Ganz großes Theater im Rangfoyer

In „Bartsch, Kindermörder“ begeistert Oscar Seyfert Publikum und TdA-Kollegen

Oscar Seyfert als Jürgen Bartsch auf der Bühne des TdA© T.Pfundtner

Am 4. Januar 2024 gab es die Premiere des Monolog-Stückes „Bartsch, Kindermörder“ am Theater der Altmark. Die Premierenkritik stand am 9. Januar in der Altmark Zeitung in der Ausgabe für den Landkreis Stendal im Lokalteil Stendal / Arneburg-Goldbeck. Sie trug die Überschrift „Jungschauspieler begeistert“ mit der Unterzeile „Theater der Altmark: Monolog gibt Gedanken eines Kindermörders wieder“.

Überzeugendes Spiel im minimalen Bühnenbild.©T.Pfundtner

Stendal – Er ist 22, stammt aus Schkeuditz und hat am Donnerstagabend bewiesen, dass er das Zeug zum Ausnahme- Schauspieler hat: In einem gut 70-minütigen Monolog mit Texten aus Briefen des vierfachen Kindermörders Jürgen Bartsch an den deutsch-amerikanischen Journalisten Paul Moor verblüffte Oscar Seyfert sowohl das Publikum als auch Theaterkollegen mit einem immens facettenreichen Spiel. So facettenreich, dass die Zuschauer gebannt den Erklärungen der „Bestie von Langenberg“ folgten und kaum zu atmen wagten.

Damit nicht genug: Ein alter Plattenspieler, eine Matratze und ein Stuhl reichten als Kulisse, füllte doch dieser junge Schauspieler mit seiner Präsenz die gesamte Bühne.

Oscar Seyfert begeisterte als Kindermörder Jürgen Bartsch. Leider läuft der TdA-Vertrag des jungen Talents aus.©T.Pfundtner

Egal, ob die Zuschauer in der ersten Reihe oder ganz hinten saßen – jeder spürte die „fast schon bedrückende“ Atmosphäre im Raum: Wo Seyfert stand, stand Jürgen Bartsch. Wenn er sich auf dem Stuhl räkelte, war es der schreckliche Kindermörder, der dort saß. Es war nicht Seyfert, der auf der Matratze lag, sondern die „Bestie von Langenberg“, die bereits mit 15 Jahren einen 8-jährigen Jungen in eine Höhle verschleppte, sexuell missbrauchte, ermordete und dann zerstückelte. Für 70 Minuten stand Jürgen Bartsch auf der Bühne – und nicht der Schauspieler. Das ist hohe Theaterkunst, ganz hohe.

Es ist aber nicht nur der klare Monolog, der die Zuschauer innehalten lässt. Nein, es sind viele Kleinigkeiten, die sich wie ein Mosaik zusammenfügen: Zum Beispiel die Hände. Sie bewegen sich andauernd, mal verlegen an den Hosentaschen spielend, dann beim Rollen von Zigaretten und dem Hin- und Herbewegen dieser Glimmstängel, ruhig und konzentriert. Es scheint so, als ob Seyferts Hände ständig mit dem Monolog korrespondieren: Berichtet Bartsch von seiner massiv verkorksten Kindheit, nesteln die Finger an der Hosentasche. Spricht er über seine Zeit im Kloster und Missbrauch durch die Priester, gleiten die Hände ziellos über die Hose, um im Intimbereich zu verweilen.

Es ist tatsächlich faszinierend, zu beobachten, wie es Oscar Seyfert gelingt, Körpersprache, Tonalität und Mimik so miteinander zu verbinden, dass dort tatsächlich Bartsch, der Kindermörder, auf der Bühne steht. Ein Täter, mit dem man Mitleid haben könnte, wenn man die Fakten nicht kennen würde. Ja, Jürgen Bartsch hatte eine schreckliche Kindheit und Jugend, die mit Gewalt und Missbrauch verknüpft war. Aber, er war und ist mit dieser Vergangenheit kein Einzelfall. Und nicht jeder der Betroffenen wurde zum Kindermörder.

Diese unleugbare Tatsache ist mit entscheidend dafür, dass Jürgen Bartsch auf der Bühne letztendlich doch nicht Mitleid erregt, sondern ein Kinderkiller mit unverständlichen Mordfantasien bleibt … Darüber kann auch das faszinierende Spiel von Oscar Seyfert nicht hinwegtäuschen. Doch das wusste der Schauspieler und hat dennoch einen klitzekleinen Raum für eine Art von Empathie für die Bestie geschaffen.

Oscar Seyfert und Patricia Wachtel nehmen den verdienten Applaus entgegen.©T.Pfundtner

Der junge Schauspieler überraschte durch sein eindrückliches Spiel

Oscar Seyfert und Dorotty Szalma nach der erfolgreichen Premiere.©T.Pfundtner

Dorotty Szalma war nicht nur verblüfft, sondern begeistert von Oscar Seyfert und nahm ihn immer wieder stolz in die Arme.©T.Pfundtner

Es gebietet sich, vorsichtig mit Lob umzugehen, aber dieser Abend bleibt lange in Erinnerung.

Deshalb kann das Theater der Altmark auch stolz sein, diesem jungen Mann eine Chance gegeben zu haben. Er hat geliefert und sich in die Herzen der Zuschauer gespielt. Es wäre kaum zu verstehen, wenn Intendantin Dorotty Szalma ihn ziehen lassen würde. Seyfert hat sich ein langjähriges Engagement verdient – an unserer Bühne. Hoffentlich kommt es auch so, denn das TdA bietet optimale Möglichkeiten für den optimalen Umgang mit Ausnahmetalenten, dank der Oberspielleiterin Patricia Hachtel und der Intendantin!

02: Dorotty Szalma war nicht nur verblüfft, sondern begeistert von Oscar Seyfert und nahm ihn immer wieder stolz in die Arme. Fotos: Pfundtner