Dorotty Szalma: „Ich will nicht an den falschen Schrauben drehen“

Die künftige Intendantin des TdA über ihre ersten Monate in Stendal

Dorotty Szalma, künftige Intendantin des Theaters der Altmark, ihr Mann Greg und Tochter Mila leben schon einige Monate in der Rolandstadt. Zur neuen Spielzeit tritt D. Szalma ihre neue Stelle an. © Foto: Thomas Pfundtner

 Seit einigen Monaten lebt Dorotty Szalma mit ihrer Familie in der Hansestadt und bereitet sich auf ihre neue Aufgabe in der Hansestadt vor. Ab der kommenden Spielzeit wird sie das Theater der Altmark leiten. Im Gespräch mit der AZ äußert sie sich dazu, was die Zuschauer künftig erwartet.

Dieses Porträt wurde in der Altmark Zeitung im Regionalteil Landkreis Stendal am Samstag, 31. Dezember 2022, unter Lokales und der Überschrift: Neue Chefin will Bewährtes erhalten und am Montag, 02. Januar 2023, im Regionalteil Altmarkkreis Salzwedel unter Lokales und der Überschrift: Neue TdA-Intendantin will Bewährtes erhalten veröffentlicht.

Dorotty Szalma  noch draußen vor der Tür. © Foto: Thomas Pfundtner

Stendal. Eigentlich könnte sie sich noch einige Monate Zeit lassen. Und eigentlich könnte sie auch noch ein paar Inszenierungs-Aufträge annehmen – an anderen Bühnen. Aber, so tickt Dorotty Szalma nicht.

Im Gegenteil: Seit im Juni offiziell bekanntgegeben wurde, dass die Ungarin ab der kommenden Spielzeit die Intendanz am Theater der Altmark übernimmt, bereitet sie sich akribisch auf die neue Herausforderung vor.

Bereits seit mehreren Monaten leben Dorotty Szalma (48), ihr polnischer Mann Greg, der ebenfalls Künstler ist, und die gemeinsame Tochter Mila in Stendal. Derzeit noch in einer kleinen Wohnung, aber der Umzug in ein familiengerechtes Häuschen am Stadtrand ist bereits noch vor Weihnachten eingeplant. „In meinem Leben gibt es zwei wichtige Dinge – meine kleine Familie und das Theater.“

Nachdem der scheidende Intendant Wolf E. Rahlfs bekanntgab, dass er seinen Vertrag mit dem TdA nicht verlängern werde und es ihn zurück nach Baden- Württemberg ziehe, gab es 36 Bewerbungen auf die vakante Position. Nach einem komplizierten Auswahlverfahren mit zahlreichen Gesprächen stand am Ende fest: Mit ihrem Konzept und ihrer Begeisterung überzeugte Dorotty Szalma die Findungskommission. Damit bekommt das renommierte TdA zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Frau als Intendantin.

Der ehemalige Oberbürgermeister Klaus Schmotz erinnert sich: „Mich hat nicht nur Dorotty Szalmas künstlerisches Konzept überzeugt. Beeindruckt war ich, wie sehr sie sich bereits im Vorfeld mit der Stadt, den Menschen und der Region auseinandergesetzt hat.“

Geboren in Budapest, wuchs sie in Wien auf. 1994 bestand sie dort ihr Abitur und begann an der Universität Theaterwissenschaften und Italienisch zu studieren. 1996 wechselte sie nach Frankfurt am Main an die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Zur Jahrtausendwende legte sie ihre Abschlussprüfungen ab und arbeitete an verschiedenen Theatern als freie Regisseurin. Unter anderem in Göttingen, Erfurt, Aachen und Gießen. Außerdem gründete sie die Gruppe „Theatrum non Gratum“.

Mit der Spielzeit 2013/2014 kam Dorotty Szalma als Intendantin ans Gerhard-Hauptmann-Theater nach Zittau. Im Dreiländereck war ihr wichtig, die grenzübergreifende Zusammenarbeit mit Polen und Tschechien zu intensivieren.  Neben ihren vielen Inszenierungen und der Theaterarbeit engagierte sie sich politisch in der Wählervereinigung „Zittau kann mehr“, wurde 2014 in den Stadtrat gewählt und war ab 2020 Kultursenatorin des Freistaates Sachsen. Nun also Stendal.

