Tino B. ist ein Mörder

Urteil im Kezhia-Prozess: Angeklagter Tino B. zu lebenslanger Haft verurteilt

 

Am Montag verkündete die 2. Strafkammer ihr Urteil gegen Tino B.

 

 

In der Altmark Zeitung vom Dienstag, dem 30. Januar 2024, erschien der Prozessbericht über die Urteilsverkündung gegen den Angeklagten Tino B. im Mordprozess Kezhia H. in den Ausgaben für den Altmarkkreis Salzwedel und den Landkreis Stendal unter der Überschrift

Lebenslang für Kezhias Mörder – Stendaler Landgericht bewertet Tat von Tino B. als geplant

Tino B. beim Betreten von Saal 218 © T.Pfundtner

Klötze/Stendal – Nach 18 Verhandlungstagen verurteilte die 2. Strafkammer am Landgericht Stendal den Angeklagten Tino B. zu lebenslanger Haft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der ehemalige Fußballtrainer seine langjährige Freundin Kezhia H. (19) nicht im Affekt getötet hatte, sondern die junge Frau ermordete. Damit folgten der Vorsitzende Richter Ulrich Galler, Richterin Dietlinde Storch, Richter Felix Hartling sowie die beiden Schöffen den Strafanträgen von Oberstaatsanwältin Ramona Schlüter und dem Vertreter der Nebenklage, Rechtsanwalt Holger Stahlknecht, in allen Punkten.

Dabei sah es zu Beginn des Verhandlungstags nicht danach aus, als ob tatsächlich ein Urteil fallen würde. Grund: Pflichtverteidigerin Julia Melz aus Leipzig und ihre Kollegin Catharina Bombach aus Gardelegen versuchten mit einem letzten Antrag, den Prozess platzen zu lassen, indem sie einen Befangenheitsantrag gegen Ulrich Galler stellten. Sie warfen ihm vor, dass er sich darüber hinwegsetzen würde, eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg nicht abzuwarten. Dabei ging es um eine Beschwerde der Anwältinnen gegen die Ablehnung eines ihrer vielen Beweisanträge, durch die Kammer. Sie unterstellten im Namen ihres Mandanten, dass Ulrich Galler die Verhandlung nicht unvoreingenommen führe und für ihn das Urteil bereits feststünde.

Wie an vielen Verhandlungstagen zuvor, musste die Verhandlung für knapp zwei Stunden unterbrochen werden, damit über den Antrag entschieden werden konnte. Da Richter Galler nicht mit über den Antrag befinden durfte, musste als Ersatz für ihn Richterin Julia Rogalski einspringen.

Wie zu erwarten, wurde der Antrag abgewiesen. Unter anderem, weil richterliche Entscheidungen in einem Prozess nicht beschwerdefähig sind und eine höhere Instanz eingeschaltet wird. Pressesprecher Michael Steenbuck: „Ansonsten könnte jede gerichtliche Entscheidung im laufenden Strafverfahren angefochten werden, sodass ein Ende nicht abzusehen wäre.“

Oberstaatsanwältin: Es war heimtückischer, geplanter Mord

Tino B. auf dem Weg zu seinem Platz zwischen seinen Verteidigerinnen.© T.Pfundtner

Nachdem dies auch abgeklärt war, konnten endlich die Plädoyers beginnen. Oberstaatsanwältin Ramona Schlüter führte ausführlich aus, warum es sich bei der Tat von Tino B. um keine Affekthandlung, sondern um heimtückischen Mord gehandelt habe. Sie erläuterte, dass Tino B. die Tat systematisch vorbereitet hatte, um sich des Problems Kezhia zu entledigen. „Für das Opfer war der Angeklagte mehr als nur eine Schwärmerei. Er war für Kezhia nicht nur die erste große Liebe, sondern auch eine Vertrauensperson und eine Art Vaterersatz.“  Laut der Staatsanwältin hätte die junge Frau mit Tino B. die Hoffnung auf ein gemeinsames Leben und ein Kind verbunden. Dies aber habe der Täter alles nicht gewollt. Er wollte sich nicht von seiner Frau scheiden lassen. Er wollte kein Kind von Kezhia und auch keine gemeinsame Wohnung mit ihr beziehen. „Er hat ihre Unreife ausgenutzt“, sagte Ramona Schlüter. Doch dann habe er sich immer mehr in Halbwahrheiten verstrickt und geriet immer mehr in die Enge, da er wusste, Kezhia würde alles seiner Frau erzählen, wenn er sie verlassen würde. Also fasste der Vater von drei Kindern den Entschluss, seine Freundin zu töten. Unter anderem habe er seine Freundin zielgerichtet als krank dargestellt und auf ein schlechtes Verhältnis zu ihrer Familie hingewiesen. Vor der Tat habe er sein Handy ausgeschaltet, um nicht geortet werden zu können. Nach dem Mord habe er Kezhias Handys zerstört und die Leiche „zwischengelagert“.

