allerdings rechtlich schwer umsetzbar. Der Grund: Im September 2021 verfügte das Innenministerium von Sachsen-Anhalt, dass die schwarz-weiß-rote Fahne des deutschen Kaiserreichs unter bestimmten Umständen als Gefahr für die öffentliche Ordnung gilt und dann die Polizei das öffentliche Zeigen untersagen und das Banner beschlagnahmen darf. Doch die Hürden sind hoch, denn eine Gefahr für die öffentliche Ordnung liegt laut Erlass erst dann vor, wenn „provokative und aggressive Begleitumstände" hinzukommen und Beeinträchtigungen für das „staatsbürgerliche Zusammenleben" drohen.
Eine Gummierlass, ist sich nicht nur der Stendaler Bundestagsabgeordnete Dr. Herbert Wollmann sicher, der den gesamten Vorgang so beurteilt: „Ich glaube nicht, dass die Stadt derzeit überhaupt eine  Möglichkeit hat, das Banner rechtssicher vom Balkon entfernen zu lassen.“ Wollmann bezweifelt sogar, dass dieses der Vermieter durchsetzen könne.
Dennoch soll es nach AZ-Informationen am Freitag ein entsprechendes Gespräch zwischen der Stadt und dem Vermieter gegeben haben, in dem er gebeten wurde, dem Mieter das Entfernen der Fahne nahezulegen.
Sollte dies nicht funktionieren, arbeiten alle Betroffenen an einer Parallel-Lösung: Da die Idee, auf dem Theaterplatz vor der Reichsfahne ein riesiges Werbebanner aufzustellen, aus baurechtlichen Gründen nicht umgesetzt werden kann, wird überlegt, die Fahnenmasten, die vor dem Balkon auf dem Platz stehen mit Europafahnen und allen anderen erlaubten Fahnen zu beflaggen.
Das Problem: „Sie müssen jeden Abend abgenommen werden“, sagt Philipp Krüger, „das kann die Verwaltung nicht leisten.“ Ob es auch hier eventuell eine rechtssichere Ausnahme gibt, wird ebenfalls geprüft.
Sollte das nicht möglich sein, schlägt SPD-Politiker Dr. Wollmann vor, dass dies der Hauswart des Theaters oder andere Mitarbeiter im Wechsel übernehmen könnten.
„Ich bin sicher, dass sich im Theater Mitarbeiter finden, die das Einholen der Fahnen gern übernehmen.“ Nicht zuletzt deshalb, weil sie damit ein Zeichen für Demokratie und gegen nationalistisches Gedankengut setzen. Und wer weiß, vielleicht übernehmen sogar alle Mitarbeiter des TdA – vom Requisiteur bis zur Intendantin diese Aufgabe, damit das Signal auch überall ankommt...

Für eine Stellungnahme war der besagte Stendaler für die AZ nicht erreichbar.

Erleichterung von allen Seiten: Die Reichsflagge ist verschwunden.

Die erleichterte Intendantin © Thomas Pfundtner

Stendal – Sie ist wieder weg – die Reichsflagge, die ein Mieter auf seinem Balkon, links neben dem Haupteingang vom Theater der Altmark (TdA) an der Karlstraße aufgehängt haben soll. Seit Mittwoch sorgte das Banner durchaus für Unverständnis und Ärger (die AZ berichtete).

Zwar ist die Flagge nicht verboten, dennoch gilt sie als Symbol für recht nationalistische Gesinnung. Tatsächlich hatten Polizei und Verwaltung genau deshalb auch ein Problem, da sie kaum Möglichkeiten hatten, die provokative Fahne entfernen zu lassen. Eine ordnungspolitische oder gar strafrechtliche Handhabe war nicht vorhanden. Wie die Verwaltung des Theaters der AZ am Montag mitteilte, wurde mit dem Eigentümer des Mietobjektes in der Karlstraße kommuniziert und sich verständigt. Mit Erfolg: Die Fahne ist verschwunden. „Das Theater steht für Diskurs, Dialog, kritisches Denken, Toleranz, Offenheit, Demokratie, Vielfalt, Menschenfreundlichkeit und Humanismus“, sagte Dorotty Szalma, Intendantin des TdA und merkte an, dass sie und das Theater froh seien, dass das Problem gelöst werden konnte.