Die zukünftige Intendantin auf einer Erkundungstour durch Stendal © Foto: Thomas Pfundtner

„Warum?“

„Da spielen viele Faktoren eine Rolle“, sagt Dorotty Szalma bei unserem Gespräch im Kaffeekult. Einer war, dass das Theater der Altmark weit über die Landesgrenzen hinaus hohes Ansehen genießt und in Künstlerkreisen sehr geschätzt wird. Ein anderer: „Das TdA ist eine Kaderschmiede für junge Schauspielerinnen und Schauspieler. Es gibt wohl kaum ein Theater in Deutschland, auf dem ein Schauspieler oder eine Schauspielerin auf der Bühne steht, der oder die nicht auch schon mal in Stendal gespielt hat.“

Das will die künftige Intendantin unbedingt bewahren.

Die Herausforderung, ein Landestheater zu leiten und in die Zukunft zu führen, reizte die temperamentvolle Frau („das ist mein ungarisches Blut“) ebenfalls: „Eine Chance, die mit beiden Händen angepackt werden muss. So etwas kommt nur einmal im Leben.“

Wichtig ist Dorotty Szalma aber, das Bewährte zu erhalten und Neuem gegenüber immer offen zu sein: „Das Theater der Altmark soll ein Haus für alle Menschen sein. Das ist meine Vorstellung von Theater.“

Komödie und Drama. Klassiker oder Moderne. Musical oder Monolog-Theater – alles ist vorstellbar. „Jeder soll sich einbringen. Jeder ist gefordert“, so die künftige Intendantin.

Deshalb denkt Dorotty Szalma auch nicht an Streichungen der vielen Bürgertheatergruppen, das Schultheater oder die Märchen-Inszenierungen.

Beim Personal bleibt ebenfalls alles, wie es war: „Seit ich in Stendal bin, besuche ich Premieren, spreche mit Darstellenden, Technikern, Kostümbildnern, und, und, und. Das Theater ist hervorragend aufgestellt, warum sollte ich jetzt an falschen Schrauben drehen.“

Dorotty Szalma blickt zuversichtlich und mit Freude auf ihre anspruchsvolle Aufgabe in Stendal am TdA.

Allerdings: „Wer am Theater weiterkommen will, muss für Veränderungen offen und mutig sein. Deshalb werde ich niemanden aufhalten, der das Theater verlassen möchte.“

Deshalb hat Dorotty Szalma derzeit ihr Augenmerk auch auf andere Punkte gelegt: Sie ist viel in der Stadt unterwegs, redet mit Menschen, versucht „Eindrücke von deren Leben und deren Ansichten zu bekommen.“

Außerdem ist sie dabei, ihr Konzept, mit dem sie die Auswahljury überzeugt hat, weiterzuentwickeln: „Das Theater der Altmark ist eine Landesbühne. Also werden immer zwei Spielzeiten geplant. In meiner ersten Saison konnte ich bei der Planung also nur einige Stücke mit einbringen. Meine erste Inszenierung im September 2023 wird „Mamma Medea“ von Tom Lanoye sein. Es passt hervorragend zu unserem ersten Motto: Perspektivwechsel.“

Dorotty Szalma nippt an ihrem Kaffee und fährt fort: „Wissen Sie, ich habe so viele Ideen für Stendal, ich muss das alles aber erstmal sortieren und in Form gießen.“

Fest steht, dass schnellstmöglich der Kaisersaal wieder richtig vom Ensemble belebt werden soll: „Lesungen, Monologe, Musikabende – die Palette ist bunt und vielfältig.“

Ebenso wird der regelmäßige Austausch mit den Sponsoren und Förderern weitergehen, „sofern uns Corona nicht wieder ein Schnippchen schlägt.“

Auch den eingeschlagenen digitalen Weg des TdA will Dorotty Szalma intensivieren: „Wie viel mehr Streaming ist möglich? Mit welchen Formaten können wir junge Menschen begeistern? Das sind nur zwei von so vielen offenen Fragen, die uns verstärkt seit der Pandemie beschäftigen.“

Fünf Jahre läuft der Vertrag als Intendantin: „Aber ich spüre schon jetzt, dass ich gern bleiben möchte. Doch dafür möchte ich erstmal beweisen, dass ich meine Arbeit so erledige und gestalte, wie es von mir erwartet wird.“

Apropos Erwartung: Für Dorotty Szalma ist klar, dass ihr bisher viele Vorschusslorbeeren zuteilwurden: „Alle Menschen, denen ich begegnet bin, sind offen und entgegenkommend. Sie freuen sich, dass ich nach Stendal gekommen bin. Jetzt will ich unbedingt den Erwartungen gerecht werden.“