Mordprozess Kezhia H.: Beschwerde der Verteidigung

 

Anwältinnen wehren sich weiter gegen Ablehnung der Zulassung der Krankenakte des Opfers

 

Catharina Bombach, Tino B. und Julia Melz wenige Minuten vor Eröffnung des ersten Verhandlungstags©T.Pfundtner

 

Nachdem die Prozesstage im Jahr 2023  beendet waren, hatte der Onkel von Kezhia H. sich bereiterklärt, über die Situation der trauernden Familie zu sprechen. Im Exklusiv-Interview spricht der Onkel von Kezhia, wie ihre Familie versucht, zurück in ein normales Leben zu finden. Sie finden es hier.


Der erste Prozesstag im Jahr 2024 im Mordfall Kezhia H. fand am 5. Januar statt. Zwei Berichte darüber wurden in der Altmark Zeitung in den Ausgaben für den Altmarkkreis Salzwedel und den Landkreis Stendal in den Lokalteilen am 8. Januar 2024 veröffentlicht. Die Überschrift hießen – abweichend vom Original in der Stendaler Ausgabe – Gutachter gerät in Kritik mit der Unterzeile Kezhia-Prozess: Richter ermahnt Diplombiologen / Außerplanmäßiger Gerichtstermin und in der Ausgabe für den Altmarkkreis Salzwedel Beschwerde der Verteidigung mit der Unterzeile: Kezhia-Prozess: Anwältinnen wollen Zulassung der Krankenakte des Opfers erreichen.

Klötze/Stendal – Das kam wohl selbst für die 2. Strafkammer am Landgericht Stendal ziemlich überraschend: Im Mordprozess gegen den verheirateten Angeklagten Tino B. (42), der gestanden hatte, seine langjährige Freundin Kezhia H. (19) mit 32 Messerstichen getötet zu haben, hatten Pflichtverteidigerin Julia Melz und Wahlverteidigerin Catharina Bombach aus Gardelegen, Beschwerde gegen die Ablehnung einer ihrer Anträge eingelegt. Dabei ging es um die Zulassung der Krankenakten von Kezhia H. im laufenden Verfahren. Diesen hatte die Kammer unter Vorsitz von Richter Ulrich Galler zurückgewiesen.
Begründung: Das Heranziehen von Kezhias Krankenakten, die bekanntlich in Uchtspringe in Behandlung war, stelle eine grobe Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte dar. Dagegen hatte die Verteidigung nun Beschwerde eingelegt. Als Richter Galler fragte, ob es dabeibleibe, nickte Julia Melz und antwortete mit leiser Stimme, dass es keinen Grund gäbe, die Beschwerde zurückzunehmen. Auf Hinweis des Richters, dass dies genau begründet werden müsse, erwiderte sie, dass die Begründung folgen würde. Dafür gab ihr der Richter dann noch eine Woche Zeit. „Ich gehe nicht davon aus, dass die Beschwerde etwas ändern wird“, sagte dazu Holger Stahlknecht, der Kezhias Mutter, die als Nebenklägerin auftritt, vor Gericht vertritt.

Ursprünglich war für den 5. Januar kein Gerichtstermin vorgesehen. Da aber vor Weihnachten die vier Gutachten, die Enrico L. vom LKA in Magdeburg erstellt hatte, viele Fragen offenließen, musste der Diplombiologe noch einmal vor Gericht erscheinen, um Rede und Antwort zu stehen. Die Kammer hatte kritisiert, dass L. seine Expertisen nicht so unterlegt habe, dass diese für alle Prozessbeteiligten zu verstehen seien, um Zweifel auszuschließen. „Sie haben uns zu helfen“, hatte Richter Galler vor Weihnachten den Gutachter gemaßregelt und ihm 12 Fragen mit auf den Weg gegeben, die er nun ausführlich beantwortete. Der LKA-Experte hatte den Auftrag, zahlreiche Spuren auf DNA-Reste zu untersuchen und Opfer und Täter zuzuordnen. Die Spuren wurden unter anderem an einer Einstiegsschiene des Autos, in dem die Tötung stattfand, dem Stofftier von Kezhia, einer Holzplatte, einer Decke, der Arbeitskleidung von Tino B., einem Hydraulikbagger, einem Anhänger, in der Wohnung von Tino B. und an den sterblichen Überresten des Opfers genommen. Diesmal gelang es Enrico L. mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu erklären, warum bestimmte Proben tatsächlich mit hoher Wahrscheinlichkeit Tino B. oder dem Opfer Kezhia H. zugeordnet werden können. Bei anderen Spuren erklärte er ausführlich, warum nicht ausgeschlossen werden könne, dass die DNA vom Opfer oder „Tatverdächtigen“ stammen könne. Dabei führte er aus, dass zum Beispiel drei Spuren an einem Klebeband vom Täter stammen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine andere Person sei, läge bei 1 zu 18,1 Millionen.
Enrico L. erklärte auch, dass es in den sogenannten Merkmalen, die auf eine Person hindeuten, schwache und starke Werte gibt. Die schwachen seien nicht statistisch zu berechnen, die anderen schon. Und er wies daraufhin, dass sich die Zellpartikel mit DNA einer Person durch die verschiedensten Einflüsse beispielsweise in einem Raum wie dem VW-Crafter so verteilen können, dass sie auch an anderen Stellen auftauchen können.
Alle Antworten hatte Enrico L. noch einmal auf mehreren Seiten schriftlich festgehalten und mit Fotos sowie Tabellen unterlegt. Richter Galler, den der Gutachter vor Weihnachten noch ziemlich verärgert hatte, schien nun mit den Antworten zufrieden. Da auch die Verteidigung und die Nebenklage keine weiteren Fragen hatten, wurde der Zeuge nach knapp einer Stunde entlassen.

Fotos der Toten erschüttern Familie und Zuschauer

Da kein weiterer Zeuge geladen war, nahmen alle Prozessbeteiligten zunächst 29 Fotos, die bei der Obduktion der sterblichen Überreste von Kezhia H. am 21. Juli 2022 gefertigt wurden, in Augenschein. Dabei verlas das Gericht die präzisen Beschreibungen der Ermittler zu den einzelnen Bildern. Zum Beispiel „rechter Arm nach Reinigung“ oder „eine 8,4 Zentimeter tiefe Stichwunde im Oberbauch“. Diese Minuten waren so erschütternd, dass nicht nur die Angehörigen von Kezhia erbleichten und Tränen in den Augen hatten, sondern auch viele Zuschauer schockierten. Abschließend begutachtete das Gericht dann noch Fotos vom Hydraulikbagger, mit dem Tino B. das Grab von Kezhia ausgehoben hatte, sowie weitere Tatfahrzeuge.
Gern hätte Richter Galler noch eine Einlassung von Tino B. zu seinem Lebenslauf gehört. Damit allerdings war die Verteidigung nicht einverstanden. Dies soll nun zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Wann das sein wird, blieb allerdings offen. Der Prozess wird nun am 11. Januar unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt. Auf dem Programm steht das Verlesen der Liebesbriefe von Kezhia und dem Vater von drei Kindern Tino B. Diese seien zu intim, als dass sie öffentlich gemacht werden sollten. Spannend wird es dann am 18. Januar: Höchstwahrscheinlich wird das Gutachten vorgetragen, mit dem überprüft wurde, ob der Hergang der schrecklichen Tat, die Tino B. gestanden hat, tatsächlich so stattgefunden haben kann, wie Tino B. es in seiner Einlassung beschrieb.