Terminstress bei Sanierung

 

Fähre Werben soll nach 8 Monaten im Trockendock am 15. Mai zu Wasser gelassen werden

 

 

Am Donnerstag, 25. April 2024, erschien in der  Altmark Zeitung  in der Ausgabe für den Landkreis Stendal im Lokalteil unter der Überschrift: „Terminstress auf der Schiffswerft -  Fähre Werben soll nach acht Monaten im Trockendock ins Wasser" der Bericht über den aktuellen Stand der Sanierung der Gierseilfähre von Werben.

Die Technik der Gierseilfähren wurde im 17. Jahrhundert von dem Holländer Hendrick Heuck erfunden; ohne Lärm und motorlos gleiten die Gierseilfähren unter Nutzung der Strömungskraft des Wassers von einer Uferseite zur anderen. Durch ein im Fluss verankertes Drahtseil, das an der Fähre befestigt ist, wird sie durch Schrägstellen zur Strömung an das andere Ufer gedrückt. Voraussetzung für diese Art des Fährbetriebes ist ein frei fließender Fluss mit einer Strömungsgeschwindigkeit ab ungefähr 2 km/h.

Bürgermeister Bernd Schulze schaut sich regelmäßig an, wie weit die Arbeiten an der Fähre Werben fortgeschritten sind.

Werben/Derben – „Wir bekommen eine neue Fähre“, freut sich Werbens Bürgermeister Bernd Schulze. Seit September pendelt er regelmäßig zwischen der kleinsten Hansestadt der Welt und der Schiffswerft Hermann Barthel hin und her, um sich über die Fortschritte der Revisionsarbeiten an der Motor- und Gierseilfähre zu informieren.

Die Generalüberholung hätte eigentlich bereits im Dezember 2022 erfolgen sollen. Auf zwei europaweite öffentliche Ausschreibungen meldete sich kein Werftbetrieb. Erst als die Verwaltung fünf Werften an der Elbe anschrieb, erhielt Derben aufgrund des wirtschaftlichsten Angebots den Zuschlag.

Eine der neuen beiden Winden auf dem Schiff. Daneben entsteht ein Lenkpult für den Fährmann.©T.Pfundtner

Bevor es zur Bauberatung geht, wirft Bürgermeister Schulze einen letzten Blick aufs Schiff.©T.Pfundtner

Und die Fähre hat es dringend nötig, von oben bis unten auf Vordermann gebracht zu werden: Bisher wurde alle fünf Jahre nur das Allernötigste repariert, da die Arbeiten vom Land lediglich mit 50 Prozent gefördert wurden. Die andere Hälfte musste die Stadt tragen. Mittlerweile übernimmt das Land 90 Prozent der 602.000 Euro brutto, die für die Überholung aufgebracht werden müssen. Abzüglich der Mehrwertsteuer verbleibt ein Nettobetrag von 506.000 Euro. Davon trägt das Land 453.000 Euro. Den Rest, also   53.000 Euro ohne Mehrwertsteuer, die anders berechnet wird, muss die Hansestadt stemmen.

Eine Menge Holz, aber es muss auch viel gemacht werden: Neue Winden. Neue Schranken. Rundum neue, sichere Geländer. Ferner muss die gesamte Elektrik und Elektronik für rund 150.000 Euro ersetzt werden. Allein dafür müssen mehrere Kilometer Kabel im Schiffskörper und den Aufbauten der gesamten Fähre verlegt werden. Auch die Anlandeklappen mussten ausgetauscht werden – totaler Verschleiß. Eine Besonderheit, an der gerade gearbeitet wird: Künftig kann der Kapitän die Fähre an vier Stellen bedienen und lenken: Führerhaus, Kassenhaus und draußen an den beiden Winden. Das erspart Zeit und erhöht die Sicherheit.

Zur Sanierung gehören logischerweise auch die gesamte Konservierung des Stahlrumpfs, die sich in den vergangenen 33 Jahren immer weiter auflöste, sowie der komplett neue Anstrich für das gesamte Schiff. Über die Farbe entscheiden die Fährmänner: „Sie schwanken noch zwischen grau und beige“, erzählt Bürgermeister Schulze bei einem Besuch der AZ auf dem Schiff. „Weiß scheidet aus", sagt er weiter, „da es bei Sonne zu sehr blendet.“

Nicht zu vergessen, die Aufbauten, die ebenfalls gründlich saniert werden: Neue Dämmungen, Umbau des Aufenthaltsraums, des Kassenraums und der sanitären Anlagen.  Diese Maßnahmen allerdings muss die Hansestadt selbst durchführen und finanzieren: „Nach den Förderrichtlinien gehören der Kassenraum, die Toiletten und der Aufenthaltsraum nicht zum Schiff und werden nicht gefördert“, ärgert sich Schulze. Hier entsteht eine Zusatzbelastung im Haushalt von mindestens 10.000 Euro. Da der Bürgermeister nur Unterschriftsvollmacht bis zu 6.000 Euro hat, musste der Stadtrat zustimmen. „Ich habe eine Generalvollmacht bekommen, entsprechend zu handeln, denn alle waren sich einig, dass unsere Fähre allen Ansprüchen genügen soll – sowohl für die Nutzer als auch für die Besatzung.“  Ausgeführt werden die Arbeiten derzeit von einem Schreiner sowie einem Fährmann.

Noch herrscht Kuddelmuddel auf der Gierseilfähre, aber in wenigen Wochen ist alles wieder neu und schön.©T.Pfundtner

Einige Faktoren führten zur längeren Wartungszeit der Fähre.

 Die Dämmung des Kassenhäuschens wird nicht gefördert, sondern muss von der Stadt bezahlt werden.©T.Pfundtner

Blick auf einige Kabelstränge, die durch das ganze Schiff verlaufen.©T.Pfundtner

Als die Fähre am 6. September nach Werben gebracht wurde, hofften alle, dass die Revision zum Frühjahrsbeginn erledigt sein würde. Doch Frost, Schnee, Eis und Hochwasser machten dem im Dezember und Januar einen dicken Strich durch die Rechnung: „Darauf hatte die Werft uns aber hingewiesen und rechtzeitig eine „Behinderungsanzeige an die Stadt geschickt“.

Neben den Wetterproblemen ist aber auch der Fachkräftemangel ein großes Problem: „Der hat mittlerweile auch die Werften erreicht“, weiß Schulze, betont aber auch, „dass das Werftpersonal großes Engagement und hohen Einsatz beweist.“

Dies ist nicht nur bei den regelmäßigen Bauberatungen, sondern auch bei jedem Gang über das Deck zu spüren: Hier kreischt eine Flex funkensprühend durch Stahlplatten, dort werden Kabel verlegt oder die Schranken kontrolliert. Fast immer sind vier oder fünf Arbeiter an Deck. Für den Laien wirkt vieles oft unkoordiniert, „doch“, wie Schulze versichert, „verläuft alles genau nach Plan.“ Das muss auch sein, denn die Zeit drängt. In den kommenden Tagen müssen alle technischen Arbeiten beendet sein, da am 15. Mai das Schiff zu Wasser gelassen werden soll. Bis dahin müssen auch die Konservierung und der Anstrich abgeschlossen sein. Wenn dann alles glatt geht, wird die Fähre knapp zwei Tage später an ihrem Elbestandort „anlegen“ – und der Fährbetrieb geht endlich wieder los.