Der Artikel „Karlsson vom Dach“ erobert Stendal – Romanfigur von Astrid Lindgren fliegt in die Herzen der Kinder erschien am 15. November in der Altmark Zeitung in der Ausgabe für den Landkreis Stendal im Lokalteil Stendal/ Arneburg-Goldbeck.

Stendal – Begeistertes Kinderlachen. Getrampel und Gejohle.  Im Takt klatschen und mitsingen. Das alles und noch viel mehr passierte bei der Premiere von „Karlsson vom Dach“ im Theater der Altmark. Und das, obwohl die drei Kinder-bücher von Astrid Lindgren bereits vor 68 Jahren zum ersten Mal in Schweden erschienen sind. Ein Jahr später kam der erste Band „Lillebror und Karlsson vom Dach“ auch in Deutschland auf den Markt. Seitdem hat der kleine, dicke Mann „in den besten Jahren“ Millionen Kinder auf der ganzen Welt begeistert. Und – kaum zu glauben – in der ehemaligen Sowjetunion war Astrid Lindgren eine „Schriftstellerin des Volkes“ wie keine andere. Boris Pankin, einstiger sowjetrussischer Botschafter in Stockholm, berichtete, dass es nur zwei Bücher gab, die in den meisten Haushalten der Sowjetunion zu finden waren: Die Bibel und Karlsson vom Dach!

Lillebror hat einen erstaunlichen Freund.©Foto: TdA/Nilz Böhme

Nun also erobern der siebenjährige Lillebror und sein neuer Freund Karlsson vom Dach Stendal. Lillebror ist ein ganz gewöhnlicher Junge, der sich nicht nur von seinen Geschwistern Birger und Betty vernachlässigt fühlt, sondern auch von seinen Eltern. Sie haben überhaupt keine Zeit für ihren jüngsten Sprössling. Eines Tages, als Lillebror wieder einmal mit sich und der Welt überhaupt nicht im Reinen ist, hört er ein leises Brummen, das immer lauter und lauter wird – bis plötzlich ein kleiner, rundlicher Mann auf der Fensterbank sitzt: Karlsson! „Heißa hopsa“, schmettert er dem überraschten Jungen entgegen, der aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Wunderlich sieht er aus, dieser überraschende Besuch: roter Propeller auf dem Rücken, karierte Hosen, grünes Hemd und gelbe Fliege. Was Lillebror nicht ahnt:  Karlsson ist unverschämt, nörgelt und quengelt. Außerdem ist er überall der Beste: Sei es beim Dampflokomotive fahren, beim Diebe fangen oder Kranksein. Außerdem ist er rücksichtslos, gierig, egoistisch und wohl auch der „größte Manipulator der Welt“.  Kurz gesagt – Karlsson vom Dach ist so ungefähr alles, was Eltern ihren Kindern zu Recht schleunigst abgewöhnen wollen. Dennoch entwickeln Lillebror und Karlsson eine Freundschaft, mit Erlebnissen, die immer im Chaos enden. Aber, wie pflegt Karlsson dann immer zu sagen: „Das stört doch keinen großen Geist“ …

Karlsson überrascht und macht sprachlos.©Foto: TdA/Nilz Böhme

Auch im TdA kann Karlsson natürlich fliegen.©Foto: TdA/Nilz Böhme

Am Theater der Altmark wurde die zeitlose Geschichte von Astrid Lindgren liebevoll von Regisseurin Patricia Hachtel in die Gegenwart transformiert: Betty flitzt ständig mit Kopfhörern über die Bühne. Die Eltern ersticken in Arbeit und sind kaum zuhause, Birger möchte Fußballprofi werden und Lillebror ist nach wie vor ein ganz gewöhnlicher Junge. Dazu aktuelle Musikströmungen – Rap, Hip-Hop, Rock, Pop, Schlagertöne und sanfter Beat. Der Stendaler Karlsson ist eine musikalische Erzählung, die zum Mitsingen und Mitmachen einlädt.

Tilo Werner als der beste Karlsson der Welt, Oscar Seyfert als schüchterner Lillebror sowie Josephine Behrens und Fynn Zinapold in den anderen Rollen   bringen das Publikum zum Lachen, Staunen, Klatschen und Johlen. Die Liedtexte, die aus der Feder von TdA-Ensemblemitglied Kerstin Slawek stammen, sind intelligent, hintergründig und treffen immer wieder genau das, was junge Menschen und auch ihre Eltern bewegt. Schon jetzt sei verraten, dass die Musik in gut zwei Wochen an der Theaterkasse erhältlich sein wird.

Eigentlich dreht sich auf der Bühne eigentlich alles immer nur um Karlsson, was Tilo Werner perfekt ausnutzt und in Szene setzt. Er zieht alle Register und läuft zu Höchstform auf. Mal ist er frech, dann wieder trotzig und eigenbrötlerisch. Manchmal sentimental. So wie „Karlsson vom Dach“ überzeugt Tino Werner in jeder Szene das Publikum, dass er stets in der Lage ist, jede Langeweile wegzupusten oder neue Schabernacks auszubrüten. Tilo Werner spielt nicht für sich, sondern für die Zuschauer, egal, ob klein oder groß. Sicher, die anderen drei Darsteller geraten dadurch etwas in den Hintergrund, sind aber dennoch präsent und einprägsam. Oscar Seyfert schlüpft einprägsam in Lillebror hinein. „Ja, so waren wir auch“, mag so mancher Vater gedacht haben, während dem jungen Publikum auf charmante Art and Weise der Spiegel vorgehalten wurde. Großes Lob auch für Josephine Behrens und Fynn Zinapold, die sich zurücknehmen – ohne blass zu wirken – und Karlsson und Lillebror den Vortritt lassen. Mitreißend sind auch die Video-Animationen von Dorotty Szalma. Allein der kleine Brummer Karlsson, der auf der Leinwand rollend und purzelnd angeflogen kommt, ist mehr als einen Blick wert.

Trotz dieser wunderbaren Aufführung gibt es einige Wermutstropfen: Vielleicht hat niemand beim Spielplan daran gedacht, dass am 11.11. in Stendal extrem viel los war: Karnevals-Eröffnung, Martinstag mit Traditionsfeuer und vieles mehr. Da blieb vielleicht keine Zeit mehr für einen Theaterbesuch, sodass der große Saal (leider) nicht einmal zur Hälfte gefüllt war. Schade auch, dass die wirklich gute Musik nur vom Band kam und nicht live erklang. Wohl ein Kostenfaktor, der leider der hervorragenden Inszenierung einen kleinen Dämpfer verpasste.

Und zu guter Letzt die Frage, wer denn nun der bessere Karlsson ist – der aus dem Buch oder auf der Bühne. Ganz ehrlich, der beste Karlsson der Welt brummt und motzt sich durch das Buch. Der Zweitbeste findet sich in den diesjährigen Weihnachtsmärchen für Kinder und Erwachsene auf der Bühne des TdA!