Das war aber längst nicht alles: Kurz vor ihrem Tod hatte Kezhia Freunden und Verwandten erzählt, dass sie mit Tino B. zu einem Fußballspiel nach Wolfsburg und dann zu einem Konzert nach Freiburg fahren würde. Ramona Schlüter: „Aber das wollte der Angeklagte nicht. Er hatte keine Karte für Kezhia für das Spiel Wolfsburg - Frankfurt besorgt und auch keinen Urlaubsantrag bei seinem Arbeitgeber für die Fahrt nach Freiburg gestellt.“ Abschließend machte die Oberstaatsanwältin deutlich, dass die Einlassung von Tino B. zum Tatverlauf keinesfalls glaubwürdig und nachvollziehbar sei. Und sie gab zu Bedenken, dass Kezhia bei dem letzten Treffen unbedingt mit Tino B. Geschlechtsverkehr haben wollte. Als sie halbnackt im Auto saß, war sie wehrlos und hat nie daran gedacht, dass sie sterben müsse, führte Ramona Schlüter aus.

Den Argumenten der Staatsanwältin schloss sich der Vertreter von Nebenklägerin Jeannette H., der Mutter Kezhias, weitestgehend an.

Die „Freundesgruppe Kessy" war an allen Prozesstagen vor Ort im Gericht in Stendal dabei. Am Tag der Urteilsverkündung stellten die Freunde sich in schwarzen T-Shirts mit der Aufschrift „Du fehlst" vor dem Landgericht auf.©T.Pfundtner

„Wir haben heute den 29. Januar. An diesem Tag vor einem Jahr hatte Kezhia noch genau 35 Tage zu leben“, begann er sein Plädoyer. Dann führte er aus, dass Tino B. einer optimistischen jungen Frau, die positiv in die Zukunft blickte, ihr Leben entrissen habe, weil er sich in seiner Welt aus Halbwahrheiten, Vermischungen und Lügen immer tiefer verstrickt habe. „Er war wie ein Jongleur, der wie mit seinen Bällen hantiert, mit seinen Halbwahrheiten und Lügen jonglierte.“ Dies habe auch Kezhia gespürt, die in ihren Liebesbriefen, „die ich hier nicht weiter zitiere, da sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen wurden“, ihre Probleme mit Tino B. beschrieb – immer hin- und hergerissen zwischen Versprechen, Heimlichkeit und Hinhalten. - Holger Stahlknecht: „Um es umgangssprachlich zu sagen, Kezhia fühlte sich von Tino B. ver….t.“ Der Anwalt wies darauf hin, dass Tino B. während seiner Beziehung zu Kezhia, noch ein anderes Techtelmechtel hatte, „aber da war klar, dass es nur um Sex ging.“ Anders eben bei Kezhia, die ein Leben mit ihm führen wollte. Auch die Einlassung des Täters hielt  Stahlknecht für unglaubwürdig, angefangen von der Tatbeschreibung bis hin zu Verletzungen, die Kezhia und er, sich vorher zugefügt hatten. Kurz vor Ende seines Plädoyers wandte sich der ehemalige Innenminister an die Anwälte von Tino B. Er warf ihnen vor, dass sie kurz vor dem letzten Verhandlungstag seiner Mandantin Falschaussage und Prozessbetrug vorgeworfen hatten. Angeblich hätte sie Spenden für sich behalten. Diese 700 Euro müssten von den eingeklagten Beerdigungskosten abgezogen werden. „Derartige Spenden sind ausdrücklich für die Geschädigten, nicht zum Vorteil für den Täter vorgesehen“, sagte der Anwalt, und warf ihnen mangelnde juristische Qualifikation vor, „das haben Sie hiermit nicht zum ersten Mal im Laufe dieses Verfahrens bewiesen.“

Verteidigung: Tat im Affekt geschehen

Rechtsanwalt Holger Stahlknecht nach der Urteilsverkündung©T.Pfundtner

Nach den Ausführungen begann Julia Melz für den Täter zu sprechen. Es gäbe keinerlei Hinweise, die für einen Mord sprechen würden. Dennoch sei es Fakt, dass Kezhia ihren Mandanten im Auto festhielt und Sex von ihm forderte. „Und dabei hielt sie ein Messer in der Hand." Auch hätten sämtliche Gutachter mit ihren Aussagen die Wahrheit der Einlassung von Tino B. bestätigt. Auch hätte der Obduktionsbefund mit der Beschreibung der Art der 32 Messerstiche bewiesen, dass Tino B. im Affekt gehandelt habe.

Und letztendlich sei im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden,  weil es keinen Grund gäbe, seinen Einlassungen nicht zu glauben.

Catharina Bombach führte in ihrem Plädoyer aus, dass die Beweisaufnahme keinerlei Hinweise auf Mordmerkmale erbracht habe. Im Gegenteil, es spräche viel für die Einlassung des Angeklagten: „Wir haben 17 Tage verhandelt. Dabei wurden unsere Beweisanträge mit vielen kreativen Begründungen abgelehnt, um weitere Aufklärung zu verhindern“, beendete sie ihr Plädoyer und forderte ein angemessenes Strafmaß wegen Tötung im Affekt.

Nachdem sämtliche Plädoyers gehalten waren, fragte Richter Galler den Angeklagten, ob er sich äußern wolle. Nach einem fragenden Blick zu seiner Pflichtverteidigerin, die ihm wohlwollend  zunickte, wischte Tino B. mit einem Tempotuch sein Gesicht ab: „Ich möchte mich aufrichtig und ehrlich entschuldigen“, begann er stockend, „ich weiß, dass was ich getan und danach gemacht habe, bleibt immer meine Schuld. Ja, ich habe Panik gehabt. Ich wollte nicht mehr ins Gefängnis. Es tut mir alles leid.“

Auch dem schien das Gericht nicht zu folgen. Nicht nur, dass es Tino B. zu lebenslanger Haft verurteilte – auch weil es keinen strafmildernden Grund sah. Nein, die Kammer gab auch den Adhäsionsanträgen von Holger Stahlknecht statt und gewährte ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro, inklusive Hinterbliebenengeld sowie 6.000 Euro an Beerdigungskosten. Das Urteil kann sofort vollstreckt werden: „Kein Geld der Welt, kann den Verlust eines geliebten Menschen ersetzen“, sagte Holger Stahlknecht nach dem Urteil, „aber ich bin froh, dass die Staatsanwaltschaft und ich in allen Punkten recht bekommen haben und Tino B. als Mörder verurteilt wurde.“

Das Urteil wird in einer Woche rechtskräftig, sofern keine Revision eingereicht wird. Die Verteidigung hatte aber bereits angekündigt, gegen das Urteil vorgehen zu wollen, sodass das Verfahren eventuell vor dem Bundesgerichtshof landen wird. Für die Verwandten und die vielen Freunde von Kezhia, die an allen Verhandlungstagen dabei waren, ist dies aber erstmal nebensächlich: „Endlich herrscht Klarheit“, sagte Thomas O. der AZ, „und B. wurde als Mörder verurteilt: Aber auch klar ist, dass Kezhia nie wieder bei uns sein wird.“

Und der Onkel von Kezhia sagte: „Es ist vorbei, auch wenn es nie vorbei sein wird. Unsere Familie muss jetzt versuchen, dennoch zurück ins Leben zu finden. Es ist aber auch höchste Zeit, dass wir nun wieder an uns denken